
Einleitung und Grundlagen
Die Bedeutung der Unterschwellenvergabe in Hessen
Die öffentliche Auftragsvergabe stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, der in Deutschland jährlich ein Volumen von rund 500 Milliarden Euro umfasst. Bemerkenswert ist dabei, dass etwa 80 Prozent aller öffentlichen Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte vergeben werden. Diese sogenannten Unterschwellenvergaben bilden somit das Rückgrat der öffentlichen Beschaffung und sind insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von existenzieller Bedeutung. In Hessen, einem wirtschaftsstarken Bundesland mit einer vielfältigen Unternehmenslandschaft, kommt der Unterschwellenvergabe eine besonders wichtige Rolle zu.
Definition und Abgrenzung zur Oberschwellenvergabe
Die Unterschwellenvergabe umfasst alle öffentlichen Auftragsvergaben, deren geschätzter Auftragswert die EU-Schwellenwerte nicht erreicht. Diese Schwellenwerte werden alle zwei Jahre von der Europäischen Kommission angepasst und betragen aktuell (Stand 2024/2025) für Bauleistungen 5.538.000 Euro, für Liefer- und Dienstleistungen durch oberste oder obere Bundesbehörden 143.000 Euro und für sonstige öffentliche Auftraggeber 221.000 Euro.
Im Gegensatz zur Oberschwellenvergabe, die durch das strenge Korsett des EU-Vergaberechts und des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) reguliert wird, unterliegt die Unterschwellenvergabe primär landesrechtlichen Bestimmungen. Dies führt zu einem föderalen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen, der für Auftraggeber und Bieter gleichermaßen herausfordernd sein kann. In Hessen hat der Landesgesetzgeber mit dem Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) sowie ergänzenden Erlassen einen eigenen Rechtsrahmen geschaffen, der die Besonderheiten des hessischen Wirtschaftsraums berücksichtigt.
Die Unterschwellenvergabe zeichnet sich durch vereinfachte Verfahren, kürzere Fristen und geringere Formalisierung aus. Dies ermöglicht einerseits eine flexiblere und schnellere Beschaffung, stellt andererseits aber auch höhere Anforderungen an die Vergabestellen hinsichtlich der Einhaltung der Grundprinzipien des Vergaberechts: Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit.
Wirtschaftliche Relevanz für hessische Unternehmen und öffentliche Auftraggeber
Hessen als wirtschaftsstarkes Bundesland mit einer breit gefächerten Unternehmenslandschaft profitiert in besonderem Maße von einem funktionierenden Unterschwellenvergaberecht. Mit rund 380.000 Unternehmen, davon über 99% KMU, bildet der Mittelstand das Rückgrat der hessischen Wirtschaft. Für diese Unternehmen stellen öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte eine wichtige Einnahmequelle dar und bieten oft den ersten Zugang zum Markt der öffentlichen Aufträge.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Unterschwellenvergabe in Hessen lässt sich anhand einiger Kennzahlen verdeutlichen:
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Das jährliche Volumen der öffentlichen Beschaffung in Hessen beträgt schätzungsweise 8-10 Milliarden Euro, wovon etwa 6-8 Milliarden Euro auf den Unterschwellenbereich entfallen.
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Rund 70% aller hessischen Kommunen vergeben mehr als 90% ihrer Aufträge im Unterschwellenbereich.
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Besonders im Bausektor, einem traditionell starken Wirtschaftszweig in Hessen, werden zahlreiche Projekte unterhalb der EU-Schwellenwerte realisiert.
Für öffentliche Auftraggeber in Hessen – von Landesbehörden über Kommunen bis hin zu öffentlichen Unternehmen – bietet die Unterschwellenvergabe die Möglichkeit, Beschaffungsprozesse effizienter zu gestalten und gleichzeitig die regionale Wirtschaft zu stärken. Die im HVTG verankerten Wertgrenzen erlauben es, bei kleineren Aufträgen vereinfachte Verfahren anzuwenden, was den Verwaltungsaufwand reduziert und schnellere Entscheidungen ermöglicht.
Gleichzeitig stellt die Unterschwellenvergabe die Vergabestellen vor die Herausforderung, trotz vereinfachter Verfahren die Grundsätze des Vergaberechts zu wahren und rechtssichere Entscheidungen zu treffen. Dies ist besonders relevant, da im Unterschwellenbereich der Primärrechtsschutz eingeschränkt ist und Fehler im Vergabeverfahren oft erst spät oder gar nicht korrigiert werden können.
Aktuelle Entwicklungen und Trends im hessischen Vergaberecht
Das hessische Vergaberecht befindet sich, wie das Vergaberecht insgesamt, in einem stetigen Wandel. Mehrere Entwicklungen prägen aktuell die Unterschwellenvergabe in Hessen:
1. Digitalisierung der Vergabe: Die elektronische Vergabe (E-Vergabe) hat in den letzten Jahren auch im Unterschwellenbereich an Bedeutung gewonnen. Hessische Vergabestellen nutzen zunehmend digitale Plattformen wie die Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) oder vergabe.hessen.de, um Aufträge bekannt zu machen und abzuwickeln. Diese Entwicklung wurde durch die COVID-19-Pandemie noch beschleunigt und hat zu einer höheren Transparenz und Effizienz in Vergabeverfahren geführt.
2. Nachhaltige Beschaffung: Umwelt- und Sozialkriterien gewinnen auch in der hessischen Unterschwellenvergabe an Bedeutung. Das HVTG ermöglicht es Auftraggebern, ökologische und soziale Aspekte bei der Vergabe zu berücksichtigen, etwa durch die Einbeziehung von Lebenszykluskosten oder die Forderung nach der Einhaltung von Umweltstandards. Diese Entwicklung spiegelt das wachsende Bewusstsein für die Verantwortung der öffentlichen Hand im Bereich der Nachhaltigkeit wider.
3. Vereinfachung und Flexibilisierung: Der hessische Gesetzgeber hat in den letzten Jahren mehrfach die Wertgrenzen für vereinfachte Vergabeverfahren angehoben, zuletzt mit der Novellierung des HVTG im Jahr 2021. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Vergabeprozess zu beschleunigen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, ohne dabei die Grundprinzipien des Vergaberechts zu vernachlässigen.
4. Stärkung des Rechtsschutzes: Obwohl der Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich eingeschränkt bleibt, hat Hessen mit den Vergabekompetenzstellen (VKS) nach § 18 HVTG ein Instrument geschaffen, das Bietern zumindest eine gewisse Kontrolle der Vergabeentscheidungen ermöglicht. Die Bedeutung dieser Stellen hat in den letzten Jahren zugenommen, was auf ein gestiegenes Rechtsbewusstsein der Bieter hindeutet.
5. Professionalisierung der Vergabe: Sowohl auf Seiten der Auftraggeber als auch der Bieter ist eine zunehmende Professionalisierung zu beobachten. Vergabestellen investieren in die Schulung ihrer Mitarbeiter und die Optimierung ihrer Prozesse, während Unternehmen ihre Strategien für öffentliche Ausschreibungen verfeinern und spezialisierte Abteilungen aufbauen.
Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass die Unterschwellenvergabe in Hessen kein statisches Konstrukt ist, sondern sich kontinuierlich an veränderte wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen anpasst. Für alle Beteiligten – Auftraggeber, Bieter und ihre rechtlichen Berater – ist es daher unerlässlich, die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen und ihre Strategien entsprechend anzupassen.
Die Unterschwellenvergabe in Hessen bleibt somit ein dynamisches und facettenreiches Rechtsgebiet, das sowohl Herausforderungen als auch Chancen bietet. Der vorliegende Leitfaden soll dazu beitragen, diese Komplexität zu durchdringen und praktische Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche Teilnahme an bzw. Durchführung von Vergabeverfahren zu geben.
Rechtlicher Rahmen im Überblick
Das Vergaberecht im Unterschwellenbereich zeichnet sich durch eine komplexe Gemengelage aus Bundes- und Landesrecht aus, die für Rechtsanwender eine besondere Herausforderung darstellt. In Hessen hat der Landesgesetzgeber von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und ein eigenständiges Regelwerk geschaffen, das die Besonderheiten des hessischen Wirtschaftsraums berücksichtigt. Im Folgenden wird der rechtliche Rahmen der Unterschwellenvergabe in Hessen systematisch dargestellt und erläutert.
Bundesrecht vs. Landesrecht: Kompetenzverteilung
Die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern führt im Vergaberecht zu einem Nebeneinander verschiedener Regelungsebenen. Während der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Wirtschaftsrecht und damit für das Vergaberecht im Oberschwellenbereich besitzt, fällt die Regelung des Unterschwellenbereichs grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder.
Diese Kompetenzverteilung hat zur Folge, dass im Unterschwellenbereich ein föderaler Flickenteppich entstanden ist, der sich durch unterschiedliche landesrechtliche Regelungen auszeichnet. In Hessen bildet das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) die zentrale landesrechtliche Grundlage, die durch Verordnungen und Erlasse konkretisiert wird.
Trotz der grundsätzlichen Länderkompetenz gibt es auch im Unterschwellenbereich bundesrechtliche Vorgaben, die zu beachten sind. Hierzu zählen insbesondere:
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Die Verdingungsordnungen, insbesondere die VOB/A Abschnitt 1 für Bauleistungen
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Haushaltsrechtliche Bestimmungen, die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit fordern
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Allgemeine Rechtsgrundsätze wie das Gleichbehandlungsgebot und das Transparenzgebot
Diese bundesrechtlichen Vorgaben bilden einen Rahmen, innerhalb dessen die Länder ihre eigenen Regelungen treffen können. Hessen hat diesen Spielraum genutzt, um ein eigenständiges Vergaberecht zu schaffen, das auf die spezifischen Bedürfnisse des Landes zugeschnitten ist.
VOB/A Abschnitt 1 als maßgebliches Regelwerk für Bauleistungen
Für die Vergabe von Bauleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte ist in Hessen – wie in ganz Deutschland – die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 (VOB/A) das maßgebliche Regelwerk. Die VOB/A Abschnitt 1 enthält detaillierte Vorschriften für die Durchführung von Vergabeverfahren im Baubereich und wird durch Verweis in § 12 HVTG in das hessische Landesrecht inkorporiert.
Die VOB/A Abschnitt 1 regelt unter anderem:
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Die verschiedenen Vergabearten (öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe)
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Die Anforderungen an die Leistungsbeschreibung
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Die Eignungsprüfung und Zuschlagserteilung
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Die Behandlung von Nebenangeboten
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Die Dokumentationspflichten
Wichtig ist, dass die VOB/A Abschnitt 1 in Hessen ausschließlich für Bauleistungen gilt. Für Liefer- und Dienstleistungen kommt hingegen die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) zur Anwendung, die durch den hessischen Vergabeerlass für anwendbar erklärt wurde.
Diese Zweiteilung des Regelungsregimes – VOB/A für Bauleistungen, UVgO für Liefer- und Dienstleistungen – stellt eine besondere Herausforderung für Vergabestellen dar, die sowohl Bau- als auch Liefer- und Dienstleistungen beschaffen. Sie müssen je nach Auftragsgegenstand unterschiedliche Regelwerke anwenden, was die Komplexität des Vergabeprozesses erhöht.
Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG)
Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) bildet das Herzstück des hessischen Vergaberechts im Unterschwellenbereich. Es wurde zuletzt im Jahr 2021 novelliert und enthält zentrale Bestimmungen zur Durchführung von Vergabeverfahren in Hessen.
Das HVTG verfolgt mehrere Ziele:
1. Die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für die öffentliche Auftragsvergabe in Hessen 2. Die Förderung des Wettbewerbs und der Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge 3. Die Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und innovativer Aspekte bei der Vergabe 4. Die Stärkung der Tariftreue und der Einhaltung von Mindestlohnvorgaben
Besonders relevant für die Praxis sind die in § 12 HVTG festgelegten Wertgrenzen, die bestimmen, welche Vergabeart bei welchem Auftragswert zulässig ist. Diese Wertgrenzen wurden in der Novelle 2021 angehoben, um den Vergabeprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Darüber hinaus enthält das HVTG Bestimmungen zu:
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Tariftreue- und Mindestentgeltregelungen (§§ 3-6 HVTG)
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Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialkriterien (§ 3 Abs. 1 HVTG)
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Mittelstandsförderung durch Losbildung (§ 11 HVTG)
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Vergabekompetenzstellen als Nachprüfungsinstanzen (§ 18 HVTG)
Das HVTG gilt für alle öffentlichen Auftraggeber in Hessen, also für Landesbehörden, Kommunen und andere öffentliche Einrichtungen. Es schafft damit einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Unterschwellenvergabe im gesamten Bundesland.
Gemeinsamer Vergabeerlass und seine Bedeutung
Der Gemeinsame Runderlass zum öffentlichen Auftragswesen (Vergabeerlass) konkretisiert die Bestimmungen des HVTG und gibt den Vergabestellen praktische Handlungsanweisungen für die Durchführung von Vergabeverfahren. Er wird regelmäßig aktualisiert, um Änderungen der Rechtslage und neue Entwicklungen in der Vergabepraxis zu berücksichtigen.
Der Vergabeerlass enthält unter anderem:
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Detaillierte Vorgaben zur Anwendung der verschiedenen Vergabearten
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Muster und Formblätter für die Vergabeunterlagen
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Hinweise zur Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialkriterien
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Regelungen zur elektronischen Vergabe
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Vorgaben zur Dokumentation von Vergabeverfahren
Für die Vergabepraxis in Hessen ist der Vergabeerlass von großer Bedeutung, da er die oft abstrakten gesetzlichen Vorgaben in konkrete Handlungsanweisungen übersetzt. Vergabestellen, die sich an den Vergabeerlass halten, können davon ausgehen, dass ihre Vergabeverfahren den rechtlichen Anforderungen entsprechen.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass der Vergabeerlass als Verwaltungsvorschrift keine unmittelbare Außenwirkung entfaltet. Er bindet zunächst nur die Verwaltung selbst, nicht jedoch die Bieter oder die Gerichte. In der Praxis wird ihm jedoch eine erhebliche faktische Bindungswirkung zuerkannt, da er die herrschende Verwaltungspraxis widerspiegelt.
Abgrenzung: Warum das GWB (Teil 4) nicht anwendbar ist
Eine zentrale Besonderheit des Unterschwellenvergaberechts ist, dass der vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der das Vergaberecht im Oberschwellenbereich regelt, nicht anwendbar ist. Dies ergibt sich aus § 106 Abs. 1 GWB, der den Anwendungsbereich des vierten Teils auf Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte beschränkt.
Diese Nichtanwendbarkeit des GWB hat weitreichende Konsequenzen für den Rechtsschutz im Unterschwellenbereich:
1. Es gibt kein formelles Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern. 2. Die Informations- und Wartepflicht nach § 134 GWB gilt nicht. 3. Die Unwirksamkeitsfolgen nach § 135 GWB treten nicht ein.
Stattdessen sieht das hessische Recht mit den Vergabekompetenzstellen nach § 18 HVTG ein eigenes, weniger formalisiertes Nachprüfungsverfahren vor. Dieses bietet zwar einen gewissen Rechtsschutz, erreicht jedoch nicht die Intensität des Primärrechtsschutzes im Oberschwellenbereich.
Die Nichtanwendbarkeit des GWB bedeutet jedoch nicht, dass im Unterschwellenbereich ein rechtsfreier Raum besteht. Vielmehr gelten die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts – Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit – auch hier. Sie werden durch das HVTG, die VOB/A bzw. UVgO und den Vergabeerlass konkretisiert und sind von den Vergabestellen zu beachten.
Zudem ist zu beachten, dass die Teile 1-3 des GWB, die das allgemeine Kartellrecht regeln, auch im Unterschwellenbereich anwendbar bleiben. Dies betrifft insbesondere das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§ 1 GWB) und den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen (§ 19 GWB).
Der rechtliche Rahmen der Unterschwellenvergabe in Hessen zeichnet sich somit durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Rechtsquellen aus. Vergabestellen und Bieter müssen dieses Regelungsgeflecht durchdringen, um rechtssichere Vergabeverfahren durchzuführen bzw. erfolgreich an ihnen teilzunehmen. Der vorliegende Leitfaden soll dabei Orientierung bieten und praktische Handlungsempfehlungen geben.
Schwellenwerte und ihre Bedeutung
Die Schwellenwerte bilden das zentrale Abgrenzungskriterium zwischen dem Ober- und Unterschwellenbereich im Vergaberecht. Sie bestimmen, welches Regelungsregime zur Anwendung kommt und welche Verfahrensarten zulässig sind. Für die Vergabepraxis in Hessen ist daher ein genaues Verständnis der verschiedenen Schwellenwerte und ihrer Bedeutung unerlässlich.
Aktuelle EU-Schwellenwerte (2024/2025)
Die EU-Schwellenwerte markieren die Grenze zwischen dem europäischen Vergaberecht und dem nationalen Vergaberecht. Sie werden alle zwei Jahre von der Europäischen Kommission angepasst und in Euro sowie in Sonderziehungsrechten (SZR) festgelegt. Die aktuellen EU-Schwellenwerte für den Zeitraum 2024/2025 betragen:
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Für Bauaufträge: 5.538.000 Euro
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Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge:
– Bei zentralen Regierungsbehörden: 143.000 Euro – Bei sonstigen öffentlichen Auftraggebern: 221.000 Euro
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Für besondere Dienstleistungen (soziale und andere besondere Dienstleistungen): 750.000 Euro
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Für Konzessionen: 5.538.000 Euro
Diese Schwellenwerte sind für alle öffentlichen Auftraggeber in Hessen verbindlich und bestimmen, ob ein Auftrag europaweit oder nur national ausgeschrieben werden muss. Liegt der geschätzte Auftragswert über dem jeweiligen Schwellenwert, ist das strenge Regime des EU-Vergaberechts mit seinen formalen Verfahren und umfassenden Rechtsschutzmöglichkeiten anzuwenden. Liegt er darunter, greifen die flexibleren Regelungen des nationalen Vergaberechts, in Hessen also das HVTG und die darauf basierenden Vorschriften.
Die korrekte Bestimmung des Auftragswerts ist daher von entscheidender Bedeutung für die rechtssichere Durchführung von Vergabeverfahren. Eine Unterschätzung des Auftragswerts kann dazu führen, dass ein eigentlich europaweit auszuschreibender Auftrag nur national bekannt gemacht wird, was einen schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß darstellt und zur Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags führen kann.
Hessische Wertgrenzen nach § 12 HVTG
Innerhalb des Unterschwellenbereichs hat der hessische Gesetzgeber in § 12 HVTG eigene Wertgrenzen festgelegt, die bestimmen, welche Vergabeart bei welchem Auftragswert zulässig ist. Diese Wertgrenzen wurden mit der Novellierung des HVTG im Jahr 2021 angehoben, um den Vergabeprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Die aktuellen hessischen Wertgrenzen für Bauleistungen betragen:
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Direktauftrag: bis 10.000 Euro
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Verhandlungsvergabe oder beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb: bis 100.000 Euro je Fachlos
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Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb: bis 250.000 Euro (für Wohnungsbaumaßnahmen bis 1.000.000 Euro)
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Öffentliche Ausschreibung: über 250.000 Euro bis zur EU-Schwelle
Für Liefer- und Dienstleistungen gelten folgende Wertgrenzen:
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Direktauftrag: bis 10.000 Euro
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Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb: bis 50.000 Euro
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Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb oder beschränkte Ausschreibung: bis 100.000 Euro
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Öffentliche Ausschreibung: über 100.000 Euro bis zur EU-Schwelle
Diese Wertgrenzen bieten den Vergabestellen in Hessen einen klaren Orientierungsrahmen für die Wahl der richtigen Vergabeart. Sie ermöglichen es, bei kleineren Aufträgen vereinfachte Verfahren anzuwenden, was den Verwaltungsaufwand reduziert und schnellere Entscheidungen ermöglicht.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Wertgrenzen nur die Obergrenze für die jeweilige Vergabeart darstellen. Die Vergabestellen sind nicht verpflichtet, die vereinfachten Verfahren auszuschöpfen, sondern können auch bei niedrigeren Auftragswerten ein förmlicheres Verfahren wählen, etwa eine öffentliche Ausschreibung statt einer beschränkten Ausschreibung. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn ein besonders breiter Wettbewerb gewünscht ist oder wenn die Vergabestelle besonders transparent agieren möchte.
Berechnung des Auftragswertes: Methodik und Fallstricke
Die korrekte Berechnung des Auftragswertes ist eine der größten Herausforderungen im Vergaberecht. Sie entscheidet darüber, welches Regelungsregime zur Anwendung kommt und welche Verfahrensart gewählt werden kann. Fehler bei der Auftragswertberechnung können zu schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen führen und im Extremfall die Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags zur Folge haben.
Grundsätzlich gilt, dass der Auftragswert ohne Umsatzsteuer zu schätzen ist. Maßgeblich ist der voraussichtliche Gesamtwert der zu beschaffenden Leistung einschließlich aller Optionen und Vertragsverlängerungen. Bei der Schätzung sind folgende Grundsätze zu beachten:
1. Einheitliche Beschaffung: Werden gleichartige Leistungen beschafft, ist der Gesamtwert aller Leistungen maßgeblich. Eine künstliche Aufteilung, um die Schwellenwerte zu unterschreiten (sog. Splitting), ist unzulässig.
2. Zeitliche Dimension: Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen ist entweder der tatsächliche Gesamtwert entsprechender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr oder der geschätzte Gesamtwert für die auf die erste Leistung folgenden 12 Monate maßgeblich.
3. Rahmenvereinbarungen: Bei Rahmenvereinbarungen ist der geschätzte Höchstwert aller für die gesamte Laufzeit geplanten Einzelaufträge maßgeblich.
4. Lose: Wird ein Auftrag in mehreren Losen vergeben, ist der Gesamtwert aller Lose maßgeblich. Allerdings gibt es für Lose unter bestimmten Wertgrenzen Ausnahmeregelungen (sog. Bagatelllose).
In der Praxis treten bei der Auftragswertberechnung häufig folgende Fallstricke auf:
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Unterschätzung des Bedarfs: Vergabestellen unterschätzen oft den tatsächlichen Bedarf, etwa weil sie nur den aktuellen Bedarf berücksichtigen, nicht aber mögliche zukünftige Entwicklungen.
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Nichtberücksichtigung von Optionen: Vertragliche Optionen, etwa auf Verlängerung oder Erweiterung des Auftrags, werden bei der Auftragswertberechnung häufig vergessen, obwohl sie einzubeziehen sind.
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Unzulässiges Splitting: Um vereinfachte Verfahren anwenden zu können, werden Aufträge manchmal künstlich aufgeteilt, was einen Verstoß gegen das Vergaberecht darstellt.
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Fehlerhafte Losbildung: Bei der Bildung von Losen werden die Regeln zur Auftragswertberechnung nicht korrekt angewendet, etwa indem die Ausnahmeregelungen für Bagatelllose überdehnt werden.
Um diese Fallstricke zu vermeiden, sollten Vergabestellen die Auftragswertberechnung sorgfältig dokumentieren und im Zweifel von einem höheren Auftragswert ausgehen. Zudem empfiehlt es sich, bei komplexen Beschaffungsvorhaben vergaberechtlichen Rat einzuholen, um Rechtssicherheit zu erlangen.
Die korrekte Berechnung des Auftragswertes ist somit ein zentraler Baustein für die rechtssichere Durchführung von Vergabeverfahren in Hessen. Sie erfordert eine sorgfältige Analyse des Beschaffungsbedarfs und eine genaue Kenntnis der vergaberechtlichen Regelungen.
Die Schwellenwerte und Wertgrenzen bilden das Grundgerüst des Vergaberechts in Hessen. Sie bestimmen, welches Regelungsregime zur Anwendung kommt und welche Verfahrensarten zulässig sind. Eine genaue Kenntnis dieser Werte und der Methodik zur Auftragswertberechnung ist daher für alle Beteiligten – Auftraggeber, Bieter und ihre rechtlichen Berater – unerlässlich.
Verfahrensarten und ihre Anwendung
Öffentliche Ausschreibung
Die öffentliche Ausschreibung stellt im Vergaberecht den Regelfall dar und ist durch ein Höchstmaß an Transparenz und Wettbewerb gekennzeichnet. Sie bildet auch im hessischen Unterschwellenbereich das Fundament eines fairen und wirtschaftlichen Beschaffungswesens. Trotz der Möglichkeit, unter bestimmten Wertgrenzen auf vereinfachte Verfahren zurückzugreifen, bleibt die öffentliche Ausschreibung ein zentrales Element der Vergabepraxis in Hessen.
Anwendungsbereich und Voraussetzungen
Die öffentliche Ausschreibung ist gemäß § 3 Abs. 1 VOB/A grundsätzlich die vorrangige Vergabeart für Bauleistungen. In Hessen hat der Gesetzgeber jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Festlegung von Wertgrenzen den Anwendungsbereich der öffentlichen Ausschreibung einzuschränken. Nach § 12 HVTG ist die öffentliche Ausschreibung für Bauleistungen erst ab einem geschätzten Auftragswert von mehr als 250.000 Euro bis zur EU-Schwelle (aktuell 5.538.000 Euro) verpflichtend.
Für Liefer- und Dienstleistungen, die nach der UVgO vergeben werden, gilt die öffentliche Ausschreibung als Regelfall ab einem Auftragswert von mehr als 100.000 Euro bis zur jeweiligen EU-Schwelle (aktuell 221.000 Euro für die meisten öffentlichen Auftraggeber).
Unabhängig von diesen Wertgrenzen steht es den Vergabestellen jedoch frei, auch bei niedrigeren Auftragswerten eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn ein besonders breiter Wettbewerb gewünscht ist oder wenn die Vergabestelle besonders transparent agieren möchte.
Für die Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung bestehen keine besonderen Voraussetzungen. Anders als bei den vereinfachten Verfahren muss die Vergabestelle keine besonderen Gründe darlegen, um eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Sie ist vielmehr der Regelfall, von dem nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf.
Ablauf und Fristen
Der Ablauf einer öffentlichen Ausschreibung im Unterschwellenbereich folgt einem strukturierten Prozess, der in der VOB/A bzw. UVgO detailliert geregelt ist. Die wesentlichen Schritte sind:
1. Erstellung der Vergabeunterlagen: Die Vergabestelle erstellt die Vergabeunterlagen, bestehend aus Anschreiben, Bewerbungsbedingungen, Leistungsbeschreibung, Vertragsbedingungen und ggf. weiteren Anlagen. Die Unterlagen müssen klar, eindeutig und erschöpfend sein, um allen Bietern die gleiche Chance zu geben.
2. Bekanntmachung: Die Ausschreibung wird öffentlich bekannt gemacht, in Hessen typischerweise über die Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) oder andere geeignete Plattformen. Die Bekanntmachung muss alle wesentlichen Informationen enthalten, die potenzielle Bieter benötigen, um zu entscheiden, ob sie an der Ausschreibung teilnehmen möchten.
3. Bereitstellung der Vergabeunterlagen: Die vollständigen Vergabeunterlagen werden den interessierten Unternehmen zur Verfügung gestellt, heute in der Regel elektronisch über eine Vergabeplattform.
4. Bieterfragen und Antworten: Während der Angebotsfrist können Bieter Fragen zu den Vergabeunterlagen stellen. Die Vergabestelle beantwortet diese Fragen und stellt die Antworten allen Bietern zur Verfügung, um Gleichbehandlung zu gewährleisten.
5. Angebotsabgabe: Die Bieter reichen ihre Angebote bis zum festgelegten Schlusstermin ein. Die Angebote müssen den formalen Anforderungen entsprechen und alle geforderten Unterlagen enthalten.
6. Angebotseröffnung: Nach Ablauf der Angebotsfrist werden die eingegangenen Angebote geöffnet. Bei Bauleistungen erfolgt dies traditionell in einem förmlichen Eröffnungstermin, bei dem die Bieter anwesend sein dürfen. Bei Liefer- und Dienstleistungen nach UVgO ist ein solcher Eröffnungstermin nicht mehr vorgeschrieben.
7. Prüfung und Wertung: Die Angebote werden in mehreren Stufen geprüft und gewertet: formelle Prüfung, Eignungsprüfung, Prüfung der Angemessenheit der Preise und schließlich Wertung anhand der Zuschlagskriterien.
8. Zuschlagserteilung: Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, also das Angebot, das die Zuschlagskriterien am besten erfüllt. Die unterlegenen Bieter werden informiert, haben im Unterschwellenbereich jedoch keinen Anspruch auf eine Stillhaltefrist wie im Oberschwellenbereich.
Die Fristen für die Angebotsabgabe sind im Unterschwellenbereich flexibler als im Oberschwellenbereich. Nach § 10 VOB/A bzw. § 13 UVgO müssen die Fristen angemessen sein und den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben. Als Richtwert gilt für Bauleistungen eine Mindestfrist von 10 Kalendertagen, bei umfangreichen Leistungen entsprechend mehr. In der Praxis werden oft Fristen von 2-3 Wochen angesetzt, um einen ausreichenden Wettbewerb zu gewährleisten.
Vor- und Nachteile für Auftraggeber und Bieter
Die öffentliche Ausschreibung bietet sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter spezifische Vor- und Nachteile, die bei der Entscheidung über die Vergabeart zu berücksichtigen sind.
Vorteile für Auftraggeber:
1. Maximaler Wettbewerb: Durch die öffentliche Bekanntmachung wird ein breiter Bieterkreis angesprochen, was zu einer größeren Anzahl von Angeboten und potenziell günstigeren Preisen führt.
2. Transparenz und Rechtssicherheit: Das offene Verfahren bietet ein Höchstmaß an Transparenz und reduziert das Risiko von Nachprüfungsverfahren oder Schadensersatzansprüchen.
3. Entdeckung neuer Anbieter: Die Vergabestelle kann durch die öffentliche Ausschreibung neue, bisher unbekannte Anbieter entdecken, die möglicherweise innovative oder wirtschaftlichere Lösungen anbieten.
4. Korruptionsprävention: Die Transparenz des Verfahrens und die klaren Regeln reduzieren das Risiko von Korruption und Manipulation.
Nachteile für Auftraggeber:
1. Höherer Verwaltungsaufwand: Die Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung ist mit einem höheren administrativen Aufwand verbunden als vereinfachte Verfahren.
2. Längere Verfahrensdauer: Von der Vorbereitung bis zum Zuschlag dauert eine öffentliche Ausschreibung in der Regel länger als eine beschränkte Ausschreibung oder eine Verhandlungsvergabe.
3. Weniger Flexibilität: Das formalisierte Verfahren lässt weniger Raum für Anpassungen und Verhandlungen als flexiblere Vergabearten.
4. Risiko ungeeigneter Bieter: Durch den offenen Zugang können auch Unternehmen Angebote einreichen, die für den Auftrag nicht geeignet sind, was den Prüfungsaufwand erhöht.
Vorteile für Bieter:
1. Offener Marktzugang: Auch kleinere oder neue Unternehmen haben die Chance, an öffentlichen Aufträgen teilzunehmen, ohne auf eine Einladung angewiesen zu sein.
2. Transparente Spielregeln: Die klaren Regeln und Kriterien schaffen Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Bieter.
3. Geringeres Risiko von Manipulation: Die Transparenz des Verfahrens reduziert das Risiko, dass bestimmte Bieter bevorzugt werden.
4. Möglichkeit zur Profilierung: Unternehmen können durch überzeugende Angebote ihre Kompetenz unter Beweis stellen und sich für zukünftige Aufträge empfehlen.
Nachteile für Bieter:
1. Hoher Aufwand bei unsicheren Erfolgsaussichten: Die Erstellung eines Angebots erfordert erhebliche Ressourcen, ohne dass eine Einladung oder Vorauswahl stattgefunden hat.
2. Starker Preiswettbewerb: Der breite Wettbewerb kann zu einem intensiven Preiskampf führen, der die Margen reduziert.
3. Formale Hürden: Die strengen formalen Anforderungen bergen das Risiko, dass Angebote wegen formaler Mängel ausgeschlossen werden.
4. Wenig Raum für Verhandlungen: Anders als bei der Verhandlungsvergabe gibt es kaum Möglichkeiten, das Angebot nachträglich anzupassen oder zu verhandeln.
Praxisbeispiel: Öffentliche Ausschreibung einer kommunalen Baumaßnahme
Um die praktische Anwendung der öffentlichen Ausschreibung zu veranschaulichen, betrachten wir das Beispiel einer mittelgroßen hessischen Kommune, die den Neubau einer Kindertagesstätte plant. Der geschätzte Auftragswert für die Bauleistungen beträgt 1,2 Millionen Euro und liegt damit deutlich über der hessischen Wertgrenze von 250.000 Euro, aber unter der EU-Schwelle von 5.538.000 Euro. Es handelt sich also um eine klassische Unterschwellenvergabe, für die eine öffentliche Ausschreibung nach VOB/A Abschnitt 1 durchzuführen ist.
Vorbereitung: Die Kommune beauftragt zunächst ein Architekturbüro mit der Planung und Erstellung der Leistungsverzeichnisse. In Abstimmung mit dem Hochbauamt werden die Vergabeunterlagen erstellt, die neben dem Anschreiben und den Bewerbungsbedingungen auch detaillierte Leistungsverzeichnisse für die verschiedenen Gewerke, Pläne, technische Spezifikationen und den Vertragsentwurf umfassen. Die Leistung wird in mehrere Fachlose aufgeteilt (Rohbau, Dach, Fenster, Innenausbau, Haustechnik etc.), um mittelständischen Unternehmen den Zugang zu erleichtern.
Bekanntmachung: Die Ausschreibung wird auf der Hessischen Ausschreibungsdatenbank (HAD) veröffentlicht. Die Bekanntmachung enthält alle wesentlichen Informationen zum Auftrag, darunter Beschreibung der Leistung, Ausführungsort und -zeit, Eignungskriterien, Zuschlagskriterien (70% Preis, 30% Qualität/Ausführungskonzept) und Frist für die Angebotsabgabe (21 Kalendertage). Zusätzlich wird die Ausschreibung auf der Website der Kommune und in einer regionalen Tageszeitung bekannt gemacht, um einen möglichst breiten Bieterkreis zu erreichen.
Vergabeunterlagen: Die vollständigen Vergabeunterlagen werden über die elektronische Vergabeplattform der Kommune bereitgestellt. Interessierte Unternehmen können sich registrieren und die Unterlagen kostenlos herunterladen. Für Rückfragen steht ein Ansprechpartner im Hochbauamt zur Verfügung.
Bieterfragen: Während der Angebotsfrist gehen mehrere Bieterfragen ein, etwa zur Baustelleneinrichtung, zu technischen Details der Haustechnik und zur Ausführungsfrist. Die Kommune beantwortet diese Fragen innerhalb von drei Arbeitstagen und stellt die Antworten allen registrierten Bietern über die Vergabeplattform zur Verfügung. Bei einer komplexen technischen Frage wird eine Klarstellung der Leistungsbeschreibung vorgenommen, die ebenfalls allen Bietern mitgeteilt wird.
Angebotsabgabe: Bis zum Schlusstermin gehen für die verschiedenen Lose zwischen drei und acht Angebote ein. Die Angebote werden elektronisch über die Vergabeplattform eingereicht und sind bis zur Eröffnung verschlüsselt.
Angebotseröffnung: Nach Ablauf der Angebotsfrist findet der Eröffnungstermin statt, zu dem die Bieter eingeladen sind. Die Angebote werden geöffnet und die wesentlichen Informationen (Bieter, Angebotssumme, Erklärungen) werden in einem Eröffnungsprotokoll festgehalten, das den anwesenden Bietern zur Verfügung gestellt wird.
Prüfung und Wertung: Die Angebote werden zunächst auf formale Vollständigkeit und Einhaltung der Vorgaben geprüft. Ein Angebot muss wegen fehlender Unterschrift ausgeschlossen werden. Anschließend erfolgt die Eignungsprüfung anhand der geforderten Nachweise (Handelsregisterauszug, Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Referenzen). Die verbleibenden Angebote werden auf Angemessenheit der Preise geprüft, wobei ein Angebot wegen ungewöhnlich niedriger Preise einer vertieften Prüfung unterzogen wird. Nach Aufklärung durch den Bieter wird das Angebot jedoch nicht ausgeschlossen. Schließlich erfolgt die Wertung anhand der Zuschlagskriterien, wobei neben dem Preis auch die Qualität des Ausführungskonzepts und die vorgeschlagenen Materialien berücksichtigt werden.
Zuschlagserteilung: Nach Abschluss der Wertung erteilt die Kommune den Zuschlag für die verschiedenen Lose an die Bieter mit den wirtschaftlichsten Angeboten. Die unterlegenen Bieter werden informiert, haben im Unterschwellenbereich jedoch keinen Anspruch auf eine Stillhaltefrist. Die Aufträge werden durch Versand der Auftragsschreiben erteilt, und die Baumaßnahme kann beginnen.
Dieses Praxisbeispiel verdeutlicht den typischen Ablauf einer öffentlichen Ausschreibung im hessischen Unterschwellenbereich. Es zeigt, wie die Vorgaben der VOB/A in der Praxis umgesetzt werden und welche Herausforderungen dabei auftreten können. Trotz des höheren Verwaltungsaufwands bietet die öffentliche Ausschreibung den Vorteil eines breiten Wettbewerbs und einer hohen Transparenz, was letztlich zu wirtschaftlichen Ergebnissen und einer rechtssicheren Vergabe führt.
Beschränkte Ausschreibung
Die beschränkte Ausschreibung stellt im hessischen Unterschwellenbereich eine wichtige Alternative zur öffentlichen Ausschreibung dar. Sie ermöglicht es den Vergabestellen, den Bieterkreis einzuschränken und dadurch den Vergabeprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen. Gleichzeitig bleibt ein gewisses Maß an Wettbewerb gewahrt, da mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
Mit und ohne Teilnahmewettbewerb
Die beschränkte Ausschreibung kann in zwei Varianten durchgeführt werden: mit Teilnahmewettbewerb und ohne Teilnahmewettbewerb. Diese Unterscheidung ist von zentraler Bedeutung, da sie sowohl die Zulässigkeitsvoraussetzungen als auch den Verfahrensablauf maßgeblich beeinflusst.
Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb:
Bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb wird zunächst öffentlich zur Teilnahme am Wettbewerb aufgefordert. Interessierte Unternehmen können Teilnahmeanträge einreichen, in denen sie ihre Eignung für den Auftrag nachweisen. Aus dem Kreis der geeigneten Bewerber wählt die Vergabestelle dann eine begrenzte Anzahl von Unternehmen aus, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
Diese Variante kombiniert Elemente der öffentlichen und der beschränkten Ausschreibung: Der Teilnahmewettbewerb ist öffentlich und steht allen interessierten Unternehmen offen, während die eigentliche Angebotsphase auf einen ausgewählten Bieterkreis beschränkt ist. Dadurch wird einerseits ein breiter Marktzugang gewährleistet, andererseits der Aufwand für die Angebotsprüfung reduziert.
In Hessen ist die beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb nach § 12 HVTG für Bauleistungen bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro je Fachlos zulässig. Für Liefer- und Dienstleistungen gilt eine Wertgrenze von ebenfalls 100.000 Euro.
Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb:
Bei der beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb fordert die Vergabestelle direkt eine begrenzte Anzahl von Unternehmen zur Angebotsabgabe auf, ohne zuvor einen öffentlichen Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Die Auswahl der Unternehmen erfolgt auf Basis der Kenntnis des Marktes und der Erfahrungen der Vergabestelle.
Diese Variante stellt die stärkste Einschränkung des Wettbewerbs dar, da nur die ausgewählten Unternehmen von der Ausschreibung erfahren und ein Angebot abgeben können. Sie bietet jedoch den Vorteil eines deutlich reduzierten Verwaltungsaufwands und einer kürzeren Verfahrensdauer.
In Hessen ist die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb nach § 12 HVTG für Bauleistungen bis zu einem Auftragswert von 250.000 Euro zulässig, für Wohnungsbaumaßnahmen sogar bis zu 1.000.000 Euro. Für Liefer- und Dienstleistungen ist diese Vergabeart im HVTG nicht explizit vorgesehen, kann aber unter den Voraussetzungen der UVgO durchgeführt werden.
Wertgrenzen und Anwendungsfälle
Die Zulässigkeit der beschränkten Ausschreibung in Hessen wird primär durch die in § 12 HVTG festgelegten Wertgrenzen bestimmt. Diese Wertgrenzen wurden mit der Novellierung des HVTG im Jahr 2021 angehoben, um den Vergabeprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Wertgrenzen für Bauleistungen:
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Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb: bis 100.000 Euro je Fachlos
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Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb: bis 250.000 Euro (für Wohnungsbaumaßnahmen bis 1.000.000 Euro)
Wertgrenzen für Liefer- und Dienstleistungen:
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Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb: bis 100.000 Euro
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Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb: nicht explizit im HVTG geregelt, richtet sich nach den Voraussetzungen der UVgO
Neben den Wertgrenzen können auch besondere Umstände die Wahl einer beschränkten Ausschreibung rechtfertigen. Nach § 3a Abs. 2 VOB/A bzw. § 8 Abs. 3 UVgO ist eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb unter anderem in folgenden Fällen zulässig:
1. Wenn eine öffentliche Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis erbracht hat 2. Wenn die öffentliche Ausschreibung aus anderen Gründen unzweckmäßig ist, etwa wegen der Eigenart der Leistung, der Dringlichkeit oder besonderer Geheimhaltungserfordernisse 3. Wenn der Aufwand für eine öffentliche Ausschreibung in keinem angemessenen Verhältnis zum erreichbaren Vorteil steht 4. Wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann
Diese Ausnahmetatbestände ermöglichen es den Vergabestellen, auch oberhalb der Wertgrenzen eine beschränkte Ausschreibung durchzuführen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. In der Praxis werden diese Ausnahmen jedoch restriktiv ausgelegt, um den Grundsatz des Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung nicht auszuhöhlen.
Typische Anwendungsfälle für die beschränkte Ausschreibung in Hessen sind:
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Kleinere bis mittlere Bauvorhaben, etwa Sanierungsarbeiten an öffentlichen Gebäuden oder der Bau von Kinderspielplätzen
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Spezialisierte Bauleistungen, für die nur eine begrenzte Anzahl qualifizierter Anbieter existiert
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Dringende Reparatur- oder Instandsetzungsarbeiten, bei denen eine öffentliche Ausschreibung zu zeitaufwändig wäre
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Beschaffung von Spezialfahrzeugen oder -geräten für kommunale Betriebe
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IT-Dienstleistungen oder Beratungsleistungen, die besondere Fachkenntnisse erfordern
Bieterauswahl und Transparenzanforderungen
Die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Unternehmen ist ein kritischer Punkt bei der beschränkten Ausschreibung. Sie muss nach objektiven Kriterien erfolgen und darf nicht zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Unternehmen führen.
Grundsätze der Bieterauswahl:
1. Wettbewerbsprinzip: Es müssen ausreichend viele Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten. Nach § 3b Abs. 1 VOB/A sollen mindestens drei bis fünf geeignete Unternehmen aufgefordert werden, bei der UVgO sind es mindestens drei.
2. Rotationsprinzip: Um eine einseitige Bevorzugung bestimmter Unternehmen zu vermeiden, sollte ein Rotationsprinzip angewendet werden. Das bedeutet, dass bei aufeinanderfolgenden beschränkten Ausschreibungen für ähnliche Leistungen nicht immer dieselben Unternehmen angefragt werden sollten.
3. Eignungsprinzip: Die ausgewählten Unternehmen müssen für den Auftrag geeignet sein, also über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfügen.
4. Regionalprinzip: Zur Förderung der regionalen Wirtschaft können bevorzugt Unternehmen aus der Region berücksichtigt werden, sofern dadurch kein Unternehmen ungerechtfertigt bevorzugt wird und ausreichend Wettbewerb gewährleistet ist.
Die Auswahl der Bieter muss dokumentiert werden, um die Einhaltung dieser Grundsätze nachweisen zu können. Dies ist besonders wichtig, um Vorwürfen der Manipulation oder Bevorzugung entgegentreten zu können.
Transparenzanforderungen:
Obwohl die beschränkte Ausschreibung naturgemäß weniger transparent ist als die öffentliche Ausschreibung, bestehen dennoch gewisse Transparenzanforderungen, die zu beachten sind:
1. Dokumentation der Auswahlentscheidung: Die Gründe für die Wahl der beschränkten Ausschreibung und die Kriterien für die Auswahl der Bieter müssen im Vergabevermerk dokumentiert werden.
2. Gleichbehandlung der ausgewählten Bieter: Alle ausgewählten Bieter müssen die gleichen Informationen erhalten und die gleichen Fristen einhalten können.
3. Bekanntmachung der Auftragsvergabe: Nach Abschluss des Verfahrens kann eine freiwillige Bekanntmachung der Auftragsvergabe erfolgen, um die Transparenz zu erhöhen. Dies ist jedoch im Unterschwellenbereich nicht verpflichtend.
4. Teilnahmewettbewerb: Bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb muss die Aufforderung zur Teilnahme öffentlich bekannt gemacht werden, etwa über die Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD).
Die Einhaltung dieser Transparenzanforderungen ist wichtig, um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu gewährleisten und das Vertrauen in die öffentliche Auftragsvergabe zu stärken.
Praxisbeispiel: Beschränkte Ausschreibung eines Schulgebäudes
Um die praktische Anwendung der beschränkten Ausschreibung zu veranschaulichen, betrachten wir das Beispiel eines hessischen Landkreises, der die Sanierung einer Schulsporthalle plant. Der geschätzte Auftragswert für die Bauleistungen beträgt 220.000 Euro und liegt damit unter der hessischen Wertgrenze von 250.000 Euro für die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb.
Vorbereitung: Der Landkreis beauftragt sein Hochbauamt mit der Planung und Durchführung der Sanierung. Nach Erstellung der Leistungsverzeichnisse und Pläne entscheidet sich der Landkreis für eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb, da der Auftragswert unter der maßgeblichen Wertgrenze liegt und die Sanierung während der Sommerferien abgeschlossen werden muss, was einen zügigen Vergabeprozess erfordert.
Bieterauswahl: Das Hochbauamt erstellt eine Liste potenzieller Bieter auf Basis früherer Erfahrungen und Marktrecherchen. Es werden fünf Bauunternehmen aus der Region ausgewählt, die über Erfahrung mit vergleichbaren Sanierungsprojekten verfügen und in der Vergangenheit zuverlässige Arbeit geleistet haben. Um das Rotationsprinzip zu wahren, werden zwei Unternehmen berücksichtigt, die bei früheren beschränkten Ausschreibungen nicht zum Zuge kamen. Die Auswahlentscheidung wird im Vergabevermerk dokumentiert.
Aufforderung zur Angebotsabgabe: Die ausgewählten Unternehmen werden schriftlich zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Aufforderung enthält alle wesentlichen Informationen zum Auftrag, darunter Beschreibung der Leistung, Ausführungsort und -zeit, Eignungskriterien, Zuschlagskriterien (80% Preis, 20% Ausführungskonzept/Terminplan) und Frist für die Angebotsabgabe (14 Kalendertage). Die vollständigen Vergabeunterlagen werden den Unternehmen über eine elektronische Vergabeplattform zur Verfügung gestellt.
Bieterfragen: Während der Angebotsfrist gehen zwei Bieterfragen ein, die sich auf technische Details der Sanierung und die Baustellenlogistik beziehen. Das Hochbauamt beantwortet diese Fragen innerhalb von zwei Arbeitstagen und stellt die Antworten allen eingeladenen Bietern über die Vergabeplattform zur Verfügung, um Gleichbehandlung zu gewährleisten.
Angebotsabgabe: Bis zum Schlusstermin gehen vier Angebote ein; ein Unternehmen verzichtet auf die Abgabe eines Angebots wegen Auslastung. Die Angebote werden elektronisch über die Vergabeplattform eingereicht und sind bis zur Eröffnung verschlüsselt.
Angebotseröffnung: Nach Ablauf der Angebotsfrist findet der Eröffnungstermin statt, zu dem die Bieter eingeladen sind. Die Angebote werden geöffnet und die wesentlichen Informationen (Bieter, Angebotssumme, Erklärungen) werden in einem Eröffnungsprotokoll festgehalten, das den anwesenden Bietern zur Verfügung gestellt wird.
Prüfung und Wertung: Die Angebote werden zunächst auf formale Vollständigkeit und Einhaltung der Vorgaben geprüft. Alle Angebote erfüllen die formalen Anforderungen. Anschließend erfolgt die Eignungsprüfung anhand der geforderten Nachweise (Handelsregisterauszug, Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Referenzen). Auch hier bestehen keine Beanstandungen. Die Angebote werden auf Angemessenheit der Preise geprüft, wobei alle Angebote im erwarteten Preisrahmen liegen. Schließlich erfolgt die Wertung anhand der Zuschlagskriterien, wobei neben dem Preis auch das Ausführungskonzept und der vorgeschlagene Terminplan berücksichtigt werden.
Zuschlagserteilung: Nach Abschluss der Wertung erteilt der Landkreis den Zuschlag an das Unternehmen mit dem wirtschaftlichsten Angebot. Dieses hat zwar nicht den niedrigsten Preis geboten, überzeugt aber durch ein durchdachtes Ausführungskonzept und einen realistischen Terminplan, der die Fertigstellung vor Schulbeginn garantiert. Die unterlegenen Bieter werden informiert, haben im Unterschwellenbereich jedoch keinen Anspruch auf eine Stillhaltefrist. Der Auftrag wird durch Versand des Auftragsschreibens erteilt, und die Sanierungsarbeiten können beginnen.
Dieses Praxisbeispiel verdeutlicht den typischen Ablauf einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb im hessischen Unterschwellenbereich. Es zeigt, wie die Vorgaben der VOB/A und des HVTG in der Praxis umgesetzt werden und welche Vorteile die beschränkte Ausschreibung bieten kann: ein vereinfachtes Verfahren, eine kürzere Verfahrensdauer und dennoch ein ausreichender Wettbewerb, um wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen.
Verhandlungsvergabe (früher: Freihändige Vergabe)
Die Verhandlungsvergabe, die früher als freihändige Vergabe bezeichnet wurde, stellt die flexibelste Form der Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich dar. Sie ermöglicht es den Vergabestellen, direkt mit potenziellen Auftragnehmern in Verhandlungen zu treten und die Konditionen des Auftrags individuell auszuhandeln. In Hessen hat diese Vergabeart durch die Anhebung der Wertgrenzen im HVTG an Bedeutung gewonnen und bietet insbesondere für kleinere Aufträge eine praktikable Alternative zu den förmlicheren Verfahren.
Anwendungsbereich und Wertgrenzen
Die Verhandlungsvergabe ist in Hessen durch § 12 HVTG geregelt und kann unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden. Der primäre Anwendungsbereich wird durch die festgelegten Wertgrenzen bestimmt, die mit der Novellierung des HVTG im Jahr 2021 angehoben wurden.
Wertgrenzen für Bauleistungen:
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Verhandlungsvergabe: bis 100.000 Euro je Fachlos
Wertgrenzen für Liefer- und Dienstleistungen:
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Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb: bis 50.000 Euro
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Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb: bis 100.000 Euro
Diese Wertgrenzen bieten den Vergabestellen in Hessen einen erheblichen Spielraum für die Anwendung der Verhandlungsvergabe. Insbesondere bei Bauleistungen wurde die Wertgrenze deutlich angehoben, um den Vergabeprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Neben den Wertgrenzen können auch besondere Umstände die Wahl einer Verhandlungsvergabe rechtfertigen. Nach § 3a Abs. 3 VOB/A bzw. § 8 Abs. 4 UVgO ist eine Verhandlungsvergabe unter anderem in folgenden Fällen zulässig:
1. Wenn eine öffentliche oder beschränkte Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis erbracht hat 2. Wenn die Leistung besonders dringlich ist, etwa bei Gefahr im Verzug 3. Wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann 4. Wenn die Leistung besonders komplex oder innovativ ist und daher Verhandlungen erforderlich macht 5. Wenn aus besonderen Gründen nur ein bestimmtes Unternehmen in Betracht kommt, etwa wegen besonderer Erfahrungen, Zuverlässigkeit oder Eignung
Diese Ausnahmetatbestände ermöglichen es den Vergabestellen, auch oberhalb der Wertgrenzen eine Verhandlungsvergabe durchzuführen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. In der Praxis werden diese Ausnahmen jedoch restriktiv ausgelegt, um den Grundsatz des Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung nicht auszuhöhlen.
Verfahrensgestaltung und Verhandlungsspielräume
Die Verhandlungsvergabe zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität in der Verfahrensgestaltung aus. Anders als bei der öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung gibt es keine starren Formvorschriften, und die Vergabestelle kann das Verfahren weitgehend frei gestalten. Dennoch sind auch bei der Verhandlungsvergabe die Grundprinzipien des Vergaberechts zu beachten: Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit.
Typischer Ablauf einer Verhandlungsvergabe:
1. Marktrecherche: Die Vergabestelle verschafft sich einen Überblick über den relevanten Markt und identifiziert potenzielle Auftragnehmer.
2. Auswahl der Unternehmen: Es werden mehrere geeignete Unternehmen ausgewählt, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen. Nach § 3b Abs. 3 VOB/A bzw. § 12 Abs. 2 UVgO sollen grundsätzlich mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, um einen Wettbewerb zu gewährleisten. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn nur ein Unternehmen in Betracht kommt, kann auf einen Wettbewerb verzichtet werden.
3. Aufforderung zur Angebotsabgabe: Die ausgewählten Unternehmen werden zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Aufforderung sollte alle wesentlichen Informationen zum Auftrag enthalten, darunter Beschreibung der Leistung, Ausführungsort und -zeit, Eignungskriterien und Zuschlagskriterien.
4. Angebotsabgabe: Die Unternehmen reichen ihre Angebote ein. Anders als bei der öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung können die Angebote auch mündlich oder telefonisch abgegeben werden, sollten aber aus Gründen der Nachvollziehbarkeit schriftlich oder elektronisch dokumentiert werden.
5. Verhandlungen: Nach Eingang der Angebote führt die Vergabestelle Verhandlungen mit den Bietern. Diese Verhandlungen können sich auf alle Aspekte des Auftrags beziehen, darunter Preis, technische Ausführung, Lieferzeit und Vertragsbedingungen. Die Verhandlungen können in mehreren Runden stattfinden, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wird.
6. Zuschlagserteilung: Nach Abschluss der Verhandlungen wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, also das Angebot, das die Zuschlagskriterien am besten erfüllt. Die unterlegenen Bieter werden informiert.
Die Verhandlungsspielräume bei der Verhandlungsvergabe sind weitreichend und erstrecken sich auf alle Aspekte des Auftrags. Besonders relevant sind folgende Bereiche:
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Preis und Zahlungsbedingungen: Die Vergabestelle kann über den Preis, Rabatte, Skonti und Zahlungsbedingungen verhandeln.
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Technische Ausführung: Die genaue technische Ausführung der Leistung kann Gegenstand der Verhandlungen sein, etwa alternative Materialien, Bauweisen oder Funktionalitäten.
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Zeitliche Aspekte: Lieferzeiten, Ausführungsfristen und Terminpläne können verhandelt werden.
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Vertragsbedingungen: Auch die Vertragsbedingungen können Gegenstand der Verhandlungen sein, etwa Gewährleistungsfristen, Vertragsstrafen oder Haftungsregelungen.
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Nebenangebote und Alternativen: Die Vergabestelle kann mit den Bietern über Nebenangebote oder alternative Lösungsansätze verhandeln.
Diese Flexibilität macht die Verhandlungsvergabe besonders geeignet für komplexe oder innovative Leistungen, bei denen die genaue Ausgestaltung erst im Dialog mit den Bietern entwickelt werden kann.
Dokumentationspflichten
Trotz der hohen Flexibilität der Verhandlungsvergabe bestehen auch hier Dokumentationspflichten, die zu beachten sind. Eine sorgfältige Dokumentation ist wichtig, um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nachweisen zu können und um Vorwürfen der Manipulation oder Bevorzugung entgegenzutreten.
Die wesentlichen Dokumentationspflichten umfassen:
1. Begründung der Verfahrenswahl: Die Gründe für die Wahl der Verhandlungsvergabe müssen dokumentiert werden. Liegt der Auftragswert innerhalb der Wertgrenzen des § 12 HVTG, genügt ein Verweis auf diese Vorschrift. Wird die Verhandlungsvergabe auf einen der Ausnahmetatbestände des § 3a Abs. 3 VOB/A bzw. § 8 Abs. 4 UVgO gestützt, muss dies ausführlich begründet werden.
2. Auswahl der Unternehmen: Die Kriterien für die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen müssen dokumentiert werden. Dies umfasst Angaben zur Eignung der Unternehmen und zur Gewährleistung eines ausreichenden Wettbewerbs.
3. Verhandlungsverlauf: Der Verlauf der Verhandlungen sollte dokumentiert werden, insbesondere die wesentlichen Verhandlungspunkte, die erzielten Vereinbarungen und die Gründe für Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Angebot.
4. Zuschlagsentscheidung: Die Gründe für die Zuschlagsentscheidung müssen dokumentiert werden. Dies umfasst die Anwendung der Zuschlagskriterien und die Begründung, warum das ausgewählte Angebot als das wirtschaftlichste angesehen wird.
5. Gesamtdokumentation: Alle wesentlichen Entscheidungen und Verfahrensschritte sollten in einem Vergabevermerk zusammengefasst werden, der die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verfahrens nachvollziehbar macht.
Die Dokumentation sollte so gestaltet sein, dass auch ein außenstehender Dritter den Verfahrensablauf und die getroffenen Entscheidungen nachvollziehen kann. Dies ist besonders wichtig, um bei späteren Nachfragen oder Rügen die Rechtmäßigkeit des Verfahrens belegen zu können.
In der Praxis empfiehlt es sich, standardisierte Dokumentationsvorlagen zu verwenden, die alle relevanten Aspekte abdecken und eine einheitliche Dokumentation gewährleisten. Viele Vergabestellen in Hessen nutzen solche Vorlagen, die oft auf den Mustern des Vergabeerlasses basieren.
Praxisbeispiel: Verhandlungsvergabe bei dringenden Sanierungsarbeiten
Um die praktische Anwendung der Verhandlungsvergabe zu veranschaulichen, betrachten wir das Beispiel einer mittelgroßen hessischen Kommune, die dringende Sanierungsarbeiten an einer Brücke durchführen muss. Nach einem Unwetter wurden Schäden an der Brückenstruktur festgestellt, die eine zeitnahe Reparatur erfordern, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Der geschätzte Auftragswert für die Sanierungsarbeiten beträgt 85.000 Euro und liegt damit unter der hessischen Wertgrenze von 100.000 Euro für die Verhandlungsvergabe bei Bauleistungen.
Vorbereitung: Das Tiefbauamt der Kommune erstellt eine grobe Leistungsbeschreibung für die erforderlichen Sanierungsarbeiten. Aufgrund der Dringlichkeit und der Tatsache, dass der genaue Umfang der Arbeiten erst nach Beginn der Sanierung festgestellt werden kann, entscheidet sich die Kommune für eine Verhandlungsvergabe. Diese Entscheidung wird im Vergabevermerk dokumentiert, wobei sowohl auf die Wertgrenze des § 12 HVTG als auch auf die besondere Dringlichkeit nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 VOB/A verwiesen wird.
Auswahl der Unternehmen: Das Tiefbauamt identifiziert vier Bauunternehmen aus der Region, die über Erfahrung mit Brückensanierungen verfügen und kurzfristig einsatzbereit sind. Die Auswahl basiert auf früheren Erfahrungen mit diesen Unternehmen und ihrer bekannten Expertise im Bereich Brückenbau. Die Auswahlentscheidung wird im Vergabevermerk dokumentiert.
Aufforderung zur Angebotsabgabe: Die ausgewählten Unternehmen werden telefonisch kontaktiert und über die dringende Sanierungsmaßnahme informiert. Anschließend erhalten sie per E-Mail eine schriftliche Aufforderung zur Angebotsabgabe, die eine Beschreibung der Leistung, Fotos der Schadstellen, einen vorläufigen Leistungskatalog und die Bitte um einen Besichtigungstermin enthält. Aufgrund der Dringlichkeit wird eine verkürzte Angebotsfrist von fünf Arbeitstagen gesetzt.
Ortsbesichtigung: Alle vier Unternehmen nehmen an einer gemeinsamen Ortsbesichtigung teil, bei der sie die Schadstellen in Augenschein nehmen und Fragen zur Ausführung stellen können. Das Tiefbauamt erläutert die Dringlichkeit der Maßnahme und die besonderen Anforderungen an die Ausführung. Die Ergebnisse der Ortsbesichtigung werden protokolliert und allen Bietern zur Verfügung gestellt.
Angebotsabgabe: Bis zum Schlusstermin gehen drei Angebote ein; ein Unternehmen verzichtet auf die Abgabe eines Angebots wegen Kapazitätsengpässen. Die Angebote werden per E-Mail eingereicht und enthalten neben dem Preis auch Angaben zur vorgesehenen Ausführungszeit, zum Personaleinsatz und zu den geplanten Materialien.
Verhandlungen: Nach Eingang der Angebote führt das Tiefbauamt Verhandlungsgespräche mit allen drei Bietern. In diesen Gesprächen werden folgende Aspekte verhandelt:
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Preis und mögliche Einsparpotenziale
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Genaue technische Ausführung der Sanierung
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Zeitplan und Dauer der Arbeiten
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Verkehrsführung während der Bauarbeiten
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Gewährleistung und Nachbesserungspflichten
Die Verhandlungen führen zu Anpassungen der ursprünglichen Angebote, insbesondere hinsichtlich der technischen Ausführung und des Zeitplans. Ein Bieter bietet an, die Arbeiten besonders schnell durchzuführen, verlangt dafür jedoch einen höheren Preis. Ein anderer Bieter schlägt eine alternative Sanierungsmethode vor, die kostengünstiger ist, aber eine längere Ausführungszeit erfordert. Der Verlauf der Verhandlungen wird protokolliert.
Zuschlagserteilung: Nach Abschluss der Verhandlungen wertet das Tiefbauamt die finalen Angebote anhand der Zuschlagskriterien (60% Preis, 30% Ausführungszeit, 10% technisches Konzept) aus. Den Zuschlag erhält das Unternehmen, das zwar nicht den niedrigsten Preis geboten hat, aber durch eine besonders kurze Ausführungszeit und ein überzeugendes technisches Konzept punkten konnte. Die Zuschlagsentscheidung wird im Vergabevermerk ausführlich begründet. Die unterlegenen Bieter werden informiert, und der Auftrag wird durch Versand des Auftragsschreibens erteilt. Die Sanierungsarbeiten können bereits in der folgenden Woche beginnen.
Dieses Praxisbeispiel verdeutlicht die Vorteile der Verhandlungsvergabe: Sie ermöglicht ein schnelles und flexibles Vorgehen, erlaubt die Berücksichtigung alternativer Lösungsansätze und führt trotz des vereinfachten Verfahrens zu einem wirtschaftlichen Ergebnis. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation ist, um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nachweisen zu können.
Direktauftrag
Der Direktauftrag stellt die einfachste und am wenigsten formalisierte Form der öffentlichen Auftragsvergabe dar. Er ermöglicht es den Vergabestellen, Aufträge ohne förmliches Vergabeverfahren direkt an ein Unternehmen zu vergeben. In Hessen hat der Direktauftrag durch die Festlegung einer einheitlichen Wertgrenze von 10.000 Euro im HVTG an Bedeutung gewonnen und bietet insbesondere für kleinere Beschaffungen eine praktikable und unbürokratische Lösung.
Wertgrenze von 10.000 Euro
Die Zulässigkeit des Direktauftrags in Hessen wird primär durch die in § 12 HVTG festgelegte Wertgrenze bestimmt. Diese Wertgrenze wurde mit der Novellierung des HVTG im Jahr 2021 einheitlich auf 10.000 Euro festgelegt, sowohl für Bauleistungen als auch für Liefer- und Dienstleistungen.
Diese einheitliche Wertgrenze stellt eine Vereinfachung gegenüber früheren Regelungen dar, die unterschiedliche Wertgrenzen für verschiedene Leistungsarten vorsahen. Sie bietet den Vergabestellen in Hessen einen klaren Orientierungsrahmen und ermöglicht es, kleinere Beschaffungen ohne aufwändige Vergabeverfahren durchzuführen.
Die Wertgrenze von 10.000 Euro bezieht sich auf den geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer. Bei der Schätzung des Auftragswerts sind die allgemeinen Grundsätze der Auftragswertberechnung zu beachten, insbesondere das Verbot der künstlichen Aufteilung (Splitting). Werden gleichartige Leistungen beschafft, ist grundsätzlich der Gesamtwert aller Leistungen maßgeblich.
In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob regelmäßig wiederkehrende Beschaffungen zusammengerechnet werden müssen oder ob sie als separate Aufträge betrachtet werden können. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die zeitliche und sachliche Zusammengehörigkeit der Leistungen. Als Faustregel gilt, dass Leistungen, die innerhalb eines Haushaltsjahres beschafft werden und demselben Zweck dienen, zusammengerechnet werden sollten.
Die Wertgrenze von 10.000 Euro gilt für alle öffentlichen Auftraggeber in Hessen, also für Landesbehörden, Kommunen und andere öffentliche Einrichtungen. Sie schafft damit einen einheitlichen Rahmen für die Direktvergabe im gesamten Bundesland.
Mindestanforderungen und Dokumentation
Auch wenn der Direktauftrag ein vereinfachtes Verfahren darstellt, bestehen dennoch gewisse Mindestanforderungen, die zu beachten sind. Diese dienen dazu, die Grundprinzipien des Vergaberechts – Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit – auch bei kleineren Beschaffungen zu wahren.
Mindestanforderungen:
1. Wirtschaftlichkeitsprüfung: Auch bei Direktaufträgen muss die Vergabestelle sicherstellen, dass die Beschaffung wirtschaftlich erfolgt. Dies erfordert in der Regel einen gewissen Marktüberblick, der durch Preisvergleiche, Internetrecherchen oder Erfahrungswerte gewonnen werden kann.
2. Wettbewerb: Obwohl kein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt werden muss, sollte die Vergabestelle nach Möglichkeit mehrere Angebote einholen oder zumindest Preisvergleiche anstellen. Der Gemeinsame Vergabeerlass empfiehlt, grundsätzlich mindestens drei Angebote einzuholen, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist.
3. Gleichbehandlung: Die Vergabestelle sollte darauf achten, dass nicht immer dieselben Unternehmen berücksichtigt werden. Ein Rotationsprinzip kann dazu beitragen, eine einseitige Bevorzugung bestimmter Unternehmen zu vermeiden.
4. Korruptionsprävention: Auch bei Direktaufträgen sind die Grundsätze der Korruptionsprävention zu beachten. Dies kann etwa durch das Vier-Augen-Prinzip bei der Auftragsvergabe oder durch regelmäßige Kontrollen der Vergabepraxis gewährleistet werden.
Dokumentation:
Die Dokumentation von Direktaufträgen kann deutlich schlanker ausfallen als bei förmlichen Vergabeverfahren. Dennoch sollten die wesentlichen Aspekte der Vergabeentscheidung dokumentiert werden, um die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Beschaffung nachweisen zu können.
Die Dokumentation sollte mindestens folgende Angaben enthalten:
1. Beschreibung des Auftragsgegenstands: Was soll beschafft werden?
2. Auftragswert: Wie hoch ist der geschätzte Auftragswert, und wie wurde er ermittelt?
3. Wirtschaftlichkeitsnachweis: Wie wurde sichergestellt, dass die Beschaffung wirtschaftlich erfolgt? Dies kann durch Preisvergleiche, Marktrecherchen oder Erfahrungswerte belegt werden.
4. Auswahlentscheidung: Warum wurde der Auftrag an das ausgewählte Unternehmen vergeben? Hier sollten die Gründe für die Auswahl dargelegt werden, etwa besondere Eignung, günstiger Preis oder Dringlichkeit.
5. Besondere Umstände: Gab es besondere Umstände, die die Vergabeentscheidung beeinflusst haben, etwa Dringlichkeit, besondere Anforderungen oder eingeschränkte Verfügbarkeit?
Die Dokumentation kann in Form eines kurzen Vermerks erfolgen, der zu den Beschaffungsunterlagen genommen wird. Viele Vergabestellen in Hessen nutzen standardisierte Formblätter für die Dokumentation von Direktaufträgen, die alle relevanten Aspekte abdecken und eine einheitliche Dokumentation gewährleisten.
In der Praxis ist es sinnvoll, die Dokumentationsanforderungen an die Bedeutung und Komplexität des Auftrags anzupassen. Bei sehr kleinen Beschaffungen (z.B. unter 1.000 Euro) kann eine minimale Dokumentation ausreichend sein, während bei Aufträgen nahe der Wertgrenze von 10.000 Euro eine ausführlichere Dokumentation empfehlenswert ist.
Praxisbeispiel: Direktauftrag bei dringenden Sanierungsarbeiten
Um die praktische Anwendung des Direktauftrags zu veranschaulichen, betrachten wir das Beispiel einer kleinen hessischen Gemeinde, die dringende Reparaturarbeiten an der Heizungsanlage des Rathauses durchführen muss. Nach einem Defekt ist die Heizung ausgefallen, und eine schnelle Reparatur ist erforderlich, um den Betrieb des Rathauses aufrechtzuerhalten. Der geschätzte Auftragswert für die Reparaturarbeiten beträgt 8.500 Euro und liegt damit unter der hessischen Wertgrenze von 10.000 Euro für den Direktauftrag.
Vorbereitung: Der Bauamtsleiter der Gemeinde stellt den Defekt fest und holt telefonisch eine erste Einschätzung des Schadens und der erforderlichen Reparaturarbeiten ein. Aufgrund der Dringlichkeit und der Tatsache, dass der Auftragswert unter 10.000 Euro liegt, entscheidet er sich für einen Direktauftrag.
Marktrecherche: Trotz der Dringlichkeit führt der Bauamtsleiter eine kurze Marktrecherche durch. Er kontaktiert telefonisch drei Heizungsbaufirmen aus der Region, die er aus früheren Aufträgen kennt und die über die erforderliche Expertise verfügen. Er schildert den Defekt und bittet um eine grobe Kostenschätzung und Angaben zur möglichen Ausführungszeit.
Angebotseinholung: Zwei der drei Firmen können kurzfristig ein Angebot abgeben und die Reparatur zeitnah durchführen. Die dritte Firma ist aufgrund anderer Aufträge ausgelastet und kann die Reparatur erst in zwei Wochen beginnen. Der Bauamtsleiter bittet die beiden verfügbaren Firmen um ein schriftliches Angebot, das sie per E-Mail übermitteln.
Angebotsprüfung: Die beiden eingegangenen Angebote werden verglichen. Firma A bietet die Reparatur für 8.200 Euro an und kann am nächsten Tag beginnen. Firma B bietet die Reparatur für 7.800 Euro an, kann aber erst in drei Tagen beginnen. Beide Angebote liegen im erwarteten Preisrahmen und erscheinen angemessen.
Vergabeentscheidung: Aufgrund der Dringlichkeit der Reparatur entscheidet sich der Bauamtsleiter für Firma A, obwohl deren Angebot etwas teurer ist. Die schnellere Verfügbarkeit wird als entscheidender Faktor angesehen, da ein längerer Ausfall der Heizung den Betrieb des Rathauses beeinträchtigen würde. Diese Entscheidung wird in einem kurzen Vergabevermerk dokumentiert, der die Dringlichkeit der Maßnahme, die eingeholten Angebote und die Gründe für die Auswahl von Firma A darlegt.
Auftragserteilung: Der Auftrag wird telefonisch an Firma A erteilt und anschließend per E-Mail bestätigt. Die Auftragsbestätigung enthält eine Beschreibung der zu erbringenden Leistungen, den vereinbarten Preis und den Ausführungstermin. Firma A bestätigt den Auftrag und beginnt am nächsten Tag mit den Reparaturarbeiten.
Dokumentation: Der gesamte Vorgang wird in einem kurzen Vergabevermerk dokumentiert, der zu den Beschaffungsunterlagen genommen wird. Der Vermerk enthält folgende Angaben:
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Beschreibung des Defekts und der erforderlichen Reparaturarbeiten
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Geschätzter Auftragswert und Begründung der Schätzung
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Angaben zu den kontaktierten Firmen und den eingeholten Angeboten
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Begründung der Vergabeentscheidung, insbesondere der Auswahl von Firma A trotz höherem Preis
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Hinweis auf die Dringlichkeit der Maßnahme
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Angaben zur Auftragserteilung und zum Ausführungstermin
Dieses Praxisbeispiel verdeutlicht die Vorteile des Direktauftrags: Er ermöglicht ein schnelles und unbürokratisches Vorgehen, das besonders bei dringenden Beschaffungen von Vorteil ist. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, wie auch bei einem vereinfachten Verfahren die Grundprinzipien des Vergaberechts gewahrt werden können, indem mehrere Angebote eingeholt und die Vergabeentscheidung nachvollziehbar dokumentiert wird.
Der Direktauftrag stellt somit ein wichtiges Instrument für die effiziente Beschaffung kleinerer Leistungen dar und trägt dazu bei, den Verwaltungsaufwand in angemessenem Verhältnis zum Auftragswert zu halten.
Der Vergabeprozess im Detail
Vorbereitung der Vergabe
Die sorgfältige Vorbereitung eines Vergabeverfahrens ist entscheidend für dessen Erfolg. Sie bildet das Fundament für eine rechtssichere und wirtschaftliche Beschaffung und kann spätere Probleme im Verfahrensablauf vermeiden. In Hessen gelten für die Vorbereitung von Unterschwellenvergaben spezifische Regelungen, die sich aus dem HVTG, der VOB/A bzw. UVgO und dem Gemeinsamen Vergabeerlass ergeben.
Bedarfsermittlung und Leistungsbeschreibung
Am Anfang jedes Vergabeverfahrens steht die Ermittlung des konkreten Beschaffungsbedarfs. Die Vergabestelle muss zunächst klären, welche Leistung in welchem Umfang benötigt wird und welche Anforderungen an die Leistung zu stellen sind. Diese Bedarfsermittlung ist keine rein formale Angelegenheit, sondern eine strategische Aufgabe, die maßgeblichen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens hat.
Grundsätze der Bedarfsermittlung:
1. Vollständigkeit: Der Bedarf sollte vollständig erfasst werden, um nachträgliche Änderungen zu vermeiden, die vergaberechtliche Probleme aufwerfen können.
2. Präzision: Je genauer der Bedarf beschrieben wird, desto besser können die Bieter ihre Angebote darauf ausrichten.
3. Zukunftsorientierung: Die Bedarfsermittlung sollte nicht nur den aktuellen, sondern auch den zukünftigen Bedarf berücksichtigen, etwa durch Einbeziehung von Optionen oder Vertragsverlängerungen.
4. Wirtschaftlichkeit: Bereits bei der Bedarfsermittlung sollten wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden, etwa durch Marktrecherchen oder Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
Auf Basis der Bedarfsermittlung erfolgt die Erstellung der Leistungsbeschreibung, die das Herzstück der Vergabeunterlagen bildet. Sie definiert den Auftragsgegenstand und legt fest, welche Anforderungen die zu beschaffende Leistung erfüllen muss. Nach § 7 VOB/A bzw. § 23 UVgO muss die Leistungsbeschreibung eindeutig und erschöpfend sein, um allen Bietern die gleiche Chance zu geben und vergleichbare Angebote zu erhalten.
Die Leistungsbeschreibung kann auf zwei Arten erfolgen:
1. Konstruktive Leistungsbeschreibung: Hier werden die technischen Anforderungen, Materialien und Ausführungsdetails genau vorgegeben. Diese Form ist besonders bei Standardleistungen üblich, bei denen die Vergabestelle genau weiß, was sie benötigt.
2. Funktionale Leistungsbeschreibung: Hier werden nur das Ziel und die Funktion der Leistung vorgegeben, während die konkrete Ausführung den Bietern überlassen bleibt. Diese Form fördert innovative Lösungen und ist besonders bei komplexen Leistungen sinnvoll.
In der Praxis werden oft Mischformen verwendet, bei denen bestimmte Aspekte konstruktiv und andere funktional beschrieben werden.
Bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung sind folgende Grundsätze zu beachten:
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Produktneutralität: Die Leistungsbeschreibung darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte oder Hersteller verweisen, es sei denn, dies ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt und es wird der Zusatz „oder gleichwertig“ verwendet.
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Diskriminierungsfreiheit: Die Anforderungen dürfen keine Bieter ungerechtfertigt bevorzugen oder benachteiligen.
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Verhältnismäßigkeit: Die Anforderungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen.
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Transparenz: Die Anforderungen müssen klar und verständlich formuliert sein, um Missverständnisse zu vermeiden.
In Hessen stehen den Vergabestellen verschiedene Hilfsmittel für die Erstellung von Leistungsbeschreibungen zur Verfügung, etwa Musterleistungsverzeichnisse der HAD oder branchenspezifische Standardleistungsbücher. Diese können als Grundlage dienen, müssen aber stets an den konkreten Bedarf angepasst werden.
Wahl der Vergabeart
Nach der Bedarfsermittlung und Erstellung der Leistungsbeschreibung muss die Vergabestelle die passende Vergabeart wählen. Diese Entscheidung wird maßgeblich durch den geschätzten Auftragswert und die in § 12 HVTG festgelegten Wertgrenzen bestimmt.
Schätzung des Auftragswertes:
Die korrekte Schätzung des Auftragswertes ist von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur die Wahl der Vergabeart, sondern auch die Abgrenzung zwischen Ober- und Unterschwellenbereich bestimmt. Der Auftragswert ist ohne Umsatzsteuer zu schätzen und umfasst den voraussichtlichen Gesamtwert der zu beschaffenden Leistung einschließlich aller Optionen und Vertragsverlängerungen.
Bei der Schätzung sind folgende Grundsätze zu beachten:
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Einheitliche Beschaffung: Werden gleichartige Leistungen beschafft, ist der Gesamtwert aller Leistungen maßgeblich.
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Zeitliche Dimension: Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen ist entweder der tatsächliche Gesamtwert entsprechender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr oder der geschätzte Gesamtwert für die auf die erste Leistung folgenden 12 Monate maßgeblich.
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Rahmenvereinbarungen: Bei Rahmenvereinbarungen ist der geschätzte Höchstwert aller für die gesamte Laufzeit geplanten Einzelaufträge maßgeblich.
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Lose: Wird ein Auftrag in mehreren Losen vergeben, ist der Gesamtwert aller Lose maßgeblich.
Die Schätzung sollte sorgfältig dokumentiert werden, um bei späteren Nachfragen oder Rügen die Rechtmäßigkeit der Verfahrenswahl belegen zu können.
Wahl der Vergabeart nach Wertgrenzen:
Auf Basis des geschätzten Auftragswertes kann die Vergabestelle die zulässige Vergabeart nach § 12 HVTG bestimmen:
Für Bauleistungen:
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Direktauftrag: bis 10.000 Euro
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Verhandlungsvergabe oder beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb: bis 100.000 Euro je Fachlos
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Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb: bis 250.000 Euro (für Wohnungsbaumaßnahmen bis 1.000.000 Euro)
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Öffentliche Ausschreibung: über 250.000 Euro bis zur EU-Schwelle
Für Liefer- und Dienstleistungen:
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Direktauftrag: bis 10.000 Euro
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Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb: bis 50.000 Euro
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Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb oder beschränkte Ausschreibung: bis 100.000 Euro
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Öffentliche Ausschreibung: über 100.000 Euro bis zur EU-Schwelle
Diese Wertgrenzen bieten den Vergabestellen in Hessen einen klaren Orientierungsrahmen für die Wahl der richtigen Vergabeart. Sie ermöglichen es, bei kleineren Aufträgen vereinfachte Verfahren anzuwenden, was den Verwaltungsaufwand reduziert und schnellere Entscheidungen ermöglicht.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Wertgrenzen nur die Obergrenze für die jeweilige Vergabeart darstellen. Die Vergabestellen sind nicht verpflichtet, die vereinfachten Verfahren auszuschöpfen, sondern können auch bei niedrigeren Auftragswerten ein förmlicheres Verfahren wählen, etwa eine öffentliche Ausschreibung statt einer beschränkten Ausschreibung.
Neben den Wertgrenzen können auch besondere Umstände die Wahl einer bestimmten Vergabeart rechtfertigen, etwa die Dringlichkeit der Beschaffung, die Besonderheit der Leistung oder das Fehlen eines ausreichenden Wettbewerbs. Diese Ausnahmetatbestände sind in § 3a VOB/A bzw. § 8 UVgO geregelt und müssen restriktiv ausgelegt werden.
Die Entscheidung für eine bestimmte Vergabeart sollte stets im Vergabevermerk dokumentiert werden, unter Angabe der maßgeblichen Wertgrenze oder des Ausnahmetatbestands.
Erstellung der Vergabeunterlagen
Nach der Wahl der Vergabeart erfolgt die Erstellung der vollständigen Vergabeunterlagen. Diese bilden die Grundlage für die Angebotsabgabe und müssen alle Informationen enthalten, die die Bieter für die Erstellung eines Angebots benötigen.
Die Vergabeunterlagen bestehen typischerweise aus folgenden Bestandteilen:
1. Anschreiben/Aufforderung zur Angebotsabgabe: Hier werden die formalen Rahmenbedingungen des Vergabeverfahrens festgelegt, etwa Frist und Ort der Angebotsabgabe, Bindefrist und Zuschlagskriterien.
2. Bewerbungsbedingungen: Sie enthalten Vorgaben zur Form und zum Inhalt der Angebote sowie Informationen zu den geforderten Eignungsnachweisen.
3. Leistungsbeschreibung: Sie definiert den Auftragsgegenstand und die technischen Anforderungen, wie oben beschrieben.
4. Vertragsbedingungen: Sie regeln die rechtlichen Aspekte der Leistungserbringung, etwa Zahlungsbedingungen, Gewährleistung, Haftung und Vertragsstrafen.
5. Formblätter: Standardisierte Formulare für die Angebotsabgabe, Preisblätter, Eigenerklärungen etc.
6. Weitere Anlagen: Je nach Auftragsgegenstand können weitere Unterlagen erforderlich sein, etwa Pläne, Gutachten oder Bestandsaufnahmen.
Bei der Erstellung der Vergabeunterlagen sind folgende Grundsätze zu beachten:
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Vollständigkeit: Die Unterlagen müssen alle Informationen enthalten, die für die Angebotserstellung relevant sind.
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Klarheit: Die Anforderungen müssen eindeutig und verständlich formuliert sein, um Missverständnisse zu vermeiden.
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Widerspruchsfreiheit: Die verschiedenen Teile der Vergabeunterlagen dürfen sich nicht widersprechen.
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Verhältnismäßigkeit: Die Anforderungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen.
In Hessen stehen den Vergabestellen verschiedene Hilfsmittel für die Erstellung von Vergabeunterlagen zur Verfügung, etwa Musterformulare der HAD oder Vorlagen des Gemeinsamen Vergabeerlasses. Diese können als Grundlage dienen, müssen aber stets an den konkreten Bedarf angepasst werden.
Besondere Aufmerksamkeit sollte den Eignungs- und Zuschlagskriterien gewidmet werden:
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Eignungskriterien: Sie dienen der Prüfung, ob ein Bieter zur ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags in der Lage ist. Sie beziehen sich auf die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters und müssen in den Vergabeunterlagen klar benannt werden.
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Zuschlagskriterien: Sie dienen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Neben dem Preis können auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Die Kriterien und ihre Gewichtung müssen in den Vergabeunterlagen transparent dargelegt werden.
Die Erstellung der Vergabeunterlagen erfordert ein hohes Maß an Sorgfalt und vergaberechtlichem Fachwissen. Fehler in den Vergabeunterlagen können zu Rügen, Nachprüfungsverfahren oder sogar zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen. Es empfiehlt sich daher, bei komplexen Beschaffungsvorhaben vergaberechtlichen Rat einzuholen.
Bekanntmachung und Angebotsphase
Nach der Vorbereitung des Vergabeverfahrens folgt die Bekanntmachung und die Angebotsphase. In dieser Phase werden potenzielle Bieter über die Ausschreibung informiert und zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Art und Weise der Bekanntmachung sowie die Gestaltung der Angebotsphase hängen maßgeblich von der gewählten Vergabeart ab.
Publikationsplattformen in Hessen (HAD)
Die Bekanntmachung von Vergabeverfahren dient dazu, einen möglichst breiten Bieterkreis zu erreichen und damit einen effektiven Wettbewerb zu gewährleisten. In Hessen stehen den Vergabestellen verschiedene Publikationsplattformen zur Verfügung, wobei die Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) die zentrale Rolle spielt.
Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD):
Die HAD (www.had.de) ist die offizielle Vergabeplattform des Landes Hessen. Sie dient der Veröffentlichung von Bekanntmachungen und der elektronischen Abwicklung von Vergabeverfahren. Nach dem Gemeinsamen Vergabeerlass sind alle hessischen Landesbehörden verpflichtet, ihre Ausschreibungen über die HAD bekannt zu machen. Für kommunale Auftraggeber wird die Nutzung der HAD empfohlen, ist aber nicht zwingend vorgeschrieben.
Die HAD bietet folgende Funktionen:
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Veröffentlichung von Bekanntmachungen für öffentliche und beschränkte Ausschreibungen sowie Teilnahmewettbewerbe
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Bereitstellung der Vergabeunterlagen zum Download
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Elektronische Angebotsabgabe
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Kommunikation mit Bietern (Bieterfragen und Antworten)
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Elektronische Angebotseröffnung und -wertung
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Dokumentation des Vergabeverfahrens
Die Nutzung der HAD bietet sowohl für Vergabestellen als auch für Bieter Vorteile: Sie gewährleistet eine breite Bekanntmachung, ermöglicht eine effiziente elektronische Abwicklung und sorgt für Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Vergabeverfahrens.
Weitere Publikationsplattformen:
Neben der HAD können hessische Vergabestellen auch andere Publikationsplattformen nutzen, etwa:
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Eigene Websites der Vergabestellen
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Amtliche Bekanntmachungsblätter (z.B. Staatsanzeiger für das Land Hessen)
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Tageszeitungen und Fachzeitschriften
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Bundesweite Vergabeplattformen (z.B. bund.de, evergabe-online.de)
Die Wahl der Publikationsplattform sollte sich nach der Art und dem Umfang des Auftrags sowie dem angestrebten Bieterkreis richten. Bei größeren Aufträgen oder bei Aufträgen, die für überregionale Bieter interessant sein könnten, empfiehlt sich eine breite Bekanntmachung über mehrere Plattformen.
Inhalt der Bekanntmachung:
Unabhängig von der gewählten Publikationsplattform muss die Bekanntmachung alle wesentlichen Informationen enthalten, die potenzielle Bieter für ihre Entscheidung über eine Teilnahme am Vergabeverfahren benötigen. Dazu gehören insbesondere:
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Bezeichnung und Anschrift der Vergabestelle
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Art der Vergabe (öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb etc.)
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Ort der Ausführung
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Art und Umfang der Leistung
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Ausführungs-/Lieferfrist
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Stelle für die Anforderung der Vergabeunterlagen
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Angebotsfrist
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Zuschlagskriterien (zumindest in Grundzügen)
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Eignungskriterien und geforderte Nachweise
Die Bekanntmachung sollte klar und präzise formuliert sein, um Missverständnisse zu vermeiden und den Bietern eine fundierte Entscheidung über ihre Teilnahme zu ermöglichen.
Fristen und ihre Berechnung
Die Festlegung angemessener Fristen ist ein wichtiger Aspekt der Vergabeplanung. Sie müssen einerseits den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben, andererseits aber auch den Beschaffungsbedarf der Vergabestelle berücksichtigen.
Angebotsfristen:
Im Unterschwellenbereich sind die Fristen flexibler als im Oberschwellenbereich. Nach § 10 VOB/A bzw. § 13 UVgO müssen die Fristen angemessen sein und den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben. Als Richtwert gilt für Bauleistungen eine Mindestfrist von 10 Kalendertagen, bei umfangreichen Leistungen entsprechend mehr.
Bei der Festlegung der Angebotsfrist sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:
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Komplexität der Leistung
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Umfang der erforderlichen Vorarbeiten für die Angebotserstellung (z.B. Ortsbesichtigungen, Kalkulation)
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Beschaffungsdringlichkeit
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Übliche Geschäftszeiten und Ferienzeiten
In der Praxis werden oft Fristen von 2-3 Wochen angesetzt, um einen ausreichenden Wettbewerb zu gewährleisten. Bei besonders dringlichen Beschaffungen können die Fristen verkürzt werden, sollten aber auch dann angemessen sein, um eine sorgfältige Angebotserstellung zu ermöglichen.
Berechnung der Fristen:
Die Berechnung der Fristen erfolgt nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Nach § 187 BGB beginnt eine Frist mit dem auf das auslösende Ereignis folgenden Tag. Nach § 188 BGB endet eine nach Tagen bemessene Frist mit Ablauf des letzten Tages der Frist.
Beispiel: Wird eine Bekanntmachung am 1. Juni veröffentlicht und beträgt die Angebotsfrist 14 Tage, so beginnt die Frist am 2. Juni und endet mit Ablauf des 15. Juni.
Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so verlängert sich die Frist bis zum nächsten Werktag (§ 193 BGB).
Bindefrist:
Neben der Angebotsfrist ist auch die Bindefrist von Bedeutung. Sie gibt an, wie lange die Bieter an ihre Angebote gebunden sind. Nach § 10 VOB/A bzw. § 13 UVgO soll die Bindefrist so kurz wie möglich und nicht länger als erforderlich bemessen werden.
In der Praxis werden oft Bindefristen von 30 Tagen angesetzt. Bei komplexen Vergabeverfahren oder wenn mit Rügen oder Nachprüfungsverfahren zu rechnen ist, können längere Bindefristen sinnvoll sein. Zu lange Bindefristen sollten jedoch vermieden werden, da sie die Bieter belasten und zu höheren Preisen führen können.
Die Bindefrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist und sollte in den Vergabeunterlagen klar angegeben werden.
Bieterfragen und Informationspflichten
Während der Angebotsphase können Bieter Fragen zu den Vergabeunterlagen stellen. Die Vergabestelle ist verpflichtet, diese Fragen zu beantworten und die Antworten allen Bietern zur Verfügung zu stellen, um Gleichbehandlung zu gewährleisten.
Bieterfragen:
Bieterfragen können sich auf verschiedene Aspekte der Vergabeunterlagen beziehen, etwa:
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Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung
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Widersprüche in den Vergabeunterlagen
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Fragen zu den geforderten Eignungsnachweisen
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Fragen zu den Zuschlagskriterien
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Technische Fragen zur Ausführung
Die Vergabestelle sollte in den Vergabeunterlagen angeben, bis wann und in welcher Form Bieterfragen gestellt werden können. In der Regel wird eine Frist festgelegt, die einige Tage vor Ablauf der Angebotsfrist endet, um der Vergabestelle Zeit für die Beantwortung zu geben und den Bietern die Möglichkeit, die Antworten in ihren Angeboten zu berücksichtigen.
Beantwortung von Bieterfragen:
Die Vergabestelle muss Bieterfragen zeitnah beantworten. Die Antworten müssen allen Bietern zur Verfügung gestellt werden, auch wenn die Frage nur von einem Bieter gestellt wurde. Dies dient der Gleichbehandlung aller Bieter und stellt sicher, dass alle über die gleichen Informationen verfügen.
Die Beantwortung kann auf verschiedene Weise erfolgen:
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Bei elektronischen Vergabeverfahren über die Vergabeplattform (z.B. HAD)
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Per E-Mail an alle Bieter
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Durch Veröffentlichung auf der Website der Vergabestelle
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Bei Papierverfahren per Post oder Fax
Die Antworten sollten klar und präzise formuliert sein und keine neuen Unklarheiten schaffen. Wenn die Beantwortung von Bieterfragen zu Änderungen der Vergabeunterlagen führt, müssen diese Änderungen allen Bietern mitgeteilt werden. Bei wesentlichen Änderungen kann eine Verlängerung der Angebotsfrist erforderlich sein, um den Bietern ausreichend Zeit für die Anpassung ihrer Angebote zu geben.
Informationspflichten:
Neben der Beantwortung von Bieterfragen hat die Vergabestelle weitere Informationspflichten während der Angebotsphase:
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Änderungen der Vergabeunterlagen: Wenn die Vergabestelle die Vergabeunterlagen ändert, muss sie alle Bieter darüber informieren und ihnen ausreichend Zeit für die Anpassung ihrer Angebote geben.
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Aufklärung von Unklarheiten: Wenn die Vergabestelle Unklarheiten in den Vergabeunterlagen feststellt, muss sie diese von sich aus aufklären und alle Bieter informieren.
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Verlängerung von Fristen: Wenn die Vergabestelle Fristen verlängert, muss sie alle Bieter darüber informieren.
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Aufhebung des Vergabeverfahrens: Wenn die Vergabestelle das Vergabeverfahren aufhebt, muss sie alle Bieter darüber informieren und die Gründe für die Aufhebung mitteilen.
Die Erfüllung dieser Informationspflichten ist wichtig, um die Transparenz des Vergabeverfahrens zu gewährleisten und Rügen oder Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.
Formvorschriften für Angebote
Die Angebote der Bieter müssen bestimmte Formvorschriften erfüllen, um im Vergabeverfahren berücksichtigt zu werden. Diese Formvorschriften dienen der Vergleichbarkeit der Angebote und der Vermeidung von Manipulationen.
Grundsätzliche Anforderungen:
Nach § 13 VOB/A bzw. § 38 UVgO müssen Angebote folgende grundsätzliche Anforderungen erfüllen:
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Sie müssen die geforderten Preise und Erklärungen enthalten.
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Sie müssen unterschrieben sein, sofern keine elektronische Angebotsabgabe vorgesehen ist.
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Sie müssen rechtzeitig eingehen.
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Sie müssen in der geforderten Form eingereicht werden.
Elektronische Angebotsabgabe:
In Hessen ist die elektronische Vergabe (E-Vergabe) auch im Unterschwellenbereich weit verbreitet. Bei elektronischen Vergabeverfahren erfolgt die Angebotsabgabe in der Regel über eine Vergabeplattform wie die HAD. Die Angebote müssen dabei mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, sofern die Vergabestelle dies fordert.
Die elektronische Angebotsabgabe bietet Vorteile für beide Seiten:
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Für Bieter: Einsparung von Druck- und Versandkosten, Vermeidung von Fristversäumnissen durch Postlaufzeiten
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Für Vergabestellen: Vereinfachung der Angebotseröffnung und -wertung, Reduzierung des Verwaltungsaufwands
Formale Anforderungen an Angebote:
Neben den grundsätzlichen Anforderungen müssen Angebote oft weitere formale Anforderungen erfüllen, die in den Vergabeunterlagen spezifiziert werden:
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Vollständigkeit: Das Angebot muss alle geforderten Unterlagen und Erklärungen enthalten, etwa ausgefüllte Preisblätter, Produktbeschreibungen, Eignungsnachweise etc.
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Form der Preisangaben: Die Preise müssen in der geforderten Form angegeben werden, etwa als Einheitspreise, Pauschalpreise oder Stundensätze. Alle Preisbestandteile müssen berücksichtigt werden.
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Nebenangebote: Wenn Nebenangebote zugelassen sind, müssen sie als solche gekennzeichnet sein und die Mindestanforderungen erfüllen, die in den Vergabeunterlagen festgelegt sind.
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Bietergemeinschaften: Bei Angeboten von Bietergemeinschaften müssen alle Mitglieder benannt werden und das Angebot von allen Mitgliedern unterschrieben sein.
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Nachunternehmer: Wenn der Einsatz von Nachunternehmern vorgesehen ist, müssen diese in der Regel im Angebot benannt werden.
Häufige Fehlerquellen:
In der Praxis treten bei der Angebotsabgabe häufig formale Fehler auf, die zum Ausschluss des Angebots führen können:
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Fehlende Unterschrift: Bei Papierangeboten ist die fehlende Unterschrift ein häufiger Ausschlussgrund. Bei elektronischen Angeboten kann die fehlende elektronische Signatur problematisch sein, wenn diese gefordert wurde.
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Unvollständige Preisangaben: Wenn nicht alle geforderten Preise angegeben sind oder Preisblätter unvollständig ausgefüllt sind, kann dies zum Ausschluss führen.
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Fehlende Unterlagen: Wenn wesentliche Unterlagen fehlen, etwa geforderte Eignungsnachweise oder Produktbeschreibungen, kann dies zum Ausschluss führen.
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Änderungen an den Vergabeunterlagen: Eigenmächtige Änderungen des Bieters an den Vergabeunterlagen sind unzulässig und führen in der Regel zum Ausschluss.
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Verspätete Angebotsabgabe: Angebote, die nach Ablauf der Angebotsfrist eingehen, sind grundsätzlich auszuschließen.
Um diese Fehler zu vermeiden, sollten Bieter die Vergabeunterlagen sorgfältig prüfen und alle formalen Anforderungen beachten. Vergabestellen sollten in den Vergabeunterlagen klar kommunizieren, welche formalen Anforderungen zu erfüllen sind und welche Folgen bei Nichterfüllung drohen.
Die Formvorschriften für Angebote sind ein wichtiger Aspekt des Vergaberechts, der sowohl von Bietern als auch von Vergabestellen besondere Aufmerksamkeit erfordert. Eine sorgfältige Beachtung dieser Vorschriften trägt zur Rechtssicherheit des Vergabeverfahrens bei und vermeidet unnötige Ausschlüsse oder Rügen.
Angebotseröffnung und -wertung
Nach Ablauf der Angebotsfrist beginnt die Phase der Angebotseröffnung und -wertung. In dieser Phase werden die eingegangenen Angebote geöffnet, geprüft und bewertet, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, auf das der Zuschlag erteilt werden soll.
Formelle Prüfung und Ausschlussgründe
Die Wertung der Angebote beginnt mit einer formellen Prüfung, bei der die Einhaltung der Formvorschriften und das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft wird. Diese Prüfung ist von großer Bedeutung, da formell fehlerhafte Angebote in der Regel vom weiteren Verfahren auszuschließen sind.
Formelle Prüfung:
Bei der formellen Prüfung wird untersucht, ob die Angebote die grundlegenden Formvorschriften erfüllen. Dazu gehört insbesondere die Prüfung, ob:
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das Angebot rechtzeitig eingegangen ist
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das Angebot vollständig ist und alle geforderten Unterlagen enthält
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das Angebot ordnungsgemäß unterschrieben ist (bei Papierangeboten) bzw. mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (bei elektronischen Angeboten, sofern gefordert)
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das Angebot in der geforderten Form eingereicht wurde
-
das Angebot keine unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen enthält
Ausschlussgründe:
Nach § 16 VOB/A bzw. § 42 UVgO sind Angebote von der Wertung auszuschließen, wenn:
1. sie nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind 2. sie nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten 3. sie nicht unterschrieben bzw. nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind (sofern gefordert) 4. sie Änderungen an den Vergabeunterlagen enthalten 5. sie nicht die geforderten Preisangaben enthalten 6. sie von Bietern stammen, die in Bezug auf die Vergabe eine unzulässige, wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben
Diese Ausschlussgründe sind zwingend, d.h. die Vergabestelle hat kein Ermessen, ob sie ein Angebot ausschließt, das einen dieser Gründe erfüllt. Der Ausschluss muss jedoch verhältnismäßig sein und darf nicht auf bloßen Formalismen beruhen.
Nachforderung von Unterlagen:
Um unnötige Angebotsausschlüsse zu vermeiden, sieht das Vergaberecht die Möglichkeit vor, fehlende Unterlagen nachzufordern. Nach § 16a VOB/A bzw. § 41 UVgO kann die Vergabestelle fehlende Unterlagen, Erklärungen oder Nachweise nachfordern, sofern es sich nicht um die Preisangaben handelt.
Die Nachforderung ist eine Kann-Bestimmung, d.h. die Vergabestelle hat ein Ermessen, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Sie muss jedoch alle Bieter gleich behandeln, d.h. wenn sie bei einem Bieter Unterlagen nachfordert, muss sie dies grundsätzlich auch bei anderen Bietern tun, die in der gleichen Situation sind.
Die Nachforderung muss eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer die fehlenden Unterlagen nachzureichen sind. In der Praxis werden oft Fristen von 3-5 Werktagen angesetzt.
Dokumentation der formellen Prüfung:
Die Ergebnisse der formellen Prüfung müssen im Vergabevermerk dokumentiert werden. Für jeden Ausschluss muss der konkrete Ausschlussgrund angegeben werden. Auch die Entscheidung, ob fehlende Unterlagen nachgefordert werden, sollte dokumentiert werden.
Die formelle Prüfung ist ein wichtiger Schritt im Vergabeverfahren, der mit großer Sorgfalt durchgeführt werden sollte. Fehler in dieser Phase können zu Rügen oder Nachprüfungsverfahren führen und im schlimmsten Fall die Aufhebung des Vergabeverfahrens zur Folge haben.
Eignungsprüfung: Wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit
Nach der formellen Prüfung folgt die Eignungsprüfung, bei der untersucht wird, ob die Bieter die erforderliche Eignung für die Ausführung des Auftrags besitzen. Die Eignung umfasst die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters.
Eignungskriterien:
Die Eignungskriterien müssen in den Vergabeunterlagen klar benannt werden. Sie müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und zu diesem verhältnismäßig sein. Typische Eignungskriterien sind:
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Fachkunde: Fachliche Qualifikation des Bieters und seiner Mitarbeiter, etwa durch Berufsabschlüsse, Zertifizierungen oder Referenzen
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Leistungsfähigkeit: Wirtschaftliche und technische Kapazitäten des Bieters, etwa durch Umsatzzahlen, Mitarbeiterzahl, technische Ausstattung
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Zuverlässigkeit: Gesetzestreue und Vertragstreue des Bieters, etwa durch Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Erklärungen zur Tariftreue, Straffreiheit
Eignungsnachweise:
Die Vergabestelle muss in den Vergabeunterlagen angeben, welche Nachweise die Bieter für ihre Eignung erbringen müssen. Im Unterschwellenbereich sollten die Anforderungen an die Nachweise verhältnismäßig sein und keinen übermäßigen Aufwand für die Bieter verursachen.
Typische Eignungsnachweise sind:
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Für die Fachkunde: Referenzen über frühere vergleichbare Aufträge, Qualifikationsnachweise der Mitarbeiter, Zertifizierungen
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Für die Leistungsfähigkeit: Jahresabschlüsse, Bankauskunft, Versicherungsnachweise, Angaben zur technischen Ausstattung
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Für die Zuverlässigkeit: Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts, Gewerbezentralregisterauszug, Eigenerklärungen zur Tariftreue und zu Ausschlussgründen
In Hessen können Bieter ihre Eignung auch durch die Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis (PQ-VOB) nachweisen. Die Präqualifikation ist eine vorgelagerte, auftragsunabhängige Eignungsprüfung, die den Vergabeprozess vereinfachen kann.
Durchführung der Eignungsprüfung:
Bei der Eignungsprüfung untersucht die Vergabestelle, ob die Bieter die geforderten Eignungskriterien erfüllen und die entsprechenden Nachweise erbracht haben. Die Prüfung erfolgt anhand der in den Vergabeunterlagen festgelegten Kriterien und Nachweise.
Die Eignungsprüfung kann zu folgenden Ergebnissen führen:
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Der Bieter erfüllt alle Eignungskriterien und hat alle erforderlichen Nachweise erbracht. Sein Angebot wird weiter gewertet.
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Der Bieter erfüllt die Eignungskriterien nicht oder hat nicht alle erforderlichen Nachweise erbracht. Sein Angebot wird ausgeschlossen.
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Der Bieter hat nicht alle erforderlichen Nachweise erbracht, aber die Vergabestelle fordert diese nach. Nach Eingang der nachgeforderten Nachweise wird die Eignungsprüfung fortgesetzt.
Besonderheiten bei Bietergemeinschaften und Nachunternehmern:
Bei Bietergemeinschaften müssen grundsätzlich alle Mitglieder die Eignungskriterien erfüllen, sofern in den Vergabeunterlagen nichts anderes festgelegt ist. Die Vergabestelle kann jedoch zulassen, dass die Bietergemeinschaft als Ganzes die Eignungskriterien erfüllt, wenn die einzelnen Mitglieder unterschiedliche Teile der Leistung erbringen.
Bei Nachunternehmern muss der Bieter nachweisen, dass ihm die erforderlichen Kapazitäten der Nachunternehmer zur Verfügung stehen. Die Vergabestelle kann zudem verlangen, dass der Nachunternehmer selbst die Eignungskriterien für den von ihm zu erbringenden Teil der Leistung erfüllt.
Dokumentation der Eignungsprüfung:
Die Ergebnisse der Eignungsprüfung müssen im Vergabevermerk dokumentiert werden. Für jeden Bieter muss angegeben werden, ob er die Eignungskriterien erfüllt und welche Nachweise er erbracht hat. Bei Ausschlüssen muss der konkrete Ausschlussgrund dokumentiert werden.
Die Eignungsprüfung ist ein wichtiger Schritt im Vergabeverfahren, der sicherstellt, dass der Auftrag nur an Bieter vergeben wird, die zur ordnungsgemäßen Ausführung in der Lage sind. Eine sorgfältige Eignungsprüfung trägt zur Qualität der Leistungserbringung bei und vermeidet Probleme in der Vertragsabwicklung.
Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung
Nach der formellen Prüfung und der Eignungsprüfung folgt die eigentliche Angebotswertung anhand der Zuschlagskriterien. Diese Phase dient der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden soll.
Grundsätze der Zuschlagskriterien:
Nach § 16d VOB/A bzw. § 43 UVgO ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Das wirtschaftlichste Angebot ist das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis, das anhand der in den Vergabeunterlagen festgelegten Zuschlagskriterien ermittelt wird.
Die Zuschlagskriterien müssen folgende Anforderungen erfüllen:
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Sie müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen.
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Sie müssen in den Vergabeunterlagen klar benannt und gewichtet werden.
-
Sie müssen objektiv und nicht diskriminierend sein.
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Sie müssen eine wirksame Vergleichbarkeit der Angebote ermöglichen.
Arten von Zuschlagskriterien:
Als Zuschlagskriterien kommen verschiedene Aspekte in Betracht:
-
Preis: Der Angebotspreis ist in der Regel ein zentrales Zuschlagskriterium. Er kann als Gesamtpreis oder als Summe von Einzelpreisen bewertet werden.
-
Qualität: Qualitative Aspekte der angebotenen Leistung, etwa technische Merkmale, Funktionalität, Ästhetik, Benutzerfreundlichkeit.
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Lieferzeit/Ausführungszeit: Die Zeit, die der Bieter für die Lieferung oder Ausführung der Leistung benötigt.
-
Umweltbezogene Aspekte: Umweltverträglichkeit der Leistung, Energieeffizienz, Ressourcenschonung, CO2-Bilanz.
-
Soziale Aspekte: Arbeitsbedingungen, Gleichstellung, Barrierefreiheit, Fairness in der Lieferkette.
-
Innovationsgehalt: Innovative Lösungsansätze, die über die Mindestanforderungen hinausgehen.
-
Lebenszykluskosten: Kosten über die gesamte Lebensdauer der Leistung, einschließlich Anschaffung, Betrieb, Wartung und Entsorgung.
In der Praxis ist der Preis oft das dominierende Zuschlagskriterium, insbesondere bei standardisierten Leistungen. Bei komplexeren Leistungen gewinnen jedoch qualitative, umweltbezogene und soziale Kriterien zunehmend an Bedeutung.
Gewichtung der Zuschlagskriterien:
Die Zuschlagskriterien müssen in den Vergabeunterlagen gewichtet werden, um eine transparente und nachvollziehbare Wertung zu ermöglichen. Die Gewichtung kann in Prozent oder Punkten erfolgen und sollte die relative Bedeutung der einzelnen Kriterien widerspiegeln.
Beispiel für eine Gewichtung:
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Preis: 60%
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Qualität: 30%
-
Ausführungszeit: 10%
Die Gewichtung sollte sorgfältig gewählt werden, da sie maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis der Wertung hat. Eine zu hohe Gewichtung des Preises kann zu Qualitätseinbußen führen, während eine zu geringe Gewichtung des Preises die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen kann.
Wertungsmethoden:
Für die Wertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien gibt es verschiedene Methoden:
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Punktesystem: Jedem Angebot werden für jedes Kriterium Punkte zugewiesen, die dann entsprechend der Gewichtung multipliziert und addiert werden. Das Angebot mit der höchsten Punktzahl erhält den Zuschlag.
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Preisabschlag/-aufschlag: Qualitative Vorteile werden in fiktive Preisabschläge, qualitative Nachteile in fiktive Preisaufschläge umgerechnet. Das Angebot mit dem niedrigsten fiktiven Gesamtpreis erhält den Zuschlag.
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Kosten-Nutzen-Analyse: Die Kosten und der Nutzen jedes Angebots werden analysiert und in ein Verhältnis gesetzt. Das Angebot mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis erhält den Zuschlag.
Die gewählte Wertungsmethode muss in den Vergabeunterlagen transparent dargelegt werden, um den Bietern eine zielgerichtete Angebotserstellung zu ermöglichen und Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.
Dokumentation der Zuschlagsentscheidung:
Die Zuschlagsentscheidung muss im Vergabevermerk ausführlich dokumentiert werden. Für jedes Angebot muss dargelegt werden, wie es bei den einzelnen Zuschlagskriterien abgeschnitten hat und wie die Gesamtwertung zustande gekommen ist. Die Dokumentation muss so detailliert sein, dass die Zuschlagsentscheidung auch für Dritte nachvollziehbar ist.
Die Wertung anhand der Zuschlagskriterien ist ein zentraler Schritt im Vergabeverfahren, der mit großer Sorgfalt durchgeführt werden sollte. Eine transparente und nachvollziehbare Wertung trägt zur Akzeptanz der Zuschlagsentscheidung bei und reduziert das Risiko von Rügen oder Nachprüfungsverfahren.
Zuschlagserteilung und Vertragsschluss
Nach Abschluss der Angebotswertung folgt die Zuschlagserteilung und der Vertragsschluss. Diese Phase markiert den Übergang vom Vergabeverfahren zur Vertragsabwicklung und ist mit spezifischen rechtlichen Anforderungen verbunden.
Informationspflichten gegenüber Bietern
Im Unterschwellenbereich sind die Informationspflichten gegenüber Bietern weniger streng geregelt als im Oberschwellenbereich. Dennoch bestehen auch hier gewisse Pflichten, die die Vergabestelle beachten muss.
Grundsätzliche Informationspflichten:
Nach § 19 VOB/A bzw. § 46 UVgO sind die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über die Ablehnung ihrer Angebote zu informieren. Diese Information muss jedoch nur auf Verlangen des Bieters erfolgen und muss innerhalb von 15 Tagen nach Eingang eines entsprechenden Antrags erteilt werden.
Die Information muss folgende Angaben enthalten:
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Die Gründe für die Ablehnung des Angebots
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Den Namen des erfolgreichen Bieters
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Die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots
Diese Informationspflicht dient der Transparenz des Vergabeverfahrens und ermöglicht es den unterlegenen Bietern, die Zuschlagsentscheidung nachzuvollziehen und gegebenenfalls zu rügen.
Erweiterte Informationspflichten in Hessen:
In Hessen können durch den Gemeinsamen Vergabeerlass oder durch Verwaltungsvorschriften erweiterte Informationspflichten bestehen. So sieht der Gemeinsame Vergabeerlass vor, dass die Bieter auch ohne ausdrückliches Verlangen über die Zuschlagsentscheidung informiert werden sollen, wenn dies der Transparenz dient und keine unverhältnismäßige Belastung darstellt.
Zudem empfiehlt der Vergabeerlass, bei größeren Aufträgen oder bei Aufträgen mit besonderem öffentlichen Interesse eine Vorabinformation über die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu geben, ähnlich der Informationspflicht nach § 134 GWB im Oberschwellenbereich. Diese Vorabinformation ist jedoch nicht verpflichtend und begründet keine Stillhaltefrist.
Praktische Umsetzung:
In der Praxis werden die Informationspflichten oft wie folgt umgesetzt:
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Standardisierte Informationsschreiben: Viele Vergabestellen nutzen standardisierte Schreiben für die Information der Bieter, die alle erforderlichen Angaben enthalten.
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Elektronische Kommunikation: Die Information erfolgt in der Regel per E-Mail oder über die Vergabeplattform, um eine schnelle und nachweisbare Kommunikation zu gewährleisten.
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Zeitnahe Information: Obwohl die VOB/A bzw. UVgO eine Frist von 15 Tagen nach Antragseingang vorsieht, informieren viele Vergabestellen die Bieter zeitnah nach der Zuschlagsentscheidung, um Transparenz zu schaffen und Rügen zu vermeiden.
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Dokumentation: Die Information der Bieter wird im Vergabevermerk dokumentiert, um die Erfüllung der Informationspflichten nachweisen zu können.
Die Informationspflichten gegenüber Bietern sind ein wichtiger Aspekt des Vergaberechts, der zur Transparenz und Akzeptanz der Vergabeentscheidungen beiträgt. Eine sorgfältige Beachtung dieser Pflichten kann dazu beitragen, Rügen oder Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.
Unterschiede zum Oberschwellenbereich (kein Standstill)
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Unterschwellen- und dem Oberschwellenbereich betrifft die sogenannte Stillhaltefrist (auch „Standstill-Periode“ genannt). Während im Oberschwellenbereich nach § 134 GWB eine verpflichtende Stillhaltefrist von 10 bzw. 15 Tagen zwischen der Information der Bieter und dem Vertragsschluss einzuhalten ist, gibt es im Unterschwellenbereich keine vergleichbare Regelung.
Keine Stillhaltefrist im Unterschwellenbereich:
Im Unterschwellenbereich kann der Vertrag unmittelbar nach der Zuschlagsentscheidung geschlossen werden, ohne dass eine Wartefrist einzuhalten wäre. Dies bedeutet, dass die Vergabestelle den Zuschlag erteilen und den Vertrag schließen kann, bevor die unterlegenen Bieter über die Ablehnung ihrer Angebote informiert wurden oder bevor sie die Möglichkeit hatten, die Zuschlagsentscheidung zu rügen.
Diese Regelung hat erhebliche Auswirkungen auf den Rechtsschutz der Bieter:
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Im Oberschwellenbereich können Bieter während der Stillhaltefrist ein Nachprüfungsverfahren einleiten und so den Vertragsschluss verhindern, bis die Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag entschieden hat.
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Im Unterschwellenbereich hingegen kann der Vertrag bereits geschlossen sein, bevor der Bieter von der Ablehnung seines Angebots erfährt oder bevor er eine Rüge erheben kann. Nach Vertragsschluss ist ein Primärrechtsschutz (d.h. die Verhinderung des Vertragsschlusses) nicht mehr möglich, sondern nur noch ein Sekundärrechtsschutz (d.h. Schadensersatz).
Praktische Konsequenzen:
Die fehlende Stillhaltefrist im Unterschwellenbereich hat folgende praktische Konsequenzen:
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Schnellerer Vertragsschluss: Die Vergabestelle kann den Vertrag unmittelbar nach der Zuschlagsentscheidung schließen, was zu einer Beschleunigung des Vergabeverfahrens führt.
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Eingeschränkter Rechtsschutz: Die Bieter haben weniger Möglichkeiten, gegen vergaberechtliche Verstöße vorzugehen, da der Primärrechtsschutz faktisch ausgehebelt wird.
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Höhere Bedeutung der Rüge: Da nach Vertragsschluss nur noch Schadensersatz in Betracht kommt, gewinnt die rechtzeitige Rüge an Bedeutung. Bieter sollten daher mögliche Verstöße so früh wie möglich rügen, idealerweise bereits während des laufenden Vergabeverfahrens.
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Strategische Überlegungen: Vergabestellen können durch einen schnellen Vertragsschluss das Risiko von Nachprüfungsverfahren reduzieren. Bieter hingegen müssen das Vergabeverfahren aktiv beobachten und bei Verdacht auf Verstöße schnell reagieren.
Freiwillige Stillhaltefrist:
Trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung können Vergabestellen im Unterschwellenbereich freiwillig eine Stillhaltefrist einhalten. Dies kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein:
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Erhöhung der Rechtssicherheit: Durch eine freiwillige Stillhaltefrist können Vergabestellen das Risiko reduzieren, dass ein bereits geschlossener Vertrag später angefochten wird.
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Transparenz und Fairness: Eine freiwillige Stillhaltefrist kann das Vertrauen der Bieter in die Fairness des Vergabeverfahrens stärken.
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Vermeidung von Schadensersatzansprüchen: Wenn Bieter die Möglichkeit haben, vor Vertragsschluss Rügen zu erheben, können Vergabestellen auf diese reagieren und so potenzielle Schadensersatzansprüche vermeiden.
In der Praxis wird eine freiwillige Stillhaltefrist jedoch selten eingehalten, da sie das Vergabeverfahren verlängert und keinen rechtlichen Vorteil für die Vergabestelle bietet.
Die fehlende Stillhaltefrist im Unterschwellenbereich ist ein wesentlicher Unterschied zum Oberschwellenbereich, der sowohl für Vergabestellen als auch für Bieter von großer praktischer Bedeutung ist. Vergabestellen sollten diesen Unterschied bei der Planung und Durchführung von Vergabeverfahren berücksichtigen, während Bieter sich der eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten bewusst sein sollten.
Dokumentationspflichten und Vergabevermerk
Die Dokumentation des Vergabeverfahrens ist ein zentraler Aspekt des Vergaberechts, der zur Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit beiträgt. Im Unterschwellenbereich bestehen spezifische Dokumentationspflichten, die in der VOB/A bzw. UVgO geregelt sind.
Grundsätzliche Dokumentationspflichten:
Nach § 8 VOB/A bzw. § 6 UVgO ist das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend zu dokumentieren, sodass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Diese Dokumentation dient dazu, das Vergabeverfahren transparent und nachvollziehbar zu gestalten und bei Bedarf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nachweisen zu können.
Die Dokumentation muss mindestens folgende Angaben enthalten:
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Gegenstand und Wert des Auftrags
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Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und Gründe für ihre Auswahl
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Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und Gründe für ihre Ablehnung
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Gründe für die Ablehnung von Angeboten
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Name des erfolgreichen Bieters und Gründe für die Auswahl seines Angebots
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Anteil der beabsichtigten Unteraufträge, soweit bekannt
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Bei Verhandlungsvergabe oder beschränkter Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb die Gründe, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen
Der Vergabevermerk:
Die Dokumentation des Vergabeverfahrens erfolgt in der Regel in Form eines Vergabevermerks. Dieser fasst alle wesentlichen Entscheidungen und Verfahrensschritte zusammen und bildet die Grundlage für spätere Nachprüfungen oder Auskunftsersuchen.
Der Vergabevermerk sollte chronologisch aufgebaut sein und alle relevanten Informationen enthalten. Ein typischer Vergabevermerk umfasst folgende Abschnitte:
1. Allgemeine Angaben: Auftragsgegenstand, geschätzter Auftragswert, Vergabeart, Verfahrensart
2. Vorbereitung des Vergabeverfahrens: Bedarfsermittlung, Erstellung der Vergabeunterlagen, Festlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien
3. Bekanntmachung und Angebotsphase: Art und Umfang der Bekanntmachung, Bieterfragen und Antworten, Änderungen der Vergabeunterlagen
4. Angebotseröffnung: Datum und Ort der Angebotseröffnung, eingegangene Angebote, Angebotssummen
5. Angebotswertung: Formelle Prüfung, Eignungsprüfung, Wertung anhand der Zuschlagskriterien, Ausschlüsse und deren Gründe
6. Zuschlagsentscheidung: Begründung der Zuschlagsentscheidung, Vergleich der Angebote anhand der Zuschlagskriterien
7. Vertragsschluss: Datum des Vertragsschlusses, wesentliche Vertragsinhalte 8. Besonderheiten: Besondere Vorkommnisse, Rügen, Nachprüfungsverfahren
Der Vergabevermerk sollte so detailliert sein, dass auch ein außenstehender Dritter den Ablauf des Vergabeverfahrens und die getroffenen Entscheidungen nachvollziehen kann. Er sollte objektiv und sachlich formuliert sein und alle relevanten Fakten enthalten.
Praktische Umsetzung:
In der Praxis werden die Dokumentationspflichten oft wie folgt umgesetzt:
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Standardisierte Formulare: Viele Vergabestellen nutzen standardisierte Formulare für den Vergabevermerk, die alle erforderlichen Angaben abfragen und eine einheitliche Dokumentation gewährleisten.
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Elektronische Vergabeakte: Zunehmend werden Vergabeverfahren elektronisch dokumentiert, etwa in speziellen Vergabesoftwarelösungen oder in elektronischen Aktenführungssystemen.
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Fortlaufende Dokumentation: Die Dokumentation erfolgt idealerweise fortlaufend während des Vergabeverfahrens, nicht erst nach dessen Abschluss. Dies gewährleistet eine vollständige und genaue Erfassung aller relevanten Informationen.
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Aufbewahrung: Die Vergabeunterlagen einschließlich des Vergabevermerks müssen für einen angemessenen Zeitraum aufbewahrt werden. In Hessen beträgt die Aufbewahrungsfrist in der Regel mindestens drei Jahre nach Vertragsschluss.
Die Dokumentationspflichten im Vergaberecht sind kein bloßer Formalismus, sondern ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Transparenz, Gleichbehandlung und Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens. Eine sorgfältige Dokumentation kann dazu beitragen, Rügen oder Nachprüfungsverfahren zu vermeiden oder erfolgreich zu bestehen.
Die Dokumentation des Vergabeverfahrens ist somit ein zentraler Aspekt des Vergaberechts, der sowohl für Vergabestellen als auch für Bieter von großer praktischer Bedeutung ist. Vergabestellen sollten der Dokumentation die gebührende Aufmerksamkeit widmen, während Bieter bei Verdacht auf Verstöße Akteneinsicht beantragen können, um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu überprüfen.
Besonderheiten für Bauleistungen nach VOB/A
Anwendungsbereich der VOB/A Abschnitt 1
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil A, Abschnitt 1 bildet das zentrale Regelwerk für die Vergabe von Bauleistungen im Unterschwellenbereich in Hessen. Sie enthält detaillierte Vorschriften für die Durchführung von Vergabeverfahren im Baubereich und ist für alle öffentlichen Auftraggeber in Hessen verbindlich, wenn sie Bauleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte vergeben.
Abgrenzung zur UVgO bei Liefer- und Dienstleistungen
Eine der wichtigsten Besonderheiten des hessischen Vergaberechts ist die klare Trennung zwischen den Regelwerken für Bauleistungen einerseits und Liefer- und Dienstleistungen andererseits. Während Bauleistungen nach der VOB/A Abschnitt 1 vergeben werden, gilt für Liefer- und Dienstleistungen die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO).
Diese Zweiteilung des Regelungsregimes führt zu unterschiedlichen Verfahrensanforderungen je nach Auftragsgegenstand:
Bauleistungen nach VOB/A Abschnitt 1:
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Spezifische Regelungen für die Vergabe von Bauleistungen
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Besondere Anforderungen an die Leistungsbeschreibung und das Leistungsverzeichnis
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Spezielle Bestimmungen für die Angebotswertung und den Umgang mit Nebenangeboten
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Eigene Regelungen für die Eignungsprüfung und die Zuschlagserteilung
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Besondere Bestimmungen für die Vertragsgestaltung (VOB/B)
Liefer- und Dienstleistungen nach UVgO:
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Angelehnt an die Regelungen des Oberschwellenbereichs (VgV)
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Modernere und flexiblere Verfahrensgestaltung
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Stärkere Betonung der elektronischen Vergabe
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Andere Wertgrenzen und Verfahrensarten
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Unterschiedliche Anforderungen an die Eignungsprüfung und die Zuschlagserteilung
Die Abgrenzung zwischen Bau- und Liefer-/Dienstleistungen ist daher von entscheidender Bedeutung für die Wahl des richtigen Regelwerks. In der Praxis kann diese Abgrenzung jedoch Schwierigkeiten bereiten, insbesondere bei gemischten Aufträgen, die sowohl Bau- als auch Liefer- oder Dienstleistungselemente enthalten.
Abgrenzungskriterien:
Die Abgrenzung erfolgt nach dem Schwerpunkt des Auftrags. Nach § 1 VOB/A sind Bauleistungen „Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird“. Entscheidend ist also, ob der Auftrag überwiegend auf die Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung einer baulichen Anlage gerichtet ist.
Beispiele für typische Bauleistungen:
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Neubau von Gebäuden oder Infrastruktur
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Sanierung oder Modernisierung bestehender Gebäude
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Abbrucharbeiten
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Tiefbauarbeiten (Straßenbau, Kanalbau etc.)
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Technische Gebäudeausrüstung (Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektro)
Beispiele für Liefer- und Dienstleistungen:
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Lieferung von Büromöbeln oder IT-Ausstattung
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Reinigungsdienstleistungen
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Planungs- und Beratungsleistungen
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Wartungs- und Instandhaltungsverträge ohne bauliche Veränderungen
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Software-Implementierung und -Wartung
Bei gemischten Aufträgen ist der überwiegende Teil maßgeblich. Wenn der Auftrag zu mehr als 50% aus Bauleistungen besteht, ist die VOB/A anzuwenden; überwiegen die Liefer- oder Dienstleistungen, gilt die UVgO.
In der Praxis empfiehlt es sich, bei Zweifeln den Auftrag in separate Lose für Bau- und Liefer-/Dienstleistungen aufzuteilen und diese getrennt nach dem jeweils einschlägigen Regelwerk zu vergeben. Dies erhöht die Rechtssicherheit und vermeidet Vergaberechtsverstöße.
Besonderheiten des Bauvertragsrechts
Das Bauvertragsrecht weist gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht zahlreiche Besonderheiten auf, die sich auch auf die Vergabe von Bauleistungen auswirken. Diese Besonderheiten sind in der VOB Teil B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) geregelt und müssen bereits bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden.
Wesentliche Besonderheiten des Bauvertragsrechts:
1. Leistungsänderungsrecht: Nach § 1 Abs. 3 VOB/B hat der Auftraggeber das Recht, Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, geänderte oder zusätzliche Leistungen auszuführen, sofern sein Betrieb darauf eingerichtet ist. Diese Änderungen führen zu einer Anpassung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B.
2. Abnahme: Die Abnahme nach § 12 VOB/B hat besondere Bedeutung, da sie zahlreiche Rechtsfolgen auslöst, etwa den Beginn der Gewährleistungsfrist, den Übergang der Gefahr und die Fälligkeit der Schlusszahlung. Die Abnahme kann förmlich, durch Ingebrauchnahme oder durch Ablauf einer Frist erfolgen.
3. Gewährleistung: Die Gewährleistungsfrist beträgt nach § 13 VOB/B grundsätzlich 4 Jahre, kann aber vertraglich angepasst werden. Dies weicht von der gesetzlichen Regelung des BGB ab, die eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren vorsieht.
4. Sicherheitsleistungen: Nach § 17 VOB/B kann der Auftraggeber Sicherheit für die Vertragserfüllung und für Mängelansprüche verlangen. Die Höhe der Sicherheit ist begrenzt (in der Regel 5% der Auftragssumme für die Vertragserfüllung und 3% für Mängelansprüche).
5. Kündigung: Die VOB/B enthält in §§ 8 und 9 besondere Regelungen zur Kündigung des Bauvertrags, die von den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen abweichen.
6. Vergütung: Die Vergütung erfolgt in der Regel nach Einheitspreisen (§ 2 VOB/B), kann aber auch als Pauschalpreis vereinbart werden. Bei Mengenänderungen sind Preisanpassungen möglich.
Diese Besonderheiten des Bauvertragsrechts müssen bereits bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden, insbesondere bei der Erstellung der Vergabeunterlagen und der Vertragsgestaltung. Die VOB/A und die VOB/B bilden dabei eine Einheit und sollten stets zusammen angewendet werden.
Praktische Bedeutung für die Vergabe:
Die Besonderheiten des Bauvertragsrechts haben praktische Auswirkungen auf die Vergabe von Bauleistungen:
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Leistungsbeschreibung: Die Leistungsbeschreibung muss so gestaltet sein, dass sie mögliche Änderungen während der Bauausführung berücksichtigt und eine faire Preisanpassung ermöglicht.
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Vertragsbedingungen: Die Vertragsbedingungen müssen die Besonderheiten des Bauvertragsrechts widerspiegeln, etwa hinsichtlich Abnahme, Gewährleistung und Sicherheitsleistungen.
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Zuschlagskriterien: Bei der Festlegung der Zuschlagskriterien können bauvertragliche Aspekte berücksichtigt werden, etwa die Qualität der Bauausführung oder die Reaktionszeit bei Mängeln.
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Eignungskriterien: Die Eignungskriterien müssen die besonderen Anforderungen des Bauvertragsrechts berücksichtigen, etwa die Fähigkeit des Bieters, mit Leistungsänderungen umzugehen oder Sicherheitsleistungen zu erbringen.
Die Vergabe von Bauleistungen erfordert daher ein tiefes Verständnis des Bauvertragsrechts und seiner Besonderheiten. Vergabestellen sollten bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren für Bauleistungen stets bauvertragliche Expertise einbeziehen, um rechtssichere und wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen.
Technische Spezifikationen und Leistungsverzeichnis
Die Erstellung präziser technischer Spezifikationen und eines detaillierten Leistungsverzeichnisses ist ein zentraler Aspekt bei der Vergabe von Bauleistungen. Sie bilden die Grundlage für die Angebotserstellung durch die Bieter und sind entscheidend für die spätere Vertragsabwicklung.
Anforderungen an die Leistungsbeschreibung
Die Leistungsbeschreibung für Bauleistungen muss nach § 7 VOB/A eindeutig und erschöpfend sein, um allen Bietern die gleiche Chance zu geben und vergleichbare Angebote zu erhalten. Sie muss so gestaltet sein, dass die Bieter die Art und den Umfang der geforderten Leistung klar erkennen können und ihre Preise sicher kalkulieren können.
Grundsätze der Leistungsbeschreibung:
1. Eindeutigkeit: Die Leistungsbeschreibung muss klar und unmissverständlich formuliert sein, um Interpretationsspielräume zu vermeiden.
2. Vollständigkeit: Alle für die Ausführung und Preisermittlung relevanten Umstände müssen in der Leistungsbeschreibung enthalten sein.
3. Neutralität: Die Leistungsbeschreibung darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte oder Hersteller verweisen, es sei denn, dies ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt und es wird der Zusatz „oder gleichwertig“ verwendet.
4. Verhältnismäßigkeit: Die Anforderungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen.
5. Transparenz: Die Anforderungen müssen für alle Bieter gleichermaßen erkennbar sein.
Arten der Leistungsbeschreibung:
Nach § 7 Abs. 1 VOB/A kann die Leistungsbeschreibung auf zwei Arten erfolgen:
1. Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis: Hier werden die Leistungen nach Teilleistungen in einzelnen Positionen aufgegliedert und detailliert beschrieben. Diese Form ist besonders bei Standardleistungen üblich und ermöglicht eine genaue Preiskalkulation.
2. Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm: Hier werden nur das Ziel und die Funktion der Leistung vorgegeben, während die konkrete Ausführung den Bietern überlassen bleibt. Diese Form ist besonders bei komplexen oder innovativen Leistungen sinnvoll und fördert kreative Lösungen.
In der Praxis wird bei Bauleistungen überwiegend die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis verwendet, da sie eine bessere Vergleichbarkeit der Angebote ermöglicht und das Risiko von Nachträgen reduziert.
Inhalt der Leistungsbeschreibung:
Eine vollständige Leistungsbeschreibung für Bauleistungen umfasst in der Regel folgende Elemente:
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Vorbemerkungen: Allgemeine Informationen zum Bauvorhaben, zu den Baustellenbedingungen und zu den Anforderungen an die Ausführung.
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Technische Spezifikationen: Detaillierte Angaben zu den technischen Anforderungen, etwa zu Materialien, Ausführungsstandards, Qualitätsanforderungen etc.
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Leistungsverzeichnis: Aufgliederung der Leistungen in einzelne Positionen mit Mengenangaben und Einheiten.
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Pläne und Zeichnungen: Grafische Darstellungen des Bauvorhabens, die die textliche Beschreibung ergänzen und verdeutlichen.
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Baustelleneinrichtung: Angaben zu den Anforderungen an die Baustelleneinrichtung, etwa zu Lager- und Arbeitsflächen, Zufahrten, Versorgungsanschlüssen etc.
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Zeitliche Vorgaben: Angaben zum Ausführungszeitraum, zu Fristen und Terminen, zu Bauabschnitten etc.
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Besondere Anforderungen: Angaben zu besonderen Anforderungen, etwa zum Umweltschutz, zur Arbeitssicherheit, zum Lärmschutz etc.
Die Leistungsbeschreibung sollte so detailliert sein, dass die Bieter ihre Preise sicher kalkulieren können, aber gleichzeitig so flexibel, dass sie Raum für innovative Lösungen lässt. Eine zu detaillierte Leistungsbeschreibung kann die Kreativität der Bieter einschränken, während eine zu vage Leistungsbeschreibung zu Unklarheiten und Nachträgen führen kann.
Umgang mit Nebenangeboten
Nebenangebote sind Angebote, die von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweichen, etwa durch alternative technische Lösungen, andere Materialien oder abweichende Ausführungsarten. Sie bieten die Chance, innovative und wirtschaftliche Lösungen zu entdecken, die der Auftraggeber bei der Erstellung der Vergabeunterlagen nicht bedacht hat.
Zulassung von Nebenangeboten:
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A muss der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angeben, ob er Nebenangebote zulässt. Wenn keine Angabe erfolgt, sind Nebenangebote nicht zugelassen.
Die Entscheidung, ob Nebenangebote zugelassen werden, liegt im Ermessen des Auftraggebers und sollte von verschiedenen Faktoren abhängen:
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Komplexität des Bauvorhabens: Bei komplexen Bauvorhaben können Nebenangebote besonders wertvoll sein, da sie innovative Lösungen ermöglichen.
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Standardisierungsgrad: Bei stark standardisierten Leistungen sind Nebenangebote oft weniger sinnvoll, da die Standardlösung in der Regel optimal ist.
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Innovationspotenzial: Wenn der Auftraggeber offen für innovative Lösungen ist, sollten Nebenangebote zugelassen werden.
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Wettbewerbssituation: Nebenangebote können den Wettbewerb fördern und zu wirtschaftlicheren Ergebnissen führen.
Mindestanforderungen an Nebenangebote:
Wenn Nebenangebote zugelassen sind, muss der Auftraggeber nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A Mindestanforderungen festlegen, die die Nebenangebote erfüllen müssen. Diese Mindestanforderungen dienen dazu, die Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Nebenangebote den grundlegenden Anforderungen des Auftraggebers entsprechen.
Die Mindestanforderungen können sich auf verschiedene Aspekte beziehen:
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Technische Anforderungen: Mindeststandards für die technische Ausführung, etwa hinsichtlich Stabilität, Haltbarkeit, Funktionalität etc.
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Qualitätsanforderungen: Mindeststandards für die Qualität der Leistung, etwa hinsichtlich Materialien, Verarbeitung, Oberflächen etc.
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Formale Anforderungen: Vorgaben zur Form und zum Inhalt der Nebenangebote, etwa zur Darstellung der alternativen Lösung, zur Preiskalkulation, zu erforderlichen Nachweisen etc.
Die Mindestanforderungen müssen so formuliert sein, dass sie einerseits die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleisten, andererseits aber den Spielraum für innovative Lösungen nicht zu stark einschränken.
Wertung von Nebenangeboten:
Die Wertung von Nebenangeboten erfolgt nach denselben Zuschlagskriterien wie die Wertung der Hauptangebote. Allerdings stellt die Vergleichbarkeit von Haupt- und Nebenangeboten oft eine besondere Herausforderung dar, da sie unterschiedliche Leistungen umfassen können.
Bei der Wertung von Nebenangeboten sind folgende Aspekte zu beachten:
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Gleichwertigkeit: Das Nebenangebot muss den Mindestanforderungen entsprechen und mit dem Hauptangebot gleichwertig sein.
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Wirtschaftlichkeit: Das Nebenangebot muss wirtschaftlicher sein als das Hauptangebot, sei es durch einen niedrigeren Preis oder durch einen höheren Nutzen.
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Technische Machbarkeit: Die im Nebenangebot vorgeschlagene Lösung muss technisch machbar und umsetzbar sein.
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Risikobewertung: Die mit dem Nebenangebot verbundenen Risiken müssen bewertet und berücksichtigt werden.
In der Praxis werden Nebenangebote oft zunächst daraufhin geprüft, ob sie die Mindestanforderungen erfüllen. Anschließend werden sie mit dem wirtschaftlichsten Hauptangebot verglichen, um zu entscheiden, ob der Zuschlag auf das Haupt- oder das Nebenangebot erteilt wird.
Praktische Bedeutung von Nebenangeboten:
Nebenangebote haben in der Praxis eine große Bedeutung, da sie oft zu wirtschaftlicheren oder innovativeren Lösungen führen. Sie ermöglichen es den Bietern, ihr Fachwissen und ihre Erfahrung einzubringen und alternative Lösungen vorzuschlagen, die der Auftraggeber bei der Erstellung der Vergabeunterlagen nicht bedacht hat.
Gleichzeitig stellen Nebenangebote sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter eine Herausforderung dar:
-
Für Auftraggeber: Die Bewertung und der Vergleich von Nebenangeboten erfordern ein hohes Maß an Fachwissen und Erfahrung. Zudem besteht das Risiko, dass die im Nebenangebot vorgeschlagene Lösung nicht den Erwartungen entspricht.
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Für Bieter: Die Erstellung von Nebenangeboten ist mit einem höheren Aufwand verbunden und birgt das Risiko, dass das Nebenangebot nicht den Mindestanforderungen entspricht oder aus anderen Gründen nicht berücksichtigt wird.
Trotz dieser Herausforderungen sind Nebenangebote ein wichtiges Instrument, um Innovation und Wirtschaftlichkeit in der Bauvergabe zu fördern. Auftraggeber sollten daher sorgfältig abwägen, ob und unter welchen Bedingungen sie Nebenangebote zulassen.
Produktneutralität und Ausnahmen
Die Produktneutralität ist ein grundlegendes Prinzip des Vergaberechts, das auch bei der Vergabe von Bauleistungen zu beachten ist. Nach § 7 Abs. 2 VOB/A darf die Leistungsbeschreibung grundsätzlich keine Produkte oder Verfahren eines bestimmten Herstellers oder Anbieters nennen oder auf solche verweisen. Dieses Verbot dient dazu, den Wettbewerb zu fördern und eine ungerechtfertigte Bevorzugung bestimmter Unternehmen zu vermeiden.
Grundsatz der Produktneutralität:
Die Leistungsbeschreibung muss so gestaltet sein, dass sie allen Bietern die gleiche Chance gibt und keinen Bieter ungerechtfertigt bevorzugt oder benachteiligt. Dies bedeutet insbesondere:
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Keine Nennung bestimmter Hersteller oder Marken
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Keine Verwendung von Spezifikationen, die nur von bestimmten Produkten erfüllt werden können
-
Keine Vorgabe bestimmter Verfahren oder Technologien, die nur von bestimmten Unternehmen angeboten werden
Stattdessen sollte die Leistungsbeschreibung funktional erfolgen, d.h. sie sollte die Anforderungen an die Leistung beschreiben, ohne festzulegen, wie diese Anforderungen zu erfüllen sind. Dies ermöglicht es den Bietern, innovative und wirtschaftliche Lösungen anzubieten.
Ausnahmen vom Grundsatz der Produktneutralität:
Von dem Grundsatz der Produktneutralität kann in bestimmten Fällen abgewichen werden. Nach § 7 Abs. 2 VOB/A ist eine produktspezifische Ausschreibung ausnahmsweise zulässig, wenn:
1. Der Auftragsgegenstand dies rechtfertigt: Dies kann der Fall sein, wenn nur ein bestimmtes Produkt die technischen oder funktionalen Anforderungen erfüllen kann oder wenn besondere Gründe (z.B. Sicherheitsanforderungen, Kompatibilität mit bestehenden Systemen) für ein bestimmtes Produkt sprechen.
2. Eine hinreichend genaue Beschreibung durch verkehrsübliche Bezeichnungen nicht möglich ist: Dies kann bei sehr speziellen oder innovativen Leistungen der Fall sein, für die noch keine allgemein anerkannten Bezeichnungen existieren.
In diesen Fällen muss der Zusatz „oder gleichwertig“ hinzugefügt werden, um den Wettbewerb zu wahren. Die Bieter haben dann die Möglichkeit, gleichwertige Produkte oder Verfahren anzubieten.
Nachweis der Gleichwertigkeit:
Wenn die Leistungsbeschreibung auf bestimmte Produkte oder Verfahren verweist und der Zusatz „oder gleichwertig“ hinzugefügt wird, müssen die Bieter die Gleichwertigkeit ihrer alternativen Angebote nachweisen. Dieser Nachweis kann auf verschiedene Weise erbracht werden:
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Technische Dokumentation: Datenblätter, Produktbeschreibungen, technische Zeichnungen etc., die belegen, dass das alternative Produkt die gleichen technischen Eigenschaften und Funktionen aufweist.
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Prüfzeugnisse und Zertifikate: Nachweise unabhängiger Prüfinstitute, die die Gleichwertigkeit bestätigen.
-
Referenzen: Nachweise über den erfolgreichen Einsatz des alternativen Produkts in vergleichbaren Projekten.
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Muster und Proben: Physische Muster oder Proben, die die Gleichwertigkeit demonstrieren.
Die Anforderungen an den Nachweis der Gleichwertigkeit sollten in den Vergabeunterlagen klar definiert werden, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
Praktische Bedeutung der Produktneutralität:
Die Produktneutralität ist ein wichtiges Instrument, um den Wettbewerb zu fördern und eine ungerechtfertigte Bevorzugung bestimmter Unternehmen zu vermeiden. Sie trägt dazu bei, dass die öffentliche Hand wirtschaftlich beschafft und innovative Lösungen fördert.
Gleichzeitig stellt die Produktneutralität sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter eine Herausforderung dar:
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Für Auftraggeber: Die funktionale Leistungsbeschreibung erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und Sorgfalt, um alle relevanten Anforderungen zu erfassen, ohne bestimmte Produkte zu bevorzugen.
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Für Bieter: Die Bewertung der Gleichwertigkeit alternativer Produkte kann komplex sein und erfordert oft umfangreiche Nachweise.
In der Praxis ist die Produktneutralität daher ein Bereich, der häufig zu Rügen und Nachprüfungsverfahren führt. Auftraggeber sollten daher besondere Sorgfalt auf die Gestaltung der Leistungsbeschreibung verwenden und bei produktspezifischen Ausschreibungen die Ausnahmetatbestände sorgfältig prüfen und dokumentieren.
Eignungsnachweise im Baubereich
Die Eignungsprüfung ist ein zentraler Bestandteil jedes Vergabeverfahrens für Bauleistungen. Sie dient dazu, sicherzustellen, dass der Auftrag nur an Unternehmen vergeben wird, die über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfügen. Im Baubereich gibt es spezifische Eignungsnachweise, die die besonderen Anforderungen dieser Branche berücksichtigen.
Präqualifikation und Eigenerklärungen
Die Präqualifikation ist ein Verfahren, bei dem die Eignung eines Unternehmens vorab, d.h. unabhängig von einem konkreten Vergabeverfahren, geprüft und bestätigt wird. Sie dient dazu, den Aufwand für Bieter und Auftraggeber zu reduzieren und die Vergabeverfahren zu beschleunigen.
Präqualifikationsverfahren im Baubereich:
Im Baubereich gibt es in Deutschland zwei anerkannte Präqualifikationsverfahren:
1. PQ-VOB: Das Präqualifikationsverfahren nach VOB wird von der Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. und anderen Präqualifizierungsstellen durchgeführt. Es umfasst die Prüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Unternehmens anhand standardisierter Kriterien.
2. ULV: Das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis für Bauleistungen wird von den Industrie- und Handelskammern geführt und enthält ebenfalls präqualifizierte Unternehmen.
Die Präqualifikation bietet sowohl für Bieter als auch für Auftraggeber Vorteile:
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Für Bieter: Reduzierung des Aufwands für die Eignungsnachweise, da diese nicht für jedes Vergabeverfahren neu erbracht werden müssen; bessere Chancen bei der Teilnahme an Vergabeverfahren.
-
Für Auftraggeber: Vereinfachung und Beschleunigung der Eignungsprüfung; höhere Rechtssicherheit durch standardisierte Prüfung; Reduzierung des Verwaltungsaufwands.
Die Präqualifikation ist jedoch nicht verpflichtend. Unternehmen können auch ohne Präqualifikation an Vergabeverfahren teilnehmen und ihre Eignung durch Einzelnachweise belegen.
Eigenerklärungen:
Als Alternative oder Ergänzung zur Präqualifikation können Bieter Eigenerklärungen abgeben, in denen sie bestätigen, dass sie die Eignungskriterien erfüllen. Diese Eigenerklärungen können sich auf verschiedene Aspekte der Eignung beziehen:
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Fachkunde: Erklärung über die fachliche Qualifikation des Unternehmens und seiner Mitarbeiter.
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Leistungsfähigkeit: Erklärung über die wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit des Unternehmens.
-
Zuverlässigkeit: Erklärung über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen, etwa Insolvenz, Steuerhinterziehung, Bestechung etc.
Eigenerklärungen haben den Vorteil, dass sie den Aufwand für die Bieter reduzieren, da sie keine umfangreichen Nachweise einreichen müssen. Für den Auftraggeber bedeuten sie jedoch ein gewisses Risiko, da die Angaben der Bieter nicht überprüft sind.
In der Praxis werden Eigenerklärungen daher oft mit Stichprobenkontrollen kombiniert, bei denen der Auftraggeber von einzelnen Bietern Nachweise für die in den Eigenerklärungen gemachten Angaben verlangt. Zudem kann der Auftraggeber vom erfolgreichen Bieter vor Zuschlagserteilung die Vorlage der Originalnachweise verlangen.
Verhältnis von Präqualifikation und Eigenerklärungen:
Präqualifikation und Eigenerklärungen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können kombiniert werden:
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Präqualifizierte Unternehmen können auf ihre Präqualifikation verweisen und müssen nur für Aspekte, die nicht von der Präqualifikation abgedeckt sind, Eigenerklärungen abgeben.
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Nicht präqualifizierte Unternehmen können ihre Eignung vollständig durch Eigenerklärungen nachweisen, müssen aber damit rechnen, dass der Auftraggeber Nachweise verlangt.
In den Vergabeunterlagen sollte klar definiert werden, welche Eignungsnachweise gefordert werden und ob und in welchem Umfang Eigenerklärungen akzeptiert werden. Dabei sollte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden: Die Anforderungen an die Eignungsnachweise sollten in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen.
Unbedenklichkeitsbescheinigungen
Unbedenklichkeitsbescheinigungen sind wichtige Eignungsnachweise im Baubereich, die die Zuverlässigkeit des Bieters belegen. Sie bestätigen, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber bestimmten Institutionen nachgekommen ist und keine Rückstände bestehen.
Arten von Unbedenklichkeitsbescheinigungen:
Im Baubereich sind insbesondere folgende Unbedenklichkeitsbescheinigungen relevant:
1. Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft (BG Bau): Sie bestätigt, dass das Unternehmen seine Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ordnungsgemäß entrichtet hat.
2. Unbedenklichkeitsbescheinigung der Sozialkasse (SOKA-Bau): Sie bestätigt, dass das Unternehmen seine Beiträge zur Sozialkasse des Baugewerbes ordnungsgemäß entrichtet hat.
3. Unbedenklichkeitsbescheinigung der Krankenkassen: Sie bestätigt, dass das Unternehmen seine Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ordnungsgemäß entrichtet hat.
4. Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts: Sie bestätigt, dass das Unternehmen seine Steuern ordnungsgemäß entrichtet hat und keine Steuerrückstände bestehen.
Diese Bescheinigungen dienen dazu, sicherzustellen, dass der Bieter seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt und somit als zuverlässig eingestuft werden kann. Sie sind besonders im Baubereich wichtig, da hier aufgrund der Struktur der Branche (viele Subunternehmer, hohe Fluktuation) ein erhöhtes Risiko von Beitragsrückständen besteht.
Anforderung und Vorlage:
Die Anforderung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen muss in den Vergabeunterlagen klar definiert werden. Dabei sollte angegeben werden, welche Bescheinigungen gefordert werden und wie aktuell sie sein müssen (in der Regel nicht älter als drei Monate).
Die Vorlage der Bescheinigungen kann auf verschiedene Weise erfolgen:
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Direkte Vorlage mit dem Angebot: Der Bieter reicht die Bescheinigungen direkt mit seinem Angebot ein.
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Vorlage auf Anforderung: Der Bieter gibt eine Eigenerklärung ab und reicht die Bescheinigungen nur auf Anforderung des Auftraggebers ein.
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Verweis auf Präqualifikation: Präqualifizierte Unternehmen können auf ihre Präqualifikation verweisen, da die Unbedenklichkeitsbescheinigungen in der Regel Teil der Präqualifikationsunterlagen sind.
In der Praxis werden Unbedenklichkeitsbescheinigungen oft nicht mit dem Angebot, sondern erst auf Anforderung oder vor Zuschlagserteilung verlangt, um den Aufwand für die Bieter zu reduzieren.
Praktische Bedeutung:
Unbedenklichkeitsbescheinigungen haben in der Praxis eine große Bedeutung, da sie ein wichtiger Indikator für die Zuverlässigkeit des Bieters sind. Ein Unternehmen, das seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, kann als unzuverlässig eingestuft werden und vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Gleichzeitig stellen Unbedenklichkeitsbescheinigungen für die Bieter einen gewissen Aufwand dar, da sie bei verschiedenen Institutionen beantragt werden müssen und nur begrenzt gültig sind. Die Präqualifikation bietet hier einen Vorteil, da die Bescheinigungen nur einmal jährlich aktualisiert werden müssen.
Für Auftraggeber ist es wichtig, die Anforderungen an Unbedenklichkeitsbescheinigungen verhältnismäßig zu gestalten und nicht mehr Bescheinigungen zu fordern, als für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erforderlich sind. Zudem sollten die Anforderungen klar und eindeutig formuliert werden, um Missverständnisse und Rügen zu vermeiden.
Freistellungsbescheinigungen
Die Freistellungsbescheinigung nach § 48b Einkommensteuergesetz (EStG) ist ein wichtiger Eignungsnachweis im Baubereich, der die steuerliche Zuverlässigkeit des Bieters belegt. Sie befreit den Auftraggeber von der Pflicht, 15% der Vergütung einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (sogenannte Bauabzugsteuer).
Hintergrund der Bauabzugsteuer:
Die Bauabzugsteuer wurde eingeführt, um Steuerausfälle im Baugewerbe zu vermeiden. Sie verpflichtet Auftraggeber von Bauleistungen, 15% der Vergütung einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, sofern der Auftragnehmer keine Freistellungsbescheinigung vorlegt.
Diese Regelung betrifft alle Bauleistungen im Sinne des § 48 EStG, also Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Sie gilt sowohl für öffentliche als auch für private Auftraggeber.
Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG:
Die Freistellungsbescheinigung wird vom zuständigen Finanzamt ausgestellt und befreit den Auftraggeber von der Pflicht zum Steuerabzug. Sie wird erteilt, wenn der Auftragnehmer seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt und keine Steuerrückstände bestehen.
Die Freistellungsbescheinigung enthält folgende Angaben:
-
Name und Anschrift des Auftragnehmers
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Steuernummer und zuständiges Finanzamt
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Gültigkeitsdauer (in der Regel ein bis drei Jahre)
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Umfang der Freistellung (vollständig oder teilweise)
Die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung kann online über die Datenbank des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) überprüft werden. Dies bietet Auftraggebern eine zusätzliche Sicherheit, da gefälschte Bescheinigungen erkannt werden können.
Anforderung und Vorlage:
Die Anforderung einer Freistellungsbescheinigung muss in den Vergabeunterlagen klar definiert werden. Dabei sollte angegeben werden, dass die Bescheinigung gültig sein muss und wie sie vorzulegen ist.
Die Vorlage der Freistellungsbescheinigung kann auf verschiedene Weise erfolgen:
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Direkte Vorlage mit dem Angebot: Der Bieter reicht die Bescheinigung direkt mit seinem Angebot ein.
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Vorlage auf Anforderung: Der Bieter gibt eine Eigenerklärung ab und reicht die Bescheinigung nur auf Anforderung des Auftraggebers ein.
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Verweis auf Präqualifikation: Präqualifizierte Unternehmen können auf ihre Präqualifikation verweisen, da die Freistellungsbescheinigung in der Regel Teil der Präqualifikationsunterlagen ist.
In der Praxis wird die Freistellungsbescheinigung oft nicht mit dem Angebot, sondern erst auf Anforderung oder vor Zuschlagserteilung verlangt, um den Aufwand für die Bieter zu reduzieren.
Praktische Bedeutung:
Die Freistellungsbescheinigung hat in der Praxis eine große Bedeutung, da sie nicht nur die steuerliche Zuverlässigkeit des Bieters belegt, sondern auch den Auftraggeber vor finanziellen Risiken schützt. Ohne Freistellungsbescheinigung müsste der Auftraggeber 15% der Vergütung einbehalten und an das Finanzamt abführen, was zu Liquiditätsproblemen beim Auftragnehmer führen könnte.
Für Bieter ist es daher wichtig, eine gültige Freistellungsbescheinigung zu besitzen und diese auf Anforderung vorlegen zu können. Für Auftraggeber ist es wichtig, die Gültigkeit der Bescheinigung zu prüfen und im Zweifelsfall eine Bestätigung beim Finanzamt einzuholen.
Die Freistellungsbescheinigung ist somit ein wichtiger Eignungsnachweis im Baubereich, der sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter von großer praktischer Bedeutung ist.
Versicherungs- und Bonitätsnachweise
Versicherungs- und Bonitätsnachweise sind wichtige Eignungsnachweise im Baubereich, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bieters belegen. Sie dienen dazu, sicherzustellen, dass der Bieter über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt und gegen Haftungsrisiken abgesichert ist.
Versicherungsnachweise:
Versicherungsnachweise belegen, dass der Bieter über einen ausreichenden Versicherungsschutz verfügt, um potenzielle Schäden abzudecken, die im Rahmen der Auftragsausführung entstehen können. Im Baubereich sind insbesondere folgende Versicherungen relevant:
1. Betriebshaftpflichtversicherung: Sie deckt Personen- und Sachschäden ab, die Dritten im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit zugefügt werden.
2. Bauwesenversicherung: Sie deckt Schäden am Bauwerk während der Bauphase ab, etwa durch Unwetter, Feuer oder Vandalismus.
3. Bauleistungsversicherung: Sie deckt unvorhergesehene Schäden an der Bauleistung ab, etwa durch Konstruktionsfehler oder Materialfehler.
4. Berufshaftpflichtversicherung: Sie ist besonders für Planungs- und Beratungsleistungen relevant und deckt Vermögensschäden ab, die durch fehlerhafte Leistungen entstehen.
Die Anforderungen an den Versicherungsschutz sollten in den Vergabeunterlagen klar definiert werden, insbesondere hinsichtlich der Art der Versicherung und der Deckungssumme. Die Deckungssumme sollte in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsvolumen und den potenziellen Risiken stehen.
Der Nachweis des Versicherungsschutzes kann durch eine Versicherungsbestätigung oder eine Police erfolgen. In der Praxis werden oft Eigenerklärungen akzeptiert, die bei Bedarf durch entsprechende Nachweise belegt werden müssen.
Bonitätsnachweise:
Bonitätsnachweise belegen die finanzielle Stabilität und Leistungsfähigkeit des Bieters. Sie dienen dazu, das Risiko einer Insolvenz während der Auftragsausführung zu minimieren. Im Baubereich sind insbesondere folgende Bonitätsnachweise relevant:
1. Bankauskünfte: Sie geben Auskunft über die Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit des Bieters.
2. Jahresabschlüsse: Sie geben Auskunft über die wirtschaftliche Situation des Bieters, insbesondere über Umsatz, Gewinn, Eigenkapital und Verbindlichkeiten.
3. Umsatzzahlen: Sie belegen die Größe und wirtschaftliche Aktivität des Bieters.
4. Bonitätsauskünfte von Auskunfteien: Sie geben eine unabhängige Einschätzung der Kreditwürdigkeit des Bieters, etwa durch Schufa, Creditreform oder Bürgel.
Die Anforderungen an die Bonitätsnachweise sollten in den Vergabeunterlagen klar definiert werden, insbesondere hinsichtlich der Art der Nachweise und der Mindestanforderungen. Die Mindestanforderungen sollten in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsvolumen stehen und keine unverhältnismäßigen Hürden darstellen.
Der Nachweis der Bonität kann durch entsprechende Dokumente oder durch Eigenerklärungen erfolgen, die bei Bedarf durch Nachweise belegt werden müssen.
Praktische Bedeutung:
Versicherungs- und Bonitätsnachweise haben in der Praxis eine große Bedeutung, da sie wesentliche Aspekte der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bieters belegen. Ein Unternehmen ohne ausreichenden Versicherungsschutz oder mit finanziellen Schwierigkeiten stellt ein erhebliches Risiko für den Auftraggeber dar.
Gleichzeitig stellen diese Nachweise für die Bieter einen gewissen Aufwand dar, insbesondere wenn detaillierte Dokumente gefordert werden. Die Präqualifikation bietet hier einen Vorteil, da die Nachweise nur einmal jährlich aktualisiert werden müssen.
Für Auftraggeber ist es wichtig, die Anforderungen an Versicherungs- und Bonitätsnachweise verhältnismäßig zu gestalten und nicht mehr Nachweise zu fordern, als für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erforderlich sind. Zudem sollten die Anforderungen klar und eindeutig formuliert werden, um Missverständnisse und Rügen zu vermeiden.
Besonderheiten bei Nachunternehmern und Bietergemeinschaften
Die Einbindung von Nachunternehmern und die Bildung von Bietergemeinschaften sind im Baubereich gängige Praxis, um komplexe Projekte zu realisieren oder spezifische Fachkompetenzen einzubringen. Beide Konstellationen weisen vergaberechtliche Besonderheiten auf, die sowohl von Auftraggebern als auch von Bietern beachtet werden müssen.
Zulässigkeit und Grenzen des Nachunternehmereinsatzes
Der Einsatz von Nachunternehmern (auch Subunternehmer genannt) ist im Baubereich weit verbreitet und grundsätzlich zulässig. Er ermöglicht es Hauptunternehmern, Teile der Leistung an spezialisierte Unternehmen zu vergeben und so von deren Fachwissen und Kapazitäten zu profitieren.
Grundsätzliche Zulässigkeit:
Nach § 4 Abs. 8 VOB/B ist der Auftragnehmer berechtigt, Leistungen an Nachunternehmer zu übertragen, soweit er nicht im Vertrag die Leistung selbst übernommen hat. Diese Regelung spiegelt den Grundsatz wider, dass der Einsatz von Nachunternehmern grundsätzlich zulässig ist, sofern keine vertraglichen Einschränkungen bestehen.
Im Vergabeverfahren kann der Auftraggeber jedoch Einschränkungen für den Nachunternehmereinsatz vorsehen. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/A kann er in den Vergabeunterlagen festlegen, ob und in welchem Umfang Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden dürfen.
Grenzen des Nachunternehmereinsatzes:
Die Grenzen des Nachunternehmereinsatzes können sich aus verschiedenen Quellen ergeben:
1. Vertragliche Einschränkungen: Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen festlegen, dass bestimmte Leistungen vom Hauptunternehmer selbst erbracht werden müssen oder dass der Nachunternehmereinsatz nur in begrenztem Umfang zulässig ist.
2. Wesentliche Leistungen: Nach § 4 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B kann der Auftraggeber verlangen, dass der Auftragnehmer bestimmte wesentliche Leistungen selbst erbringt. Dies dient dazu, sicherzustellen, dass der Hauptunternehmer über die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit verfügt.
3. Eignungsanforderungen: Nachunternehmer müssen die für ihren Leistungsteil erforderliche Eignung besitzen. Der Auftraggeber kann verlangen, dass die Eignung der Nachunternehmer nachgewiesen wird.
4. Zustimmungsvorbehalt: Nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber verlangen, dass ihm die Nachunternehmer rechtzeitig benannt werden und er der Übertragung zustimmen muss. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden.
Diese Grenzen dienen dazu, die Qualität der Leistungserbringung zu sichern und sicherzustellen, dass der Hauptunternehmer die Verantwortung für die Gesamtleistung trägt.
Angabe der Nachunternehmer im Vergabeverfahren:
Im Vergabeverfahren müssen Bieter in der Regel angeben, ob und welche Leistungen sie an Nachunternehmer vergeben wollen. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/A kann der Auftraggeber verlangen, dass die Bieter die Leistungen benennen, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen.
Die Angabe der Nachunternehmer kann auf verschiedene Weise erfolgen:
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Benennung im Angebot: Der Bieter gibt im Angebot an, welche Leistungen er an welche Nachunternehmer vergeben will.
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Benennung auf Anforderung: Der Bieter gibt eine Eigenerklärung ab und benennt die Nachunternehmer nur auf Anforderung des Auftraggebers.
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Benennung vor Zuschlagserteilung: Der Bieter benennt die Nachunternehmer erst vor Zuschlagserteilung, wenn sein Angebot als das wirtschaftlichste ermittelt wurde.
Die Anforderungen an die Angabe der Nachunternehmer sollten in den Vergabeunterlagen klar definiert werden, um Missverständnisse und Rügen zu vermeiden.
Eignungsprüfung bei Nachunternehmern:
Nachunternehmer müssen die für ihren Leistungsteil erforderliche Eignung besitzen. Der Auftraggeber kann verlangen, dass die Eignung der Nachunternehmer nachgewiesen wird, etwa durch:
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Eigenerklärungen: Der Bieter gibt Eigenerklärungen für die Nachunternehmer ab.
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Eignungsnachweise: Der Bieter legt Eignungsnachweise für die Nachunternehmer vor, etwa Referenzen, Qualifikationsnachweise oder Unbedenklichkeitsbescheinigungen.
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Verpflichtungserklärungen: Der Bieter legt Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer vor, in denen diese bestätigen, dass sie im Falle der Auftragsvergabe die entsprechenden Leistungen erbringen werden.
Die Anforderungen an die Eignungsprüfung bei Nachunternehmern sollten verhältnismäßig sein und in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang und zur Bedeutung des Nachunternehmereinsatzes stehen.
Praktische Bedeutung:
Der Nachunternehmereinsatz hat in der Praxis eine große Bedeutung, da er es Hauptunternehmern ermöglicht, komplexe Projekte zu realisieren oder spezifische Fachkompetenzen einzubringen. Gleichzeitig birgt er Risiken für den Auftraggeber, etwa hinsichtlich der Qualität der Leistungserbringung oder der Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards.
Für Auftraggeber ist es daher wichtig, den Nachunternehmereinsatz angemessen zu regeln und zu kontrollieren, ohne unverhältnismäßige Hürden zu schaffen. Für Bieter ist es wichtig, die Anforderungen an den Nachunternehmereinsatz sorgfältig zu prüfen und zu erfüllen, um Ausschlüsse oder Rügen zu vermeiden.
Anforderungen an Bietergemeinschaften
Bietergemeinschaften sind Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmen, die gemeinsam ein Angebot abgeben und im Falle des Zuschlags gemeinsam für die Leistungserbringung verantwortlich sind. Sie ermöglichen es kleineren Unternehmen, sich zusammenzuschließen und so an größeren Projekten teilzunehmen, für die sie allein nicht die erforderliche Kapazität oder Fachkunde hätten.
Grundsätzliche Zulässigkeit:
Bietergemeinschaften sind im Vergaberecht grundsätzlich zulässig und erwünscht, da sie den Wettbewerb fördern und kleineren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A sind Bietergemeinschaften Einzelbietern gleichzustellen.
Der Auftraggeber darf die Bildung von Bietergemeinschaften nicht ohne sachlichen Grund einschränken oder verbieten. Ein solcher Grund könnte etwa vorliegen, wenn die Bildung von Bietergemeinschaften den Wettbewerb einschränken würde, etwa weil nur wenige spezialisierte Unternehmen am Markt tätig sind.
Formale Anforderungen:
Bietergemeinschaften müssen bestimmte formale Anforderungen erfüllen, um am Vergabeverfahren teilnehmen zu können:
1. Bevollmächtigter Vertreter: Die Bietergemeinschaft muss einen bevollmächtigten Vertreter benennen, der sie im Vergabeverfahren und bei der Auftragsausführung vertritt. Dieser Vertreter ist Ansprechpartner für den Auftraggeber und kann rechtsverbindliche Erklärungen für die Bietergemeinschaft abgeben.
2. Gesamtschuldnerische Haftung: Die Mitglieder der Bietergemeinschaft haften gesamtschuldnerisch für die Erfüllung des Auftrags. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber jeden einzelnen Mitglied für die gesamte Leistung in Anspruch nehmen kann.
3. Unterschriften: Das Angebot muss von allen Mitgliedern der Bietergemeinschaft oder vom bevollmächtigten Vertreter unterschrieben werden. Bei elektronischen Angeboten ist eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.
4. Bietergemeinschaftsvereinbarung: Die Bietergemeinschaft sollte eine schriftliche Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit treffen, die die Rechte und Pflichten der Mitglieder regelt. Diese Vereinbarung muss in der Regel nicht mit dem Angebot eingereicht werden, kann aber vom Auftraggeber vor Zuschlagserteilung angefordert werden.
Diese formalen Anforderungen dienen dazu, die Handlungsfähigkeit der Bietergemeinschaft und die Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung sicherzustellen.
Eignungsprüfung bei Bietergemeinschaften:
Bei der Eignungsprüfung von Bietergemeinschaften gelten besondere Regeln:
1. Gesamtbetrachtung: Die Eignung der Bietergemeinschaft wird in der Regel als Ganzes betrachtet. Dies bedeutet, dass die Mitglieder gemeinsam die erforderliche Eignung nachweisen können, auch wenn einzelne Mitglieder für sich genommen nicht alle Eignungskriterien erfüllen.
2. Leistungsbezogene Betrachtung: Bei bestimmten Eignungskriterien, die sich auf spezifische Leistungsteile beziehen, muss das Mitglied, das diesen Leistungsteil erbringen soll, die entsprechende Eignung nachweisen.
3. Ausschlussgründe: Ausschlussgründe, etwa Insolvenz oder Steuerhinterziehung, werden für jedes Mitglied der Bietergemeinschaft separat geprüft. Liegt bei einem Mitglied ein Ausschlussgrund vor, kann dies zum Ausschluss der gesamten Bietergemeinschaft führen.
Die Anforderungen an die Eignungsprüfung bei Bietergemeinschaften sollten in den Vergabeunterlagen klar definiert werden, um Missverständnisse und Rügen zu vermeiden.
Änderungen in der Zusammensetzung:
Änderungen in der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft während des Vergabeverfahrens sind grundsätzlich problematisch, da sie die Gleichbehandlung der Bieter gefährden können. Sie sind nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn ein Mitglied aus der Bietergemeinschaft ausscheidet und die verbleibenden Mitglieder die erforderliche Eignung nachweisen können.
Nach Zuschlagserteilung sind Änderungen in der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft ebenfalls problematisch, da sie eine wesentliche Vertragsänderung darstellen können, die eine Neuvergabe erfordern würde. Sie sind nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn ein Mitglied insolvent wird und die verbleibenden Mitglieder die Leistung ordnungsgemäß erbringen können.
Praktische Bedeutung:
Bietergemeinschaften haben in der Praxis eine große Bedeutung, da sie es kleineren Unternehmen ermöglichen, an größeren Projekten teilzunehmen und so den Wettbewerb fördern. Gleichzeitig stellen sie sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter eine Herausforderung dar:
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Für Auftraggeber: Die Prüfung der Eignung von Bietergemeinschaften ist komplexer als bei Einzelbietern, da mehrere Unternehmen beteiligt sind und die Eignung als Ganzes betrachtet werden muss.
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Für Bieter: Die Bildung einer Bietergemeinschaft erfordert eine sorgfältige Planung und Abstimmung, insbesondere hinsichtlich der Aufgabenverteilung, der Haftung und der Gewinnverteilung.
Trotz dieser Herausforderungen sind Bietergemeinschaften ein wichtiges Instrument, um den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern und den Wettbewerb zu fördern.
Haftungsfragen und Nachweispflichten
Die Haftung und die Nachweispflichten sind wichtige Aspekte bei der Einbindung von Nachunternehmern und der Bildung von Bietergemeinschaften. Sie regeln die Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung und die Anforderungen an die Nachweise, die im Vergabeverfahren zu erbringen sind.
Haftung bei Nachunternehmern:
Bei der Einbindung von Nachunternehmern gelten folgende Haftungsregeln:
1. Verantwortlichkeit des Hauptunternehmers: Der Hauptunternehmer bleibt gegenüber dem Auftraggeber für die gesamte Leistung verantwortlich, auch für die Teile, die von Nachunternehmern erbracht werden. Nach § 4 Abs. 8 Nr. 3 VOB/B haftet der Auftragnehmer für Leistungen von Nachunternehmern wie für eigene Leistungen.
2. Keine direkte Haftung der Nachunternehmer: Zwischen dem Auftraggeber und den Nachunternehmern besteht in der Regel kein direktes Vertragsverhältnis. Die Nachunternehmer haften daher nicht direkt gegenüber dem Auftraggeber, sondern nur gegenüber dem Hauptunternehmer.
3. Regressansprüche: Der Hauptunternehmer kann Regressansprüche gegen Nachunternehmer geltend machen, wenn diese mangelhafte Leistungen erbringen und der Hauptunternehmer dadurch gegenüber dem Auftraggeber haftbar wird.
4. Durchgriffshaftung: In bestimmten Fällen, etwa bei Verstößen gegen Mindestlohnvorschriften, kann eine Durchgriffshaftung bestehen, bei der der Auftraggeber direkt auf Nachunternehmer zugreifen kann.
Diese Haftungsregeln dienen dazu, die Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung klar zu regeln und sicherzustellen, dass der Hauptunternehmer die Gesamtverantwortung trägt.
Haftung bei Bietergemeinschaften:
Bei Bietergemeinschaften gelten folgende Haftungsregeln:
1. Gesamtschuldnerische Haftung: Die Mitglieder einer Bietergemeinschaft haften gesamtschuldnerisch für die Erfüllung des Auftrags. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber jeden einzelnen Mitglied für die gesamte Leistung in Anspruch nehmen kann.
2. Interne Haftungsverteilung: Im Innenverhältnis können die Mitglieder der Bietergemeinschaft eine abweichende Haftungsverteilung vereinbaren, etwa entsprechend ihrem Anteil an der Leistungserbringung. Diese interne Vereinbarung hat jedoch keine Auswirkung auf die gesamtschuldnerische Haftung gegenüber dem Auftraggeber.
3. Haftung bei Ausscheiden eines Mitglieds: Scheidet ein Mitglied aus der Bietergemeinschaft aus, etwa durch Insolvenz, bleiben die verbleibenden Mitglieder gesamtschuldnerisch für die Erfüllung des Auftrags verantwortlich.
Diese Haftungsregeln dienen dazu, die Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung klar zu regeln und sicherzustellen, dass der Auftraggeber einen klaren Ansprechpartner hat.
Nachweispflichten bei Nachunternehmern:
Bei der Einbindung von Nachunternehmern bestehen folgende Nachweispflichten:
1. Benennung der Nachunternehmer: Der Bieter muss in der Regel angeben, welche Leistungen er an welche Nachunternehmer vergeben will. Die Anforderungen an diese Angabe sollten in den Vergabeunterlagen klar definiert werden.
2. Eignungsnachweise: Der Bieter muss in der Regel nachweisen, dass die Nachunternehmer die für ihren Leistungsteil erforderliche Eignung besitzen. Dies kann durch Eigenerklärungen, Eignungsnachweise oder Verpflichtungserklärungen erfolgen.
3. Verpflichtungserklärungen: Der Bieter muss in der Regel Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer vorlegen, in denen diese bestätigen, dass sie im Falle der Auftragsvergabe die entsprechenden Leistungen erbringen werden.
4. Zustimmung des Auftraggebers: Nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber verlangen, dass ihm die Nachunternehmer rechtzeitig benannt werden und er der Übertragung zustimmen muss. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden.
Diese Nachweispflichten dienen dazu, die Eignung und Verfügbarkeit der Nachunternehmer sicherzustellen und dem Auftraggeber Transparenz über die Leistungserbringung zu verschaffen.
Nachweispflichten bei Bietergemeinschaften:
Bei Bietergemeinschaften bestehen folgende Nachweispflichten:
1. Benennung der Mitglieder: Die Bietergemeinschaft muss alle Mitglieder benennen und angeben, welche Leistungen von welchem Mitglied erbracht werden sollen.
2. Bevollmächtigter Vertreter: Die Bietergemeinschaft muss einen bevollmächtigten Vertreter benennen, der sie im Vergabeverfahren und bei der Auftragsausführung vertritt.
3. Eignungsnachweise: Die Bietergemeinschaft muss nachweisen, dass sie als Ganzes die erforderliche Eignung besitzt. Dies kann durch Eigenerklärungen oder Eignungsnachweise der einzelnen Mitglieder erfolgen.
4. Bietergemeinschaftsvereinbarung: Die Bietergemeinschaft sollte eine schriftliche Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit treffen, die die Rechte und Pflichten der Mitglieder regelt. Diese Vereinbarung muss in der Regel nicht mit dem Angebot eingereicht werden, kann aber vom Auftraggeber vor Zuschlagserteilung angefordert werden.
Diese Nachweispflichten dienen dazu, die Handlungsfähigkeit der Bietergemeinschaft und die Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung sicherzustellen.
Praktische Bedeutung:
Die Haftungs- und Nachweispflichten haben in der Praxis eine große Bedeutung, da sie die Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung regeln und sicherstellen, dass der Auftraggeber einen klaren Ansprechpartner hat. Gleichzeitig stellen sie sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter eine Herausforderung dar:
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Für Auftraggeber: Die Prüfung der Nachweise und die Überwachung der Haftung erfordern einen erheblichen Verwaltungsaufwand, insbesondere bei komplexen Projekten mit vielen Nachunternehmern oder bei Bietergemeinschaften mit mehreren Mitgliedern.
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Für Bieter: Die Erfüllung der Nachweispflichten erfordert eine sorgfältige Planung und Dokumentation, insbesondere hinsichtlich der Eignung und Verfügbarkeit der Nachunternehmer oder der Zusammensetzung und Aufgabenverteilung der Bietergemeinschaft.
Trotz dieser Herausforderungen sind die Haftungs- und Nachweispflichten wichtige Instrumente, um die Qualität der Leistungserbringung zu sichern und die Verantwortlichkeit klar zu regeln.
Rechtsschutz im Unterschwellenbereich
Der Rechtsschutz im Vergaberecht ist ein komplexes Thema, das sich im Unterschwellenbereich grundlegend von den Regelungen im Oberschwellenbereich unterscheidet. Während oberhalb der EU-Schwellenwerte ein umfassendes System des Primärrechtsschutzes vor den Vergabekammern und Oberlandesgerichten etabliert ist, sind die Rechtsschutzmöglichkeiten unterhalb der Schwellenwerte deutlich eingeschränkter. In Hessen hat der Landesgesetzgeber mit den Vergabekompetenzstellen (VKS) nach § 18 HVTG und den VOB-Stellen spezifische Nachprüfungsinstanzen geschaffen, die jedoch nicht die gleiche Wirkung entfalten wie die Vergabekammern.
Grundprinzipien des Rechtsschutzes
Das Verständnis der Grundprinzipien des Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich ist entscheidend, um die Möglichkeiten und Grenzen für Bieter und Auftraggeber korrekt einschätzen zu können.
Unterschiede zum Oberschwellenbereich
Der zentrale Unterschied zwischen dem Ober- und Unterschwellenbereich liegt in der Anwendbarkeit des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Dieser Teil, der die §§ 97 ff. GWB umfasst, regelt das Vergaberecht oberhalb der EU-Schwellenwerte und etabliert ein umfassendes System des Primärrechtsschutzes.
Primärrechtsschutz im Oberschwellenbereich:
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Vergabekammern: Zuständig für die Nachprüfung von Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte (§ 155 ff. GWB).
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Nachprüfungsantrag: Bieter können bei vermuteten Vergaberechtsverstößen einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer stellen (§ 160 GWB).
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Aufschiebende Wirkung: Der Nachprüfungsantrag hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung, d.h. der Auftraggeber darf den Zuschlag bis zur Entscheidung der Vergabekammer nicht erteilen (§ 169 GWB).
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Informations- und Wartepflicht: Der Auftraggeber muss die unterlegenen Bieter vor Zuschlagserteilung informieren und eine Stillhaltefrist von 10 bzw. 15 Tagen einhalten (§ 134 GWB).
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Sofortige Beschwerde: Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zum zuständigen Oberlandesgericht möglich (§ 171 ff. GWB).
Dieses System gewährleistet einen effektiven Primärrechtsschutz, der es Bietern ermöglicht, Vergaberechtsverstöße vor Vertragsschluss geltend zu machen und korrigieren zu lassen.
Eingeschränkter Rechtsschutz im Unterschwellenbereich:
Im Unterschwellenbereich sind die §§ 97 ff. GWB nicht anwendbar. Dies hat zur Folge, dass die oben genannten Instrumente des Primärrechtsschutzes nicht greifen:
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Keine Zuständigkeit der Vergabekammern: Die Vergabekammern sind für Unterschwellenvergaben nicht zuständig.
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Kein formeller Nachprüfungsantrag: Es gibt kein dem § 160 GWB entsprechendes Verfahren.
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Keine aufschiebende Wirkung: Eine Rüge oder Beanstandung hat keine automatisch aufschiebende Wirkung auf den Zuschlag.
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Keine Informations- und Wartepflicht: Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, eine Stillhaltefrist einzuhalten.
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Keine sofortige Beschwerde: Es gibt kein Rechtsmittelverfahren vor den Oberlandesgerichten.
Stattdessen gelten im Unterschwellenbereich die landesrechtlichen Regelungen, in Hessen insbesondere das HVTG und die VOB/A bzw. UVgO. Diese sehen zwar gewisse Nachprüfungsmöglichkeiten vor (VKS, VOB-Stellen), diese erreichen jedoch nicht die Intensität und Wirksamkeit des Primärrechtsschutzes im Oberschwellenbereich.
Fehlender Primärrechtsschutz und seine Folgen
Der fehlende Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich hat weitreichende Konsequenzen für Bieter und Auftraggeber:
Folgen für Bieter:
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Erschwerte Durchsetzung von Rechten: Bieter haben es schwerer, Vergaberechtsverstöße effektiv zu rügen und korrigieren zu lassen, da der Auftraggeber den Zuschlag jederzeit erteilen kann.
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Höhere Bedeutung der Rüge: Die Rüge vor Zuschlagserteilung gewinnt an Bedeutung, da sie oft die einzige Möglichkeit ist, auf Vergaberechtsverstöße hinzuweisen und eine Korrektur zu erreichen.
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Fokus auf Sekundärrechtsschutz: Nach Vertragsschluss bleibt Bietern in der Regel nur der Weg über den Sekundärrechtsschutz, d.h. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor den Zivilgerichten. Dieser Weg ist jedoch oft langwierig, kostspielig und mit hohen Beweishürden verbunden.
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Notwendigkeit aktiven Monitorings: Bieter müssen Vergabeverfahren aktiv beobachten und bei Verdacht auf Verstöße schnell reagieren, um ihre Chancen auf eine Korrektur zu wahren.
Folgen für Auftraggeber:
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Schnellerer Verfahrensabschluss: Auftraggeber können Vergabeverfahren schneller abschließen, da keine Stillhaltefristen einzuhalten sind.
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Geringeres Risiko von Nachprüfungsverfahren: Das Risiko förmlicher Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern entfällt.
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Höheres Risiko von Schadensersatzklagen: Wenn Vergaberechtsverstöße nach Vertragsschluss festgestellt werden, können Auftraggeber mit Schadensersatzklagen konfrontiert werden.
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Bedeutung der Dokumentation: Eine sorgfältige Dokumentation des Vergabeverfahrens ist wichtig, um sich gegen spätere Vorwürfe oder Klagen verteidigen zu können.
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Verantwortung für rechtmäßiges Verfahren: Trotz des eingeschränkten Rechtsschutzes sind Auftraggeber verpflichtet, die vergaberechtlichen Vorschriften einzuhalten und ein faires und transparentes Verfahren durchzuführen.
Der fehlende Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich führt somit zu einer Verschiebung der Risiken und Verantwortlichkeiten. Bieter müssen proaktiver agieren, um ihre Rechte zu wahren, während Auftraggeber trotz geringerer formaler Kontrolle eine hohe Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Verfahren tragen.
Die Rüge als zentrales Instrument
Angesichts des fehlenden Primärrechtsschutzes im Unterschwellenbereich kommt der Rüge eine zentrale Bedeutung zu. Sie ist oft die einzige Möglichkeit für Bieter, auf vermeintliche Vergaberechtsverstöße hinzuweisen und eine Korrektur des Verfahrens zu erreichen, bevor der Zuschlag erteilt wird.
Rügepflicht und -fristen („unverzüglich“)
Die Rügepflicht ergibt sich aus § 21 VOB/A bzw. § 8 UVgO. Danach müssen Bieter vermeintliche Verstöße gegen Vergabevorschriften unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber rügen.
Rügepflicht als Voraussetzung für weiteren Rechtsschutz:
Die Rüge ist nicht nur eine Obliegenheit, sondern in der Regel auch Voraussetzung für die spätere Geltendmachung von Ansprüchen, sei es im Rahmen einer Beanstandung bei der VKS/VOB-Stelle oder einer Schadensersatzklage vor den Zivilgerichten. Wer einen Verstoß erkennt, aber nicht rügt, verwirkt in der Regel seine Rechte.
Zeitpunkt der Rüge: „unverzüglich“
Die Rüge muss „unverzüglich“ erfolgen, nachdem der Bieter den Verstoß erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Der Begriff „unverzüglich“ bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 BGB) und wird in der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt.
In der Praxis bedeutet dies, dass die Rüge in der Regel innerhalb weniger Tage, oft nur 1-3 Werktage, nach Kenntniserlangung des Verstoßes erfolgen muss. Eine längere Frist wird nur in Ausnahmefällen akzeptiert, etwa wenn der Verstoß besonders komplex ist oder eine umfangreiche Prüfung erfordert.
Die kurze Rügefrist stellt eine erhebliche Herausforderung für Bieter dar. Sie müssen Vergabeverfahren aktiv beobachten, Vergabeunterlagen sorgfältig prüfen und bei Verdacht auf Verstöße schnell reagieren.
Kenntnis des Verstoßes:
Die Rügefrist beginnt zu laufen, sobald der Bieter den Verstoß erkannt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Dies bedeutet:
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Erkannte Verstöße: Wenn der Bieter einen Verstoß positiv erkennt, etwa durch einen offensichtlichen Fehler in den Vergabeunterlagen, beginnt die Frist sofort zu laufen.
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Erkennbare Verstöße: Auch wenn der Bieter den Verstoß nicht positiv erkennt, aber bei sorgfältiger Prüfung der Vergabeunterlagen hätte erkennen müssen, beginnt die Frist zu laufen. Bieter haben also eine Prüfungsobliegenheit.
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Verstöße im Verfahrensablauf: Bei Verstößen, die sich erst im Laufe des Verfahrens ergeben, etwa bei der Beantwortung von Bieterfragen oder bei der Angebotswertung, beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Bieter von dem Verstoß Kenntnis erlangt.
Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Rüge liegt beim Bieter. Es empfiehlt sich daher, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung und die Absendung der Rüge sorgfältig zu dokumentieren.
Formale und inhaltliche Anforderungen
Damit eine Rüge wirksam ist, muss sie bestimmte formale und inhaltliche Anforderungen erfüllen.
Formale Anforderungen:
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Schriftform: Die Rüge sollte aus Beweisgründen schriftlich erfolgen, etwa per Brief, Fax oder E-Mail. Eine mündliche Rüge ist zwar theoretisch möglich, aber schwer nachweisbar.
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Adressat: Die Rüge muss an den Auftraggeber gerichtet sein, nicht an Dritte wie Planungsbüros oder Berater.
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Absender: Der Absender der Rüge muss klar erkennbar sein.
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Zeitpunkt: Die Rüge muss unverzüglich erfolgen (siehe oben).
Inhaltliche Anforderungen:
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Konkrete Bezeichnung des Verstoßes: Die Rüge muss den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß konkret bezeichnen. Allgemeine Unmutsäußerungen oder pauschale Kritik reichen nicht aus.
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Darlegung des Sachverhalts: Der Sachverhalt, aus dem sich der Verstoß ergibt, sollte kurz dargelegt werden.
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Begründung: Die Rüge sollte zumindest ansatzweise begründen, warum der Bieter einen Verstoß gegen Vergabevorschriften annimmt. Eine umfassende juristische Begründung ist jedoch nicht erforderlich.
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Abhilfeverlangen: Die Rüge sollte erkennen lassen, dass der Bieter eine Korrektur des Verfahrens bzw. Abhilfe begehrt.
Je präziser die Rüge formuliert ist, desto größer sind die Chancen, dass der Auftraggeber sie ernst nimmt und darauf reagiert. Eine gut formulierte Rüge kann dazu beitragen, Missverständnisse auszuräumen und eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Strategische Überlegungen zur Rügeformulierung
Die Formulierung einer Rüge erfordert strategisches Geschick. Einerseits muss die Rüge klar und deutlich sein, um den Verstoß zu benennen und den Auftraggeber zum Handeln aufzufordern. Andererseits sollte sie nicht unnötig konfrontativ sein, um die Chancen auf eine einvernehmliche Lösung nicht zu verbauen.
Strategische Aspekte:
1. Frühzeitigkeit: Je früher die Rüge erfolgt, desto größer sind die Chancen auf eine Korrektur. Eine Rüge kurz vor Ablauf der Angebotsfrist oder kurz vor Zuschlagserteilung hat oft geringere Erfolgsaussichten.
2. Konkretheit: Eine konkrete Rüge, die den Verstoß genau benennt und begründet, ist wirksamer als eine pauschale Rüge.
3. Sachlichkeit: Die Rüge sollte sachlich und höflich formuliert sein, auch wenn der Bieter verärgert ist. Persönliche Angriffe oder unsachliche Kritik sind zu vermeiden.
4. Lösungsorientierung: Die Rüge sollte nicht nur den Verstoß benennen, sondern auch Lösungsvorschläge unterbreiten oder zumindest die Bereitschaft zur Klärung signalisieren.
5. Dokumentation: Die Rüge und die Reaktion des Auftraggebers sollten sorgfältig dokumentiert werden, um bei Bedarf Beweise für spätere Verfahren zu haben.
6. Rechtlicher Rat: Bei komplexen Verstößen oder wenn der Auftraggeber nicht auf die Rüge reagiert, sollte frühzeitig rechtlicher Rat eingeholt werden.
Reaktion des Auftraggebers:
Der Auftraggeber ist verpflichtet, auf eine Rüge zu reagieren. Er muss prüfen, ob die Rüge berechtigt ist, und dem Bieter seine Entscheidung mitteilen.
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Abhilfe: Wenn der Auftraggeber die Rüge für berechtigt hält, muss er dem Verstoß abhelfen, etwa durch Korrektur der Vergabeunterlagen, Verlängerung von Fristen oder Wiederholung von Verfahrensschritten.
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Nichtabhilfe: Wenn der Auftraggeber die Rüge für unberechtigt hält, muss er dies dem Bieter mitteilen und seine Entscheidung begründen.
Die Reaktion des Auftraggebers ist entscheidend für das weitere Vorgehen des Bieters. Hilft der Auftraggeber der Rüge nicht ab, kann der Bieter weitere Schritte einleiten, etwa eine Beanstandung bei der VKS/VOB-Stelle oder eine Schadensersatzklage.
Vergabekompetenzstellen (VKS) nach § 18 HVTG
In Hessen hat der Landesgesetzgeber mit den Vergabekompetenzstellen (VKS) nach § 18 HVTG eine spezifische Nachprüfungsinstanz für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich geschaffen. Die VKS bieten Bietern die Möglichkeit, vermeintliche Vergaberechtsverstöße kostenlos und relativ unbürokratisch überprüfen zu lassen.
Zuständigkeit und Verfahrensablauf
Zuständigkeit:
Die Zuständigkeit der VKS ist in § 18 Abs. 1 HVTG geregelt. Sie sind zuständig für die Nachprüfung von Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber in Hessen, wenn:
1. der geschätzte Auftragswert bei Bauleistungen 250.000 Euro übersteigt oder 2. der geschätzte Auftragswert bei Liefer- und Dienstleistungen 50.000 Euro übersteigt.
Unterhalb dieser Wertgrenzen sind die VOB-Stellen nach § 21 VOB/A zuständig (siehe unten).
Die VKS sind bei den drei Regierungspräsidien in Darmstadt, Gießen und Kassel sowie bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main (für Vergaben des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen) angesiedelt. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des Auftraggebers bzw. dem Ort der Leistungserbringung.
Verfahrensablauf:
Das Verfahren vor der VKS ist in § 18 HVTG geregelt und läuft typischerweise wie folgt ab:
1. Antragstellung: Der Bieter stellt einen schriftlichen Antrag auf Nachprüfung bei der zuständigen VKS. Voraussetzung ist, dass er den Verstoß zuvor unverzüglich beim Auftraggeber gerügt hat und dieser der Rüge nicht abgeholfen hat.
2. Prüfung der Zulässigkeit: Die VKS prüft zunächst, ob der Antrag zulässig ist, insbesondere ob die Zuständigkeit gegeben ist, die Rügeobliegenheit erfüllt wurde und der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.
3. Stellungnahme des Auftraggebers: Die VKS fordert den Auftraggeber zur Stellungnahme auf und bittet um Übersendung der Vergabeakte.
4. Prüfung der Begründetheit: Die VKS prüft den Sachverhalt und die Rechtslage anhand der Vergabeakte und der Stellungnahmen der Beteiligten. Sie kann weitere Ermittlungen durchführen, etwa Zeugen befragen oder Gutachten einholen.
5. Empfehlung: Nach Abschluss der Prüfung erlässt die VKS eine schriftliche Empfehlung an den Auftraggeber. Diese Empfehlung enthält eine Bewertung des Sachverhalts und eine Aussage darüber, ob ein Vergaberechtsverstoß vorliegt und welche Maßnahmen zur Abhilfe geeignet sind.
6. Reaktion des Auftraggebers: Der Auftraggeber ist nicht rechtlich, aber politisch an die Empfehlung gebunden. Er muss der VKS mitteilen, ob er der Empfehlung folgt oder nicht. Wenn er der Empfehlung nicht folgt, muss er dies begründen.
Das Verfahren vor der VKS ist kostenlos und soll zügig durchgeführt werden. Eine feste Frist für die Entscheidung gibt es jedoch nicht.
Zuschlagsstopp:
Nach § 18 Abs. 3 HVTG kann die VKS den Auftraggeber auffordern, den Zuschlag bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens, längstens jedoch für 14 Tage, auszusetzen. Dieser Zuschlagsstopp ist jedoch nicht automatisch mit der Antragstellung verbunden, sondern liegt im Ermessen der VKS. In der Praxis wird er nur selten angeordnet.
Antragstellung und Fristen
Die Antragstellung bei der VKS unterliegt bestimmten Voraussetzungen und Fristen.
Voraussetzungen für die Antragstellung:
1. Zuständigkeit der VKS: Der Auftragswert muss die in § 18 Abs. 1 HVTG genannten Schwellenwerte überschreiten.
2. Antragsbefugnis: Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung seiner Rechte durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht.
3. Rügeobliegenheit: Der Bieter muss den Verstoß zuvor unverzüglich beim Auftraggeber gerügt haben (§ 18 Abs. 2 HVTG).
4. Nichtabhilfe: Der Auftraggeber darf der Rüge nicht abgeholfen haben.
Frist für die Antragstellung:
Der Antrag auf Nachprüfung muss vor Zuschlagserteilung bei der VKS eingehen (§ 18 Abs. 2 HVTG). Nach Zuschlagserteilung ist ein Antrag bei der VKS nicht mehr möglich.
Diese kurze Frist stellt eine erhebliche Hürde für Bieter dar, da sie oft erst spät von der Ablehnung ihres Angebots erfahren und der Auftraggeber den Zuschlag jederzeit erteilen kann. Bieter müssen daher das Vergabeverfahren aktiv beobachten und bei Verdacht auf Verstöße schnell handeln.
Inhalt des Antrags:
Der Antrag auf Nachprüfung sollte schriftlich erfolgen und folgende Angaben enthalten:
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Bezeichnung des Auftraggebers und des Vergabeverfahrens
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Name und Anschrift des Antragstellers
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Darlegung des Interesses am Auftrag
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Konkrete Bezeichnung des vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes
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Darlegung des Sachverhalts
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Nachweis der Rüge beim Auftraggeber und der Nichtabhilfe
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Antrag auf Nachprüfung und ggf. auf Anordnung eines Zuschlagsstopps
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Beifügung relevanter Unterlagen (z.B. Rüge, Antwort des Auftraggebers, Angebot)
Ein sorgfältig begründeter Antrag erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Nachprüfung.
Rechtliche Wirkung der Empfehlungen
Ein zentraler Unterschied zu den Entscheidungen der Vergabekammern im Oberschwellenbereich ist die rechtliche Wirkung der Empfehlungen der VKS.
Keine rechtliche Bindungswirkung:
Die Empfehlungen der VKS sind rechtlich nicht bindend. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, der Empfehlung zu folgen. Er kann den Zuschlag auch dann erteilen, wenn die VKS einen Vergaberechtsverstoß festgestellt und Abhilfe empfohlen hat.
Faktische Bindungswirkung:
Trotz fehlender rechtlicher Bindungswirkung haben die Empfehlungen der VKS in der Praxis eine erhebliche faktische Bedeutung:
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Politische Wirkung: Die Empfehlungen werden in der Regel von erfahrenen Vergaberechtsexperten erstellt und haben daher fachliches Gewicht. Ein Auftraggeber, der eine Empfehlung ignoriert, setzt sich dem Vorwurf aus, vergaberechtswidrig zu handeln.
-
Signalwirkung: Eine negative Empfehlung der VKS kann ein Signal für den Bieter sein, weitere rechtliche Schritte einzuleiten, etwa eine Schadensersatzklage.
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Interne Wirkung: Innerhalb der Verwaltung können Empfehlungen der VKS dazu führen, dass Vergabeverfahren überprüft und verbessert werden.
In der Praxis folgen Auftraggeber den Empfehlungen der VKS daher häufig, auch wenn sie rechtlich nicht dazu verpflichtet sind.
Informationspflicht des Auftraggebers:
Nach § 18 Abs. 4 HVTG muss der Auftraggeber der VKS und dem Antragsteller mitteilen, ob er der Empfehlung folgt oder nicht. Wenn er der Empfehlung nicht folgt, muss er dies begründen.
Diese Informationspflicht dient der Transparenz und ermöglicht es dem Bieter, das weitere Vorgehen zu planen.
Praxisbeispiel: Erfolgreiche VKS-Beanstandung
Um die praktische Anwendung des VKS-Verfahrens zu veranschaulichen, betrachten wir das Beispiel eines hessischen Bauunternehmens, das an einer öffentlichen Ausschreibung für den Neubau einer Sporthalle teilgenommen hat. Der geschätzte Auftragswert beträgt 3 Millionen Euro und liegt damit über der Zuständigkeitsschwelle der VKS von 250.000 Euro.
Sachverhalt: Das Bauunternehmen gibt ein Angebot ab, das preislich an zweiter Stelle liegt. Nach Abschluss der Wertung erhält es die Information, dass der Zuschlag an den günstigsten Bieter erteilt werden soll. Das Bauunternehmen hat jedoch Zweifel an der Eignung des günstigsten Bieters, da dieser nach seiner Kenntnis nicht über ausreichende Erfahrung mit vergleichbaren Projekten verfügt.
Rüge: Das Bauunternehmen rügt unverzüglich (innerhalb von zwei Tagen nach Information über die beabsichtigte Zuschlagserteilung) beim Auftraggeber die mangelnde Eignung des Konkurrenten und bittet um Überprüfung der Eignungsnachweise.
Nichtabhilfe: Der Auftraggeber weist die Rüge zurück und teilt mit, dass die Eignung des Konkurrenten geprüft wurde und keine Bedenken bestehen. Er kündigt an, den Zuschlag in Kürze zu erteilen.
Antrag bei der VKS: Das Bauunternehmen stellt daraufhin unverzüglich (am nächsten Tag) einen Antrag auf Nachprüfung bei der zuständigen VKS. Im Antrag legt es dar, warum es Zweifel an der Eignung des Konkurrenten hat und bittet um Überprüfung der Eignungsprüfung durch den Auftraggeber. Es beantragt zudem die Anordnung eines Zuschlagsstopps.
Verfahren vor der VKS: Die VKS prüft den Antrag auf Zulässigkeit und fordert den Auftraggeber zur Stellungnahme und Übersendung der Vergabeakte auf. Sie ordnet einen Zuschlagsstopp für 14 Tage an. Nach Prüfung der Vergabeakte und der Stellungnahmen stellt die VKS fest, dass der Auftraggeber die Eignungsprüfung des Konkurrenten nur oberflächlich durchgeführt und widersprüchliche Angaben in den Referenzen nicht aufgeklärt hat.
Empfehlung der VKS: Die VKS erlässt eine Empfehlung an den Auftraggeber, die Eignungsprüfung des Konkurrenten erneut und vertieft durchzuführen und dabei die vom Antragsteller vorgebrachten Zweifel zu berücksichtigen. Sie empfiehlt, den Zuschlag bis zum Abschluss dieser Prüfung auszusetzen.
Reaktion des Auftraggebers: Der Auftraggeber folgt der Empfehlung der VKS und führt eine erneute Eignungsprüfung durch. Dabei stellt er fest, dass der Konkurrent tatsächlich nicht über die erforderliche Erfahrung verfügt. Er schließt das Angebot des Konkurrenten aus und erteilt den Zuschlag an das antragstellende Bauunternehmen, das nun das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
Dieses Praxisbeispiel zeigt, dass das VKS-Verfahren trotz fehlender rechtlicher Bindungswirkung ein wirksames Instrument sein kann, um Vergaberechtsverstöße aufzudecken und zu korrigieren. Voraussetzung ist jedoch, dass der Bieter den Verstoß rechtzeitig erkennt, unverzüglich rügt und schnell einen Antrag bei der VKS stellt.
VOB-Stellen als Nachprüfungsinstanz
Neben den Vergabekompetenzstellen (VKS) nach § 18 HVTG gibt es in Hessen für Bauleistungen unterhalb bestimmter Wertgrenzen die sogenannten VOB-Stellen als weitere Nachprüfungsinstanz. Diese Stellen sind in § 21 VOB/A vorgesehen und bieten Bietern eine zusätzliche Möglichkeit, vermeintliche Vergaberechtsverstöße überprüfen zu lassen.
Anwendungsbereich und Zuständigkeit
Anwendungsbereich:
Die VOB-Stellen sind ausschließlich für die Nachprüfung von Vergabeverfahren für Bauleistungen zuständig. Für Liefer- und Dienstleistungen gibt es keine entsprechende Instanz.
Die Zuständigkeit der VOB-Stellen ist auf Vergabeverfahren unterhalb der Wertgrenzen für die Zuständigkeit der VKS beschränkt. Nach § 18 Abs. 1 HVTG sind die VKS zuständig, wenn der Auftragswert bei Bauleistungen 250.000 Euro übersteigt. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die VOB-Stellen für Bauleistungen bis zu einem Auftragswert von 250.000 Euro zuständig sind.
Zuständigkeit:
Die VOB-Stellen sind in Hessen bei denselben Behörden angesiedelt wie die VKS, nämlich bei den drei Regierungspräsidien in Darmstadt, Gießen und Kassel sowie bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des Auftraggebers bzw. dem Ort der Leistungserbringung.
Die VOB-Stellen sind somit eine spezifische Nachprüfungsinstanz für kleinere Bauvergaben im Unterschwellenbereich.
Verfahrensablauf und Fristen
Das Verfahren vor den VOB-Stellen ist in § 21 VOB/A geregelt und ähnelt dem Verfahren vor den VKS.
Verfahrensablauf:
1. Antragstellung: Der Bieter stellt einen schriftlichen Antrag auf Nachprüfung bei der zuständigen VOB-Stelle. Voraussetzung ist, dass er den Verstoß zuvor unverzüglich beim Auftraggeber gerügt hat und dieser der Rüge nicht abgeholfen hat.
2. Prüfung der Zulässigkeit: Die VOB-Stelle prüft zunächst, ob der Antrag zulässig ist, insbesondere ob die Zuständigkeit gegeben ist, die Rügeobliegenheit erfüllt wurde und der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.
3. Stellungnahme des Auftraggebers: Die VOB-Stelle fordert den Auftraggeber zur Stellungnahme auf und bittet um Übersendung der Vergabeakte.
4. Prüfung der Begründetheit: Die VOB-Stelle prüft den Sachverhalt und die Rechtslage anhand der Vergabeakte und der Stellungnahmen der Beteiligten. Sie kann weitere Ermittlungen durchführen.
5. Entscheidung: Nach Abschluss der Prüfung trifft die VOB-Stelle eine Entscheidung. Anders als die VKS erlässt sie keine Empfehlung, sondern eine förmliche Entscheidung, die jedoch ebenfalls keine rechtliche Bindungswirkung hat.
Das Verfahren vor der VOB-Stelle ist ebenfalls kostenlos und soll zügig durchgeführt werden.
Fristen:
Auch für den Antrag bei der VOB-Stelle gilt, dass er vor Zuschlagserteilung eingehen muss (§ 21 Abs. 1 VOB/A). Nach Zuschlagserteilung ist ein Antrag bei der VOB-Stelle nicht mehr möglich.
Die kurze Frist stellt auch hier eine erhebliche Hürde für Bieter dar.
Praktische Bedeutung für Bieter
Die VOB-Stellen bieten Bietern bei kleineren Bauvergaben eine zusätzliche Möglichkeit, Vergaberechtsverstöße überprüfen zu lassen. Ihre praktische Bedeutung ist jedoch begrenzt:
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Geringere Bekanntheit: Die VOB-Stellen sind oft weniger bekannt als die VKS, sodass Bieter diese Möglichkeit möglicherweise nicht nutzen.
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Fehlende Bindungswirkung: Auch die Entscheidungen der VOB-Stellen sind rechtlich nicht bindend, sodass ihre Wirkung von der Bereitschaft des Auftraggebers abhängt, der Entscheidung zu folgen.
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Kurze Frist: Die kurze Antragsfrist erschwert die Inanspruchnahme der VOB-Stellen.
Dennoch können die VOB-Stellen in Einzelfällen eine sinnvolle Option sein, insbesondere wenn es um spezifische Fragen der VOB/A geht. Sie bieten eine kostenlose und relativ unbürokratische Möglichkeit, eine unabhängige Prüfung des Vergabeverfahrens zu erreichen.
Bieter sollten sich daher über die Existenz und Zuständigkeit der VOB-Stellen informieren und diese Möglichkeit bei Bedarf in Betracht ziehen, insbesondere wenn eine Beanstandung bei der VKS aufgrund der Wertgrenzen nicht möglich ist.
Sekundärrechtsschutz vor den Zivilgerichten
Da der Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich stark eingeschränkt ist und die Nachprüfungsverfahren vor VKS und VOB-Stellen keine rechtliche Bindungswirkung haben, bleibt Bietern oft nur der Weg über den Sekundärrechtsschutz vor den Zivilgerichten. Dieser zielt nicht auf die Korrektur des Vergabeverfahrens, sondern auf Schadensersatz für entgangene Auftragschancen.
Schadensersatzansprüche und ihre Voraussetzungen
Ein Bieter kann Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn der Auftraggeber gegen Vergabevorschriften verstoßen hat und dem Bieter dadurch ein Schaden entstanden ist. Die Rechtsgrundlage für solche Ansprüche ergibt sich aus den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung) in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflichten) und § 311 Abs. 2 BGB (vorvertragliches Schuldverhältnis).
Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch:
1. Vorvertragliches Schuldverhältnis: Zwischen dem Auftraggeber und dem Bieter muss durch die Teilnahme am Vergabeverfahren ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden sein.
2. Verstoß gegen Vergabevorschriften: Der Auftraggeber muss gegen eine Vergabevorschrift verstoßen haben, die auch dem Schutz der Bieterinteressen dient. Dies können sowohl formelle als auch materielle Vorschriften sein.
3. Verschulden: Der Auftraggeber muss den Verstoß verschuldet haben, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Bei öffentlichen Auftraggebern wird Verschulden in der Regel vermutet.
4. Schaden: Dem Bieter muss durch den Verstoß ein Schaden entstanden sein. Dies kann der entgangene Gewinn aus dem Auftrag (positives Interesse) oder die Kosten für die Angebotserstellung (negatives Interesse) sein.
5. Kausalität: Der Vergaberechtsverstoß muss ursächlich für den Schaden gewesen sein. Der Bieter muss darlegen, dass er bei rechtmäßigem Verfahrensablauf eine realistische Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
6. Rügeobliegenheit: Der Bieter muss den Verstoß zuvor unverzüglich gerügt haben, sofern er ihn erkannt hat oder hätte erkennen müssen.
Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist komplex und erfordert eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen.
Umfang des Schadensersatzes:
Der Umfang des Schadensersatzes hängt davon ab, was der Bieter geltend macht:
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Negatives Interesse: Der Bieter kann Ersatz der Kosten verlangen, die ihm durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstanden sind (z.B. Kosten für Angebotserstellung, Reisekosten). Dies setzt voraus, dass das Angebot des Bieters bei rechtmäßigem Verfahren hätte berücksichtigt werden müssen.
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Positives Interesse: Der Bieter kann Ersatz des entgangenen Gewinns verlangen, den er bei Erhalt des Auftrags erzielt hätte. Dies setzt voraus, dass der Bieter bei rechtmäßigem Verfahren den Zuschlag hätte erhalten müssen. Der Nachweis des positiven Interesses ist oft schwierig.
Beweislast und Dokumentationserfordernisse
Die Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen liegt grundsätzlich beim Bieter. Er muss darlegen und beweisen, dass der Auftraggeber gegen Vergabevorschriften verstoßen hat, dass ihm dadurch ein Schaden entstanden ist und dass der Verstoß ursächlich für den Schaden war.
Beweislastverteilung:
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Verstoß gegen Vergabevorschriften: Der Bieter muss den Verstoß darlegen und beweisen. Hierbei kann er auf die Dokumentation des Vergabeverfahrens (Vergabevermerk) zurückgreifen, zu der er Akteneinsicht beantragen kann.
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Verschulden: Das Verschulden des Auftraggebers wird in der Regel vermutet.
-
Schaden: Der Bieter muss die Höhe seines Schadens darlegen und beweisen. Beim negativen Interesse sind dies die Kosten der Angebotserstellung, beim positiven Interesse der entgangene Gewinn.
-
Kausalität: Der Bieter muss darlegen und beweisen, dass er bei rechtmäßigem Verfahren eine realistische Chance auf den Zuschlag gehabt hätte (negatives Interesse) bzw. den Zuschlag hätte erhalten müssen (positives Interesse). Dies ist oft der schwierigste Teil des Nachweises.
Dokumentationserfordernisse:
Um die Beweislast erfüllen zu können, ist eine sorgfältige Dokumentation erforderlich:
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Für Bieter: Dokumentation der Angebotserstellung (Kalkulation, Aufwand), Dokumentation der Rüge und der Kommunikation mit dem Auftraggeber, Sicherung von Beweismitteln (z.B. Vergabeunterlagen, E-Mails).
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Für Auftraggeber: Sorgfältige Dokumentation des gesamten Vergabeverfahrens im Vergabevermerk, um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nachweisen zu können.
Die Dokumentation spielt somit eine entscheidende Rolle bei der Geltendmachung und Abwehr von Schadensersatzansprüchen.
Praxisbeispiele aus der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung zu Schadensersatzansprüchen im Unterschwellenbereich ist vielfältig und kasuistisch. Einige typische Fallkonstellationen sind:
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Ausschluss eines Angebots wegen formaler Mängel: Wenn ein Angebot zu Unrecht wegen formaler Mängel ausgeschlossen wird, kann der Bieter Schadensersatz für die Kosten der Angebotserstellung (negatives Interesse) verlangen, wenn er bei Berücksichtigung seines Angebots eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
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Fehlerhafte Eignungsprüfung: Wenn ein Bieter zu Unrecht wegen mangelnder Eignung ausgeschlossen wird, kann er ebenfalls Schadensersatz für das negative Interesse verlangen.
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Fehlerhafte Wertung: Wenn die Wertung der Angebote fehlerhaft ist und der Zuschlag auf ein Angebot erteilt wird, das nicht das wirtschaftlichste ist, kann der Bieter, der den Zuschlag hätte erhalten müssen, Schadensersatz für den entgangenen Gewinn (positives Interesse) verlangen.
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Verstoß gegen Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz: Wenn der Auftraggeber gegen den Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, etwa durch unklare Vergabeunterlagen oder bevorzugte Behandlung eines Bieters, kann dies ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen.
Die Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage hängen stark von den Umständen des Einzelfalls und der Beweislage ab. Schadensersatzverfahren sind oft langwierig und kostspielig, sodass Bieter sorgfältig abwägen sollten, ob sie diesen Weg beschreiten wollen.
Der Sekundärrechtsschutz vor den Zivilgerichten stellt somit eine wichtige, aber oft schwierige Möglichkeit dar, um gegen Vergaberechtsverstöße im Unterschwellenbereich vorzugehen. Er erfordert eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen, eine umfassende Dokumentation und oft einen langen Atem.
Fristenmanagement im Vergabeverfahren
Das Fristenmanagement ist ein zentraler Aspekt jedes Vergabeverfahrens. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Fristen ist sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter von entscheidender Bedeutung, um rechtssichere Verfahren durchzuführen und erfolgreich an Ausschreibungen teilzunehmen. Im Unterschwellenbereich in Hessen gelten spezifische Regelungen, die sich von denen im Oberschwellenbereich unterscheiden und die es zu beachten gilt.
Übersicht der relevanten Fristen
Im Unterschwellenbereich in Hessen sind verschiedene Fristen zu beachten, die sich aus der VOB/A, der UVgO und dem HVTG ergeben. Diese Fristen betreffen unterschiedliche Phasen des Vergabeverfahrens und richten sich sowohl an Auftraggeber als auch an Bieter.
Fristen für Auftraggeber
Bekanntmachungsfristen:
Die Bekanntmachungsfristen regeln, wie lange eine Ausschreibung vor Ablauf der Angebotsfrist bekannt gemacht werden muss. Sie sollen sicherstellen, dass potenzielle Bieter ausreichend Zeit haben, um die Vergabeunterlagen zu prüfen und ein Angebot zu erstellen.
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Öffentliche Ausschreibung nach VOB/A: Nach § 10 Abs. 1 VOB/A müssen die Angebotsfrist und der Eröffnungstermin in der Bekanntmachung angegeben werden. Eine Mindestfrist ist nicht explizit vorgeschrieben, jedoch muss die Frist angemessen sein.
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Beschränkte Ausschreibung nach VOB/A: Bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb muss die Bewerbungsfrist angemessen sein. Für die anschließende Angebotsphase gilt dasselbe wie bei der öffentlichen Ausschreibung.
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Öffentliche Ausschreibung nach UVgO: Nach § 13 Abs. 1 UVgO muss die Angebotsfrist angemessen sein. Eine Mindestfrist ist nicht explizit vorgeschrieben.
-
Beschränkte Ausschreibung nach UVgO: Bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb muss die Bewerbungsfrist nach § 10 Abs. 1 UVgO angemessen sein. Für die anschließende Angebotsphase gilt dasselbe wie bei der öffentlichen Ausschreibung.
-
Verhandlungsvergabe: Bei der Verhandlungsvergabe sind keine spezifischen Fristen vorgeschrieben, jedoch sollten auch hier angemessene Fristen gewährt werden.
Was „angemessen“ ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Komplexität des Auftrags, dem erforderlichen Aufwand für die Angebotserstellung und der Notwendigkeit einer Ortsbesichtigung. In der Praxis werden oft folgende Richtwerte verwendet:
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Einfache Aufträge: 10-14 Kalendertage
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Mittlere Komplexität: 14-21 Kalendertage
-
Komplexe Aufträge: 21-30 Kalendertage oder mehr
Zuschlagsfrist:
Die Zuschlagsfrist ist der Zeitraum, innerhalb dessen der Auftraggeber den Zuschlag erteilen muss und innerhalb dessen die Bieter an ihre Angebote gebunden sind.
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Nach VOB/A: Nach § 10 Abs. 4 VOB/A soll die Zuschlagsfrist so kurz wie möglich und nicht länger als nötig bemessen werden. Sie soll in der Regel 30 Kalendertage nicht überschreiten.
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Nach UVgO: Nach § 13 Abs. 3 UVgO soll die Zuschlagsfrist so kurz wie möglich und nicht länger als nötig bemessen werden. Eine konkrete Höchstfrist ist nicht vorgeschrieben.
Die Zuschlagsfrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist und endet mit dem angegebenen Datum. Innerhalb dieser Frist muss der Auftraggeber den Zuschlag erteilen, andernfalls sind die Bieter nicht mehr an ihre Angebote gebunden.
Bindefrist:
Die Bindefrist ist identisch mit der Zuschlagsfrist und bezeichnet den Zeitraum, innerhalb dessen die Bieter an ihre Angebote gebunden sind. Sie dient dazu, dem Auftraggeber ausreichend Zeit für die Prüfung und Wertung der Angebote zu geben.
Informationspflichten:
Im Unterschwellenbereich bestehen keine gesetzlichen Informationspflichten vor Zuschlagserteilung, wie sie im Oberschwellenbereich nach § 134 GWB vorgeschrieben sind. Dennoch ist es gute Praxis, die unterlegenen Bieter vor Zuschlagserteilung zu informieren und eine angemessene Frist für Rückfragen oder Rügen einzuräumen.
Fristen für Bieter
Angebotsfrist:
Die Angebotsfrist ist der Zeitraum, innerhalb dessen die Bieter ihre Angebote einreichen müssen. Sie wird vom Auftraggeber in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegt.
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Nach VOB/A: Nach § 10 Abs. 1 VOB/A muss die Angebotsfrist angemessen sein. Die Angebote müssen bis zum Ablauf der Angebotsfrist beim Auftraggeber eingegangen sein.
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Nach UVgO: Nach § 13 Abs. 1 UVgO muss die Angebotsfrist angemessen sein. Auch hier müssen die Angebote bis zum Ablauf der Angebotsfrist beim Auftraggeber eingegangen sein.
Die Angebotsfrist ist eine Ausschlussfrist. Angebote, die nach Ablauf der Frist eingehen, sind grundsätzlich auszuschließen, es sei denn, die Verspätung ist nachweislich nicht vom Bieter zu vertreten.
Bewerbungsfrist:
Bei Verfahren mit Teilnahmewettbewerb (beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb, Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb) gibt es eine Bewerbungsfrist, innerhalb derer die Unternehmen ihre Teilnahmeanträge einreichen müssen.
-
Nach VOB/A: Bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb muss die Bewerbungsfrist angemessen sein.
-
Nach UVgO: Nach § 10 Abs. 1 UVgO muss die Bewerbungsfrist angemessen sein.
Auch die Bewerbungsfrist ist eine Ausschlussfrist. Teilnahmeanträge, die nach Ablauf der Frist eingehen, sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
Rügefrist:
Die Rügefrist ist der Zeitraum, innerhalb dessen Bieter vermeintliche Vergaberechtsverstöße rügen müssen. Sie ergibt sich aus dem Erfordernis der „unverzüglichen“ Rüge nach § 21 VOB/A bzw. § 8 UVgO.
-
„Unverzüglich“: Die Rüge muss „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 BGB) erfolgen, nachdem der Bieter den Verstoß erkannt hat oder hätte erkennen müssen. In der Praxis bedeutet dies in der Regel innerhalb weniger Tage, oft nur 1-3 Werktage.
Die Rügefrist ist keine feste Frist, sondern hängt vom Einzelfall ab. Sie beginnt mit der Kenntniserlangung des Verstoßes und endet mit der Zuschlagserteilung. Nach Zuschlagserteilung ist eine Rüge grundsätzlich nicht mehr möglich.
Besonderheiten bei elektronischer Vergabe
Die elektronische Vergabe hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist auch im Unterschwellenbereich in Hessen weit verbreitet. Sie bietet zahlreiche Vorteile, stellt aber auch besondere Anforderungen an das Fristenmanagement.
Elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen
Die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen ist ein zentraler Aspekt der elektronischen Vergabe. Sie ermöglicht es Bietern, die Unterlagen schnell und unkompliziert abzurufen, und erleichtert dem Auftraggeber die Verwaltung und Aktualisierung der Unterlagen.
Rechtliche Grundlagen:
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Nach VOB/A: Nach § 11 Abs. 1 VOB/A sind die Vergabeunterlagen den Unternehmen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Eine elektronische Bereitstellung ist möglich und in der Praxis üblich.
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Nach UVgO: Nach § 11 Abs. 1 UVgO sind die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt über eine elektronische Adresse abrufbar zu machen. Die elektronische Bereitstellung ist somit verpflichtend.
Praktische Umsetzung:
Die elektronische Bereitstellung erfolgt in der Regel über Vergabeplattformen wie den Vergabemarktplatz Hessen (HAD), die Vergabeplattform des Bundes (eVergabe) oder private Plattformen wie Subreport, AI Vergabeportal oder VergabeManager. Diese Plattformen bieten verschiedene Funktionen:
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Bereitstellung der Vergabeunterlagen: Die Unterlagen können als PDF-Dateien oder in anderen Formaten hochgeladen und für Bieter zum Download bereitgestellt werden.
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Bieterkommunikation: Bieter können Fragen zu den Vergabeunterlagen stellen, die vom Auftraggeber beantwortet werden. Die Fragen und Antworten sind für alle Bieter sichtbar.
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Aktualisierung der Unterlagen: Bei Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen können diese einfach aktualisiert werden. Die Bieter werden automatisch über Änderungen informiert.
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Angebotsabgabe: Die Bieter können ihre Angebote elektronisch über die Plattform einreichen.
Die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen hat Auswirkungen auf die Fristen. Da die Unterlagen sofort verfügbar sind, können die Angebotsfristen tendenziell kürzer bemessen werden als bei einer postalischen Versendung. Dennoch müssen die Fristen angemessen sein und den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben.
Elektronische Angebotsabgabe
Die elektronische Angebotsabgabe ist ein weiterer wichtiger Aspekt der elektronischen Vergabe. Sie ermöglicht es Bietern, ihre Angebote schnell und sicher einzureichen, und erleichtert dem Auftraggeber die Verwaltung und Auswertung der Angebote.
Rechtliche Grundlagen:
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Nach VOB/A: Nach § 11 Abs. 4 VOB/A können Angebote auch elektronisch eingereicht werden, wenn der Auftraggeber dies vorsieht. Eine Verpflichtung zur elektronischen Angebotsabgabe besteht nicht.
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Nach UVgO: Nach § 38 Abs. 1 UVgO sind Angebote grundsätzlich in Textform nach § 126b BGB mithilfe elektronischer Mittel einzureichen. Der Auftraggeber kann jedoch Ausnahmen zulassen.
Praktische Umsetzung:
Die elektronische Angebotsabgabe erfolgt in der Regel über dieselben Vergabeplattformen, über die auch die Vergabeunterlagen bereitgestellt werden. Diese Plattformen bieten verschiedene Funktionen:
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Formularbasierte Angebotsabgabe: Die Bieter können ihre Angebote über Formulare auf der Plattform einreichen. Die Plattform prüft automatisch die Vollständigkeit und Plausibilität der Angaben.
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Upload von Dokumenten: Die Bieter können ihre Angebote als PDF-Dateien oder in anderen Formaten hochladen. Die Plattform prüft die Dateien auf Viren und stellt sicher, dass sie den Anforderungen entsprechen.
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Verschlüsselung: Die Angebote werden verschlüsselt übertragen und gespeichert, um die Vertraulichkeit zu gewährleisten.
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Zeitstempel: Die Plattform versieht die Angebote mit einem Zeitstempel, der den genauen Zeitpunkt der Einreichung dokumentiert.
Die elektronische Angebotsabgabe hat Auswirkungen auf die Fristen. Da die Angebote sofort übermittelt werden, entfällt die Postlaufzeit. Dennoch müssen die Fristen angemessen sein und den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben.
Besonderheiten bei der Fristberechnung:
Bei der elektronischen Angebotsabgabe sind einige Besonderheiten bei der Fristberechnung zu beachten:
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Maßgeblicher Zeitpunkt: Maßgeblich für die Einhaltung der Angebotsfrist ist der Zeitpunkt des Eingangs des Angebots auf der Vergabeplattform, nicht der Zeitpunkt der Absendung durch den Bieter.
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Technische Probleme: Bei technischen Problemen auf Seiten des Bieters (z.B. Internetausfall, Computerprobleme) trägt grundsätzlich der Bieter das Risiko. Bei technischen Problemen auf Seiten des Auftraggebers oder der Vergabeplattform trägt der Auftraggeber das Risiko und muss ggf. die Angebotsfrist verlängern.
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Zeitzone: Bei der Fristberechnung ist die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegebene Zeitzone maßgeblich. In der Regel ist dies die mitteleuropäische Zeit (MEZ) bzw. die mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ).
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Wochenenden und Feiertage: Endet die Angebotsfrist an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so verlängert sie sich nicht automatisch auf den nächsten Werktag. Die Frist endet an dem in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegebenen Tag, auch wenn dies ein Wochenende oder Feiertag ist.
Diese Besonderheiten müssen sowohl von Auftraggebern als auch von Bietern beachtet werden, um Fristversäumnisse und daraus resultierende Nachteile zu vermeiden.
Auswirkungen auf die Fristberechnung
Die elektronische Vergabe hat verschiedene Auswirkungen auf die Fristberechnung, die sowohl Auftraggeber als auch Bieter berücksichtigen müssen.
Verkürzte Fristen:
Durch die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen und die elektronische Angebotsabgabe können die Fristen tendenziell kürzer bemessen werden als bei einer postalischen Versendung. Dies liegt daran, dass die Unterlagen sofort verfügbar sind und die Angebote ohne Postlaufzeit eingereicht werden können.
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Nach VOB/A: Die VOB/A sieht keine explizite Verkürzung der Fristen bei elektronischer Vergabe vor. Die Fristen müssen jedoch angemessen sein, was bei elektronischer Vergabe zu kürzeren Fristen führen kann.
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Nach UVgO: Nach § 13 Abs. 2 UVgO kann die Angebotsfrist bei elektronischer Vergabe verkürzt werden, wenn die Dringlichkeit dies rechtfertigt. Eine konkrete Verkürzungsmöglichkeit ist jedoch nicht vorgeschrieben.
Trotz der Möglichkeit zur Verkürzung müssen die Fristen angemessen sein und den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben. Die Komplexität des Auftrags, der erforderliche Aufwand für die Angebotserstellung und die Notwendigkeit einer Ortsbesichtigung sind dabei zu berücksichtigen.
Technische Anforderungen:
Die elektronische Vergabe stellt besondere technische Anforderungen an Auftraggeber und Bieter, die bei der Fristberechnung zu berücksichtigen sind:
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Registrierung auf Vergabeplattformen: Bieter müssen sich in der Regel auf den Vergabeplattformen registrieren, um auf die Vergabeunterlagen zugreifen und Angebote einreichen zu können. Dies kann Zeit in Anspruch nehmen und sollte bei der Fristbemessung berücksichtigt werden.
-
Technische Ausstattung: Bieter benötigen eine entsprechende technische Ausstattung (Computer, Internetanschluss, ggf. spezielle Software), um an elektronischen Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Nicht alle Bieter verfügen über die gleiche technische Ausstattung, was bei der Fristbemessung zu berücksichtigen ist.
-
Einarbeitungszeit: Bieter, die zum ersten Mal an einem elektronischen Vergabeverfahren teilnehmen, benötigen Zeit, um sich mit der Plattform und den Abläufen vertraut zu machen. Dies sollte bei der Fristbemessung berücksichtigt werden.
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Systemausfälle: Bei Systemausfällen oder technischen Problemen auf Seiten des Auftraggebers oder der Vergabeplattform kann es erforderlich sein, die Fristen zu verlängern. Auftraggeber sollten daher einen Puffer einplanen.
Diese technischen Anforderungen können dazu führen, dass die Fristen trotz der grundsätzlichen Möglichkeit zur Verkürzung nicht zu knapp bemessen werden sollten.
Empfehlungen für die Praxis:
Für die Praxis lassen sich folgende Empfehlungen für die Fristbemessung bei elektronischer Vergabe ableiten:
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Angemessene Fristen: Trotz der Möglichkeit zur Verkürzung sollten die Fristen angemessen sein und den Bietern ausreichend Zeit für die Angebotserstellung geben. Als Richtwerte können die oben genannten Zeiträume dienen.
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Berücksichtigung technischer Anforderungen: Die technischen Anforderungen der elektronischen Vergabe sollten bei der Fristbemessung berücksichtigt werden, insbesondere wenn mit Bietern zu rechnen ist, die wenig Erfahrung mit elektronischen Vergabeverfahren haben.
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Puffer für technische Probleme: Es sollte ein Puffer für technische Probleme eingeplant werden, insbesondere bei komplexen Vergabeverfahren oder wenn mit vielen Angeboten zu rechnen ist.
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Klare Kommunikation: Die Fristen und die technischen Anforderungen sollten klar kommuniziert werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Die elektronische Vergabe bietet zahlreiche Vorteile, stellt aber auch besondere Anforderungen an das Fristenmanagement. Eine sorgfältige Planung und Kommunikation der Fristen ist daher unerlässlich.
Fristverlängerungen und ihre Voraussetzungen
In bestimmten Situationen kann es erforderlich sein, die im Vergabeverfahren gesetzten Fristen zu verlängern. Dies kann sowohl im Interesse des Auftraggebers als auch der Bieter sein.
Gründe für Fristverlängerungen
Es gibt verschiedene Gründe, die eine Verlängerung der Fristen rechtfertigen können:
Änderungen der Vergabeunterlagen:
Wenn der Auftraggeber die Vergabeunterlagen nach deren Bereitstellung ändert oder ergänzt, kann dies eine Verlängerung der Angebotsfrist erforderlich machen. Dies gilt insbesondere, wenn die Änderungen wesentlich sind und die Bieter ihre Angebote anpassen müssen.
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Nach VOB/A: Nach § 10 Abs. 1 VOB/A muss die Angebotsfrist angemessen verlängert werden, wenn die Vergabeunterlagen wesentlich geändert werden.
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Nach UVgO: Nach § 13 Abs. 5 UVgO muss die Angebotsfrist angemessen verlängert werden, wenn die Vergabeunterlagen wesentlich geändert werden.
Die Verlängerung muss so bemessen sein, dass die Bieter ausreichend Zeit haben, ihre Angebote an die geänderten Anforderungen anzupassen. Die Dauer der Verlängerung hängt vom Umfang und der Bedeutung der Änderungen ab.
Bieterfragen und Klarstellungen:
Wenn Bieter Fragen zu den Vergabeunterlagen stellen, die vom Auftraggeber beantwortet werden müssen, kann dies eine Verlängerung der Angebotsfrist rechtfertigen. Dies gilt insbesondere, wenn die Antworten wesentliche Klarstellungen oder Ergänzungen enthalten.
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Nach VOB/A: Die VOB/A enthält keine explizite Regelung zur Verlängerung der Angebotsfrist bei Bieterfragen. Dennoch kann eine Verlängerung erforderlich sein, wenn die Antworten wesentliche Auswirkungen auf die Angebotserstellung haben.
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Nach UVgO: Auch die UVgO enthält keine explizite Regelung zur Verlängerung der Angebotsfrist bei Bieterfragen. Dennoch kann eine Verlängerung erforderlich sein, wenn die Antworten wesentliche Auswirkungen auf die Angebotserstellung haben.
In der Praxis werden Bieterfragen oft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Ablauf der Angebotsfrist zugelassen, um sicherzustellen, dass alle Bieter die Antworten bei der Angebotserstellung berücksichtigen können.
Technische Probleme:
Bei technischen Problemen auf Seiten des Auftraggebers oder der Vergabeplattform kann eine Verlängerung der Fristen erforderlich sein. Dies gilt insbesondere, wenn die Probleme dazu führen, dass Bieter nicht auf die Vergabeunterlagen zugreifen oder ihre Angebote nicht einreichen können.
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Nach VOB/A: Die VOB/A enthält keine explizite Regelung zur Verlängerung der Fristen bei technischen Problemen. Dennoch kann eine Verlängerung erforderlich sein, um die Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten.
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Nach UVgO: Auch die UVgO enthält keine explizite Regelung zur Verlängerung der Fristen bei technischen Problemen. Dennoch kann eine Verlängerung erforderlich sein, um die Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten.
Bei technischen Problemen auf Seiten des Bieters (z.B. Internetausfall, Computerprobleme) trägt grundsätzlich der Bieter das Risiko. Eine Fristverlängerung ist in diesen Fällen in der Regel nicht gerechtfertigt, es sei denn, die Probleme betreffen eine Vielzahl von Bietern.
Komplexität des Auftrags:
Wenn sich im Laufe des Vergabeverfahrens herausstellt, dass der Auftrag komplexer ist als ursprünglich angenommen, kann eine Verlängerung der Angebotsfrist gerechtfertigt sein. Dies gilt insbesondere, wenn die Bieter mehr Zeit für die Angebotserstellung benötigen, um qualitativ hochwertige Angebote abgeben zu können.
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Nach VOB/A: Die VOB/A enthält keine explizite Regelung zur Verlängerung der Angebotsfrist bei komplexen Aufträgen. Dennoch kann eine Verlängerung erforderlich sein, um angemessene Angebote zu erhalten.
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Nach UVgO: Auch die UVgO enthält keine explizite Regelung zur Verlängerung der Angebotsfrist bei komplexen Aufträgen. Dennoch kann eine Verlängerung erforderlich sein, um angemessene Angebote zu erhalten.
Die Verlängerung sollte so bemessen sein, dass die Bieter ausreichend Zeit haben, qualitativ hochwertige Angebote zu erstellen.
Verfahren zur Fristverlängerung
Wenn der Auftraggeber die Fristen verlängern möchte, muss er ein bestimmtes Verfahren einhalten, um die Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten.
Entscheidung über die Verlängerung:
Die Entscheidung über eine Fristverlängerung liegt grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers. Er muss abwägen, ob die Gründe für eine Verlängerung überwiegen oder ob das Vergabeverfahren wie geplant fortgesetzt werden kann.
Bei der Entscheidung sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:
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Bedeutung der Änderungen: Wie wesentlich sind die Änderungen der Vergabeunterlagen oder die Antworten auf Bieterfragen für die Angebotserstellung?
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Zeitpunkt der Änderungen: Wie kurz vor Ablauf der Angebotsfrist wurden die Änderungen vorgenommen oder die Antworten auf Bieterfragen gegeben?
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Auswirkungen auf die Bieter: Wie stark sind die Auswirkungen der Änderungen oder Antworten auf die Angebotserstellung der Bieter?
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Dringlichkeit des Auftrags: Wie dringend ist der Auftrag und welche Auswirkungen hätte eine Verzögerung des Vergabeverfahrens?
Die Entscheidung sollte sorgfältig dokumentiert werden, um sie bei Bedarf nachvollziehen und begründen zu können.
Bekanntgabe der Verlängerung:
Die Fristverlängerung muss allen Bietern in gleicher Weise bekannt gegeben werden. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen:
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Bei elektronischer Vergabe: Über die Vergabeplattform, auf der die Vergabeunterlagen bereitgestellt werden. Die Bieter werden in der Regel automatisch über Änderungen informiert.
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Bei nicht-elektronischer Vergabe: Durch schriftliche Mitteilung an alle Bieter, die die Vergabeunterlagen angefordert haben.
Die Bekanntgabe sollte folgende Informationen enthalten:
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Neue Frist: Die verlängerte Angebotsfrist oder Zuschlagsfrist.
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Grund der Verlängerung: Eine kurze Erläuterung, warum die Frist verlängert wird.
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Auswirkungen auf andere Fristen: Gegebenenfalls Informationen darüber, wie sich die Verlängerung auf andere Fristen (z.B. Zuschlagsfrist) auswirkt.
Die Bekanntgabe sollte so früh wie möglich erfolgen, um den Bietern ausreichend Zeit zu geben, ihre Planungen anzupassen.
Dokumentation:
Die Fristverlängerung und ihre Gründe sollten sorgfältig dokumentiert werden, um sie bei Bedarf nachvollziehen und begründen zu können. Die Dokumentation sollte folgende Informationen enthalten:
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Ursprüngliche Frist: Die ursprünglich festgelegte Angebotsfrist oder Zuschlagsfrist.
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Neue Frist: Die verlängerte Angebotsfrist oder Zuschlagsfrist.
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Grund der Verlängerung: Eine ausführliche Erläuterung, warum die Frist verlängert wurde.
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Bekanntgabe: Informationen darüber, wie und wann die Verlängerung bekannt gegeben wurde.
Die Dokumentation sollte in den Vergabevermerk aufgenommen werden, der das gesamte Vergabeverfahren dokumentiert.
Auswirkungen auf laufende Verfahren
Eine Fristverlängerung kann verschiedene Auswirkungen auf das laufende Vergabeverfahren haben, die sowohl Auftraggeber als auch Bieter berücksichtigen müssen.
Auswirkungen auf die Angebotserstellung:
Eine Verlängerung der Angebotsfrist gibt den Bietern mehr Zeit für die Angebotserstellung. Dies kann verschiedene Auswirkungen haben:
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Qualität der Angebote: Die Bieter haben mehr Zeit, ihre Angebote zu durchdenken und zu optimieren, was zu qualitativ hochwertigeren Angeboten führen kann.
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Preisgestaltung: Die Bieter haben mehr Zeit für die Preiskalkulation, was zu wirtschaftlicheren Angeboten führen kann.
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Teilnahme weiterer Bieter: Durch die Verlängerung können möglicherweise weitere Bieter am Vergabeverfahren teilnehmen, die bei der ursprünglichen Frist keine Zeit für die Angebotserstellung gehabt hätten.
Diese Auswirkungen sind in der Regel positiv für den Auftraggeber, da sie zu einem besseren Wettbewerb und wirtschaftlicheren Angeboten führen können.
Auswirkungen auf die Zuschlagsfrist:
Eine Verlängerung der Angebotsfrist kann auch Auswirkungen auf die Zuschlagsfrist haben:
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Verschiebung des Zuschlags: Wenn die Angebotsfrist verlängert wird, verschiebt sich in der Regel auch der Zeitpunkt des Zuschlags nach hinten.
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Verlängerung der Zuschlagsfrist: In einigen Fällen kann es erforderlich sein, auch die Zuschlagsfrist zu verlängern, etwa wenn die Prüfung und Wertung der Angebote mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich geplant.
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Bindung der Bieter: Die Bieter sind während der Zuschlagsfrist an ihre Angebote gebunden. Eine Verlängerung der Zuschlagsfrist bedeutet daher eine längere Bindung, was für die Bieter nachteilig sein kann.
Der Auftraggeber sollte diese Auswirkungen bei der Entscheidung über eine Fristverlängerung berücksichtigen und gegebenenfalls auch die Zuschlagsfrist anpassen.
Auswirkungen auf den Projektablauf:
Eine Fristverlängerung kann auch Auswirkungen auf den Projektablauf haben:
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Verzögerung des Projektbeginns: Wenn die Angebotsfrist und damit auch der Zuschlag verschoben werden, kann sich der Projektbeginn verzögern.
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Anpassung des Zeitplans: Gegebenenfalls muss der Zeitplan für das Projekt angepasst werden, um die Verzögerung zu berücksichtigen.
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Auswirkungen auf andere Projekte: Die Verzögerung kann auch Auswirkungen auf andere Projekte haben, die mit dem ausgeschriebenen Projekt in Zusammenhang stehen.
Der Auftraggeber sollte diese Auswirkungen bei der Entscheidung über eine Fristverlängerung berücksichtigen und gegebenenfalls den Projektablauf anpassen.
Rechtliche Auswirkungen:
Eine Fristverlängerung kann auch rechtliche Auswirkungen haben:
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Gleichbehandlung der Bieter: Die Fristverlängerung muss allen Bietern in gleicher Weise bekannt gegeben werden, um die Gleichbehandlung zu gewährleisten.
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Transparenz des Verfahrens: Die Gründe für die Fristverlängerung sollten transparent kommuniziert werden, um das Vertrauen in das Vergabeverfahren zu wahren.
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Rechtmäßigkeit des Verfahrens: Eine nicht ordnungsgemäß bekannt gegebene oder nicht ausreichend begründete Fristverlängerung kann die Rechtmäßigkeit des gesamten Vergabeverfahrens in Frage stellen.
Der Auftraggeber sollte diese rechtlichen Auswirkungen bei der Entscheidung über eine Fristverlängerung berücksichtigen und das Verfahren entsprechend gestalten.
Fristversäumnisse und ihre Folgen
Fristversäumnisse können sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter schwerwiegende Folgen haben. Es ist daher wichtig, die Fristen im Vergabeverfahren sorgfältig zu beachten und einzuhalten.
Folgen für Bieter
Wenn Bieter Fristen versäumen, kann dies verschiedene Folgen haben, die von der Art der versäumten Frist abhängen.
Versäumnis der Angebotsfrist:
Wenn ein Bieter die Angebotsfrist versäumt, hat dies in der Regel den Ausschluss seines Angebots zur Folge.
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Nach VOB/A: Nach § 16 Abs. 3 VOB/A sind Angebote auszuschließen, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind.
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Nach UVgO: Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 UVgO sind Angebote auszuschließen, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind.
Der Ausschluss erfolgt unabhängig davon, ob das Angebot inhaltlich den Anforderungen entspricht oder wirtschaftlich ist. Der Bieter hat keine Möglichkeit, gegen den Ausschluss vorzugehen, es sei denn, die Verspätung ist nachweislich nicht von ihm zu vertreten.
Ausnahmen bei nicht zu vertretender Verspätung:
In Ausnahmefällen kann ein verspätet eingegangenes Angebot berücksichtigt werden, wenn die Verspätung nachweislich nicht vom Bieter zu vertreten ist.
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Nach VOB/A: Die VOB/A enthält keine explizite Regelung zu nicht zu vertretenden Verspätungen. In der Rechtsprechung wird jedoch anerkannt, dass ein Angebot berücksichtigt werden kann, wenn die Verspätung nachweislich nicht vom Bieter zu vertreten ist.
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Nach UVgO: Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 UVgO sind Angebote auszuschließen, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, es sei denn, der Bieter hat dies nicht zu vertreten.
Eine nicht zu vertretende Verspätung kann etwa vorliegen, wenn:
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Das Angebot rechtzeitig abgesandt wurde, aber durch Verzögerungen bei der Post verspätet eingeht.
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Technische Probleme auf Seiten des Auftraggebers oder der Vergabeplattform die rechtzeitige Einreichung verhindern.
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Höhere Gewalt (z.B. Naturkatastrophen, Streiks) die rechtzeitige Einreichung verhindert.
Der Bieter trägt die Beweislast dafür, dass die Verspätung nicht von ihm zu vertreten ist. Er sollte daher den Versand des Angebots sorgfältig dokumentieren und bei technischen Problemen sofort den Auftraggeber informieren.
Versäumnis der Rügefrist:
Wenn ein Bieter die Rügefrist versäumt, kann er den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß in der Regel nicht mehr geltend machen.
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Nach VOB/A: Nach § 21 VOB/A müssen Bieter vermeintliche Verstöße gegen Vergabevorschriften unverzüglich rügen. Wer einen Verstoß erkennt, aber nicht rügt, verwirkt in der Regel seine Rechte.
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Nach UVgO: Nach § 8 UVgO müssen Bieter vermeintliche Verstöße gegen Vergabevorschriften unverzüglich rügen. Auch hier gilt, dass wer einen Verstoß erkennt, aber nicht rügt, in der Regel seine Rechte verwirkt.
Die Versäumung der Rügefrist kann dazu führen, dass der Bieter keine Möglichkeit mehr hat, gegen den Verstoß vorzugehen, sei es im Rahmen einer Beanstandung bei der VKS/VOB-Stelle oder einer Schadensersatzklage.
Versäumnis der Bewerbungsfrist:
Bei Verfahren mit Teilnahmewettbewerb kann die Versäumung der Bewerbungsfrist dazu führen, dass der Bieter nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert wird.
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Nach VOB/A: Bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb werden Teilnahmeanträge, die nach Ablauf der Bewerbungsfrist eingehen, grundsätzlich nicht berücksichtigt.
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Nach UVgO: Nach § 36 Abs. 1 UVgO werden Teilnahmeanträge, die nach Ablauf der Bewerbungsfrist eingehen, grundsätzlich nicht berücksichtigt.
Die Versäumung der Bewerbungsfrist führt somit zum Ausschluss vom weiteren Vergabeverfahren.
Folgen für Auftraggeber
Auch für Auftraggeber können Fristversäumnisse verschiedene Folgen haben, die von der Art der versäumten Frist abhängen.
Versäumnis der Bekanntmachungsfrist:
Wenn der Auftraggeber die Bekanntmachungsfrist nicht einhält, kann dies die Rechtmäßigkeit des gesamten Vergabeverfahrens in Frage stellen.
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Nach VOB/A: Die VOB/A schreibt keine Mindestfrist für die Bekanntmachung vor, jedoch muss die Angebotsfrist angemessen sein. Wenn die Angebotsfrist zu kurz bemessen ist, kann dies einen Vergaberechtsverstoß darstellen.
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Nach UVgO: Auch die UVgO schreibt keine Mindestfrist für die Bekanntmachung vor, jedoch muss die Angebotsfrist angemessen sein. Auch hier kann eine zu kurz bemessene Angebotsfrist einen Vergaberechtsverstoß darstellen.
Ein Verstoß gegen die Angemessenheit der Angebotsfrist kann dazu führen, dass Bieter das Vergabeverfahren rügen und eine Korrektur verlangen. Im schlimmsten Fall kann das Vergabeverfahren aufgehoben und neu durchgeführt werden müssen.
Versäumnis der Zuschlagsfrist:
Wenn der Auftraggeber die Zuschlagsfrist versäumt, sind die Bieter nicht mehr an ihre Angebote gebunden.
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Nach VOB/A: Nach § 10 Abs. 4 VOB/A sind die Bieter bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an ihre Angebote gebunden. Nach Ablauf der Zuschlagsfrist sind sie nicht mehr gebunden, es sei denn, sie stimmen einer Verlängerung zu.
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Nach UVgO: Nach § 13 Abs. 3 UVgO sind die Bieter bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an ihre Angebote gebunden. Auch hier gilt, dass sie nach Ablauf der Zuschlagsfrist nicht mehr gebunden sind, es sei denn, sie stimmen einer Verlängerung zu.
Wenn die Bieter nicht mehr an ihre Angebote gebunden sind, kann der Auftraggeber den Zuschlag nicht mehr erteilen, ohne die Zustimmung der Bieter einzuholen. Dies kann zu Verzögerungen und im schlimmsten Fall zum Scheitern des Vergabeverfahrens führen.
Versäumnis der Informationspflichten:
Obwohl im Unterschwellenbereich keine gesetzlichen Informationspflichten vor Zuschlagserteilung bestehen, kann die Versäumung von freiwilligen Informationen negative Folgen haben.
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Vertrauensverlust: Wenn der Auftraggeber die Bieter nicht oder nicht rechtzeitig über den Ausgang des Vergabeverfahrens informiert, kann dies zu einem Vertrauensverlust führen.
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Rügen und Beschwerden: Bieter, die nicht oder nicht rechtzeitig informiert werden, könnten eher geneigt sein, das Vergabeverfahren zu rügen oder sich zu beschweren.
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Rechtliche Risiken: In bestimmten Fällen könnte die Versäumung von Informationspflichten auch rechtliche Risiken bergen, etwa wenn der Auftraggeber sich selbst zu bestimmten Informationen verpflichtet hat.
Der Auftraggeber sollte daher auch im Unterschwellenbereich auf eine angemessene Information der Bieter achten.
Heilungsmöglichkeiten
In bestimmten Fällen können Fristversäumnisse geheilt werden, d.h. die negativen Folgen können abgewendet oder gemildert werden.
Heilung durch Fristverlängerung:
Wenn der Auftraggeber feststellt, dass eine Frist zu kurz bemessen ist oder aus anderen Gründen verlängert werden sollte, kann er die Frist verlängern, bevor sie abläuft.
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Angebotsfrist: Der Auftraggeber kann die Angebotsfrist verlängern, wenn er feststellt, dass sie zu kurz bemessen ist oder wenn Änderungen der Vergabeunterlagen eine Verlängerung erforderlich machen.
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Zuschlagsfrist: Der Auftraggeber kann die Zuschlagsfrist verlängern, wenn er feststellt, dass die Prüfung und Wertung der Angebote mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich geplant. Die Verlängerung erfordert jedoch die Zustimmung der Bieter.
Die Fristverlängerung muss allen Bietern in gleicher Weise bekannt gegeben werden, um die Gleichbehandlung zu gewährleisten.
Heilung durch Zustimmung der Bieter:
In einigen Fällen können Fristversäumnisse durch die Zustimmung der Bieter geheilt werden.
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Zuschlagsfrist: Wenn die Zuschlagsfrist abgelaufen ist, können die Bieter einer nachträglichen Verlängerung zustimmen und so die Bindung an ihre Angebote aufrechterhalten.
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Angebotsfrist: Bei der Angebotsfrist ist eine Heilung durch Zustimmung der Bieter in der Regel nicht möglich, da die Frist für alle Bieter gleich sein muss und eine nachträgliche Verlängerung für einzelne Bieter gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde.
Die Zustimmung der Bieter sollte schriftlich eingeholt und dokumentiert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Heilung durch Aufhebung und Neuausschreibung:
In schwerwiegenden Fällen, in denen eine Heilung durch Fristverlängerung oder Zustimmung der Bieter nicht möglich ist, kann der Auftraggeber das Vergabeverfahren aufheben und neu ausschreiben.
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Nach VOB/A: Nach § 17 VOB/A kann der Auftraggeber das Vergabeverfahren aufheben, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, oder wenn sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben.
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Nach UVgO: Nach § 48 UVgO kann der Auftraggeber das Vergabeverfahren aufheben, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, oder wenn sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben.
Die Aufhebung und Neuausschreibung ist jedoch mit erheblichem Aufwand und Zeitverlust verbunden und sollte daher nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden.
Praktische Tipps für Bieter
Die erfolgreiche Teilnahme an Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich erfordert von Bietern nicht nur fundierte Kenntnisse des Vergaberechts, sondern auch ein strategisches Vorgehen und eine sorgfältige Vorbereitung. In diesem Abschnitt werden praktische Tipps und Strategien vorgestellt, die Bietern helfen können, ihre Erfolgsaussichten bei öffentlichen Ausschreibungen in Hessen zu verbessern.
Strategische Vorbereitung auf Ausschreibungen
Eine strategische Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg bei öffentlichen Ausschreibungen. Sie umfasst verschiedene Aspekte, von der Marktbeobachtung über die Ressourcenplanung bis hin zur Entwicklung einer Angebotsstrategie.
Marktbeobachtung und Informationsbeschaffung
Die systematische Beobachtung des Marktes für öffentliche Aufträge ist ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Vorbereitung. Sie ermöglicht es Bietern, frühzeitig von relevanten Ausschreibungen zu erfahren und sich darauf vorzubereiten.
Quellen für Ausschreibungsinformationen:
1. Vergabeplattformen: In Hessen werden öffentliche Ausschreibungen in der Regel auf dem Vergabemarktplatz Hessen (HAD) veröffentlicht. Daneben gibt es weitere Plattformen wie die Vergabeplattform des Bundes (eVergabe) oder private Plattformen wie Subreport, AI Vergabeportal oder VergabeManager. Eine regelmäßige Überprüfung dieser Plattformen ist unerlässlich.
2. Amtliche Bekanntmachungen: Öffentliche Ausschreibungen werden oft auch in amtlichen Bekanntmachungsblättern veröffentlicht, etwa im Staatsanzeiger für das Land Hessen oder in lokalen Amtsblättern.
3. Webseiten der Auftraggeber: Viele öffentliche Auftraggeber veröffentlichen ihre Ausschreibungen auch auf ihren eigenen Webseiten. Eine regelmäßige Überprüfung der Webseiten relevanter Auftraggeber kann sich lohnen.
4. Ausschreibungsdienste: Es gibt kommerzielle Ausschreibungsdienste, die gegen Gebühr Informationen über aktuelle Ausschreibungen bereitstellen und diese nach individuellen Kriterien filtern.
5. Netzwerke und Verbände: Branchenverbände und Netzwerke können wertvolle Informationsquellen sein, da sie oft über Ausschreibungen in ihrem Bereich informiert werden.
Systematische Marktbeobachtung:
Um die Marktbeobachtung effizient zu gestalten, empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen:
1. Festlegung relevanter Kriterien: Definieren Sie, welche Arten von Aufträgen für Ihr Unternehmen relevant sind, etwa hinsichtlich Branche, Leistungsumfang, Auftragswert oder geografischer Lage.
2. Einrichtung von Benachrichtigungen: Viele Vergabeplattformen bieten die Möglichkeit, Suchprofile einzurichten und sich per E-Mail über neue, passende Ausschreibungen informieren zu lassen.
3. Regelmäßige Überprüfung: Legen Sie feste Zeiten für die Überprüfung der verschiedenen Informationsquellen fest, etwa täglich oder wöchentlich.
4. Dokumentation: Dokumentieren Sie relevante Ausschreibungen in einer Datenbank oder Tabelle, um den Überblick zu behalten und Fristen nicht zu verpassen.
5. Analyse vergangener Ausschreibungen: Analysieren Sie vergangene Ausschreibungen ähnlicher Art, um Muster zu erkennen und besser einschätzen zu können, welche Anforderungen gestellt werden und wie hoch die Konkurrenz ist.
Eine systematische Marktbeobachtung ermöglicht es Bietern, frühzeitig von relevanten Ausschreibungen zu erfahren und sich darauf vorzubereiten. Sie ist daher ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei öffentlichen Ausschreibungen.
Ressourcenplanung und Kapazitätsmanagement
Die Teilnahme an Vergabeverfahren erfordert erhebliche Ressourcen, sowohl für die Angebotserstellung als auch für die spätere Auftragsausführung. Eine sorgfältige Ressourcenplanung und ein effektives Kapazitätsmanagement sind daher unerlässlich.
Ressourcenplanung für die Angebotserstellung:
Die Erstellung eines Angebots für eine öffentliche Ausschreibung kann je nach Komplexität des Auftrags erhebliche Ressourcen binden. Folgende Aspekte sollten berücksichtigt werden:
1. Personelle Ressourcen: Wer ist für die Angebotserstellung verantwortlich? Welche Fachexperten müssen einbezogen werden? Wie viel Zeit können diese Personen für die Angebotserstellung aufwenden?
2. Zeitliche Ressourcen: Wie viel Zeit steht für die Angebotserstellung zur Verfügung? Ist die Angebotsfrist ausreichend, um ein qualitativ hochwertiges Angebot zu erstellen?
3. Finanzielle Ressourcen: Welche Kosten sind mit der Angebotserstellung verbunden, etwa für externe Beratung, Ortsbesichtigungen oder die Erstellung von Mustern?
4. Technische Ressourcen: Welche technischen Hilfsmittel werden für die Angebotserstellung benötigt, etwa spezielle Software oder Zugang zu Vergabeplattformen?
Eine realistische Einschätzung dieser Ressourcen ist wichtig, um zu entscheiden, ob eine Teilnahme an einer bestimmten Ausschreibung sinnvoll ist.
Kapazitätsmanagement für die Auftragsausführung:
Neben den Ressourcen für die Angebotserstellung müssen auch die Kapazitäten für die spätere Auftragsausführung berücksichtigt werden:
1. Personelle Kapazitäten: Stehen ausreichend qualifizierte Mitarbeiter für die Auftragsausführung zur Verfügung? Sind diese zum geplanten Ausführungszeitraum verfügbar?
2. Technische Kapazitäten: Verfügt das Unternehmen über die erforderlichen Maschinen, Geräte und Anlagen für die Auftragsausführung? Sind diese zum geplanten Ausführungszeitraum verfügbar?
3. Finanzielle Kapazitäten: Verfügt das Unternehmen über die erforderlichen finanziellen Mittel für die Vorfinanzierung des Auftrags? Sind Sicherheitsleistungen zu erbringen?
4. Zeitliche Kapazitäten: Kann der Auftrag innerhalb der vorgegebenen Fristen ausgeführt werden? Gibt es Überschneidungen mit anderen Aufträgen?
Eine realistische Einschätzung dieser Kapazitäten ist wichtig, um zu vermeiden, dass ein Auftrag angenommen wird, der nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden kann.
Strategien für das Ressourcen- und Kapazitätsmanagement:
Um die Ressourcen und Kapazitäten effektiv zu managen, können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Priorisierung: Nicht alle Ausschreibungen sind gleich relevant. Priorisieren Sie Ausschreibungen nach ihrer strategischen Bedeutung und Erfolgsaussicht.
2. Standardisierung: Entwickeln Sie standardisierte Prozesse und Vorlagen für die Angebotserstellung, um den Aufwand zu reduzieren.
3. Teamarbeit: Verteilen Sie die Arbeit auf mehrere Schultern, um die Belastung einzelner Mitarbeiter zu reduzieren.
4. Externe Unterstützung: Ziehen Sie bei Bedarf externe Unterstützung hinzu, etwa für die rechtliche Prüfung der Vergabeunterlagen oder für spezielle fachliche Aspekte.
5. Kooperationen: Erwägen Sie Kooperationen mit anderen Unternehmen, etwa in Form von Bietergemeinschaften oder Nachunternehmerverträgen, um Kapazitätsengpässe zu überbrücken.
6. Langfristige Planung: Planen Sie langfristig, um Ressourcen und Kapazitäten optimal zu nutzen und Engpässe zu vermeiden.
Eine sorgfältige Ressourcenplanung und ein effektives Kapazitätsmanagement sind wesentliche Erfolgsfaktoren bei öffentlichen Ausschreibungen. Sie helfen, realistische Entscheidungen über die Teilnahme an Ausschreibungen zu treffen und die verfügbaren Ressourcen optimal zu nutzen.
Entwicklung einer Angebotsstrategie
Die Entwicklung einer Angebotsstrategie ist ein weiterer wichtiger Aspekt der strategischen Vorbereitung. Sie umfasst die Festlegung von Zielen, die Analyse der Wettbewerbssituation und die Entscheidung über die Art und Weise der Angebotserstellung.
Festlegung von Zielen:
Bevor ein Angebot erstellt wird, sollten klare Ziele festgelegt werden:
1. Strategische Ziele: Welche strategische Bedeutung hat der Auftrag für das Unternehmen? Dient er der Erschließung neuer Märkte, dem Aufbau von Referenzen oder der Auslastung vorhandener Kapazitäten?
2. Wirtschaftliche Ziele: Welche wirtschaftlichen Ziele werden mit dem Auftrag verfolgt? Geht es primär um Umsatz, Gewinn oder Deckungsbeiträge?
3. Qualitative Ziele: Welche qualitativen Ziele werden mit dem Auftrag verfolgt? Geht es um die Verbesserung der Reputation, den Aufbau von Know-how oder die Vertiefung von Kundenbeziehungen?
Die Festlegung klarer Ziele hilft, die Angebotsstrategie zu fokussieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Analyse der Wettbewerbssituation:
Die Analyse der Wettbewerbssituation ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Angebotsstrategie:
1. Identifikation der Wettbewerber: Welche anderen Unternehmen könnten sich für die Ausschreibung interessieren? Welche Stärken und Schwächen haben diese Unternehmen?
2. Einschätzung der Wettbewerbsintensität: Wie viele Unternehmen werden voraussichtlich ein Angebot abgeben? Wie stark ist der Preiswettbewerb in diesem Segment?
3. Analyse der Erfolgsfaktoren: Welche Faktoren sind für den Erfolg bei dieser Ausschreibung entscheidend? Ist es primär der Preis oder spielen auch qualitative Aspekte eine wichtige Rolle?
Die Analyse der Wettbewerbssituation hilft, die eigenen Chancen realistisch einzuschätzen und die Angebotsstrategie entsprechend anzupassen.
Entscheidung über die Angebotsstrategie:
Auf Basis der Ziele und der Wettbewerbsanalyse kann eine Angebotsstrategie entwickelt werden:
1. Preisstrategie: Welcher Preis soll angeboten werden? Soll ein besonders niedriger Preis angeboten werden, um den Auftrag zu gewinnen, oder ein höherer Preis, der eine angemessene Marge sicherstellt?
2. Qualitätsstrategie: Welche Qualität soll angeboten werden? Soll ein besonders hochwertiges Angebot abgegeben werden, das über die Mindestanforderungen hinausgeht, oder ein Angebot, das genau den Anforderungen entspricht?
3. Differenzierungsstrategie: Wie kann sich das Angebot von den Angeboten der Wettbewerber abheben? Welche besonderen Leistungen oder Vorteile können angeboten werden?
4. Kooperationsstrategie: Soll das Angebot allein oder in Kooperation mit anderen Unternehmen abgegeben werden? Kommen Bietergemeinschaften oder Nachunternehmerverträge in Betracht?
Die Entscheidung über die Angebotsstrategie sollte sorgfältig getroffen werden, da sie maßgeblichen Einfluss auf die Erfolgsaussichten hat.
Umsetzung der Angebotsstrategie:
Die Umsetzung der Angebotsstrategie erfordert eine sorgfältige Planung und Koordination:
1. Zeitplanung: Erstellen Sie einen detaillierten Zeitplan für die Angebotserstellung, der alle wichtigen Meilensteine und Fristen berücksichtigt.
2. Aufgabenverteilung: Legen Sie fest, wer für welche Teile des Angebots verantwortlich ist und stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten ihre Aufgaben kennen.
3. Qualitätssicherung: Implementieren Sie Prozesse zur Qualitätssicherung, um sicherzustellen, dass das Angebot den Anforderungen entspricht und keine Fehler enthält.
4. Kommunikation: Sorgen Sie für eine klare Kommunikation innerhalb des Angebotsteams und mit externen Partnern.
Eine sorgfältige Umsetzung der Angebotsstrategie ist entscheidend für den Erfolg bei öffentlichen Ausschreibungen.
Effektive Analyse der Vergabeunterlagen
Die sorgfältige Analyse der Vergabeunterlagen ist ein entscheidender Schritt bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen. Sie bildet die Grundlage für die Entscheidung über die Teilnahme und für die Erstellung eines erfolgreichen Angebots.
Identifikation von Anforderungen und Ausschlusskriterien
Die Vergabeunterlagen enthalten zahlreiche Anforderungen und Kriterien, die für die Angebotserstellung und die spätere Wertung relevant sind. Eine systematische Identifikation dieser Anforderungen ist daher unerlässlich.
Arten von Anforderungen:
In den Vergabeunterlagen finden sich verschiedene Arten von Anforderungen:
1. Formale Anforderungen: Diese betreffen die Form und den Aufbau des Angebots, etwa die Verwendung bestimmter Formulare, die Einhaltung von Fristen oder die Art der Einreichung (elektronisch oder in Papierform).
2. Eignungsanforderungen: Diese betreffen die Eignung des Bieters, etwa hinsichtlich seiner fachlichen Qualifikation, seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit oder seiner technischen Ausstattung.
3. Leistungsanforderungen: Diese betreffen die zu erbringende Leistung, etwa hinsichtlich ihrer Art, ihres Umfangs, ihrer Qualität oder ihrer zeitlichen Ausführung.
4. Zuschlagskriterien: Diese betreffen die Kriterien, nach denen der Zuschlag erteilt wird, etwa der Preis, die Qualität, die Lieferzeit oder ökologische Aspekte.
Eine systematische Identifikation dieser Anforderungen hilft, das Angebot gezielt auf die Bedürfnisse des Auftraggebers auszurichten.
Identifikation von Ausschlusskriterien:
Besonders wichtig ist die Identifikation von Ausschlusskriterien, also Anforderungen, deren Nichterfüllung zum Ausschluss des Angebots führt:
1. Formale Ausschlusskriterien: Diese betreffen formale Mängel des Angebots, etwa die verspätete Einreichung, das Fehlen der Unterschrift oder die Verwendung falscher Formulare.
2. Inhaltliche Ausschlusskriterien: Diese betreffen inhaltliche Mängel des Angebots, etwa die Nichterfüllung von Mindestanforderungen, das Fehlen geforderter Nachweise oder unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen.
3. Eignungsbezogene Ausschlusskriterien: Diese betreffen Mängel in der Eignung des Bieters, etwa das Fehlen erforderlicher Qualifikationen, unzureichende Referenzen oder finanzielle Instabilität.
Die Identifikation dieser Ausschlusskriterien ist wichtig, um sicherzustellen, dass das Angebot nicht aus formalen oder inhaltlichen Gründen ausgeschlossen wird.
Systematische Analyse der Vergabeunterlagen:
Für eine systematische Analyse der Vergabeunterlagen empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
1. Überblick verschaffen: Lesen Sie zunächst die gesamten Vergabeunterlagen, um einen Überblick zu gewinnen und die grundlegende Struktur zu verstehen.
2. Anforderungen markieren: Markieren Sie alle Anforderungen und Kriterien, die für die Angebotserstellung relevant sind. Unterscheiden Sie dabei zwischen Muss-Anforderungen (deren Nichterfüllung zum Ausschluss führt) und Soll-Anforderungen (die bei der Wertung berücksichtigt werden).
3. Checkliste erstellen: Erstellen Sie eine Checkliste aller Anforderungen und Kriterien, die bei der Angebotserstellung zu berücksichtigen sind. Ordnen Sie diese nach Themen oder Bereichen.
4. Unklarheiten identifizieren: Identifizieren Sie Unklarheiten oder Widersprüche in den Vergabeunterlagen, die durch Bieterfragen geklärt werden müssen.
5. Bewertung der Anforderungen: Bewerten Sie, ob und wie die Anforderungen erfüllt werden können. Identifizieren Sie Anforderungen, die besondere Herausforderungen darstellen oder spezielle Ressourcen erfordern.
Eine systematische Analyse der Vergabeunterlagen bildet die Grundlage für eine fundierte Entscheidung über die Teilnahme und für die Erstellung eines erfolgreichen Angebots.
Umgang mit Unklarheiten und Widersprüchen
Vergabeunterlagen können Unklarheiten oder Widersprüche enthalten, die das Verständnis der Anforderungen erschweren und zu Risiken bei der Angebotserstellung führen. Ein professioneller Umgang mit diesen Unklarheiten ist daher wichtig.
Arten von Unklarheiten und Widersprüchen:
In Vergabeunterlagen können verschiedene Arten von Unklarheiten und Widersprüchen auftreten:
1. Begriffliche Unklarheiten: Unklare oder mehrdeutige Begriffe, die unterschiedlich interpretiert werden können.
2. Inhaltliche Widersprüche: Widersprüchliche Angaben zu den Anforderungen oder zur Leistungsbeschreibung.
3. Formale Widersprüche: Widersprüchliche Angaben zu formalen Aspekten, etwa zu Fristen, Formularen oder Nachweisen.
4. Lücken: Fehlende Informationen, die für die Angebotserstellung relevant sind.
5. Fehler: Offensichtliche Fehler in den Vergabeunterlagen, etwa falsche Zahlen, Daten oder Bezeichnungen.
Diese Unklarheiten und Widersprüche können zu Risiken bei der Angebotserstellung führen und sollten daher geklärt werden.
Strategien zum Umgang mit Unklarheiten:
Für den Umgang mit Unklarheiten und Widersprüchen gibt es verschiedene Strategien:
1. Bieterfragen stellen: Die wichtigste Strategie ist das Stellen von Bieterfragen. Nach § 7 Abs. 4 VOB/A bzw. § 7 Abs. 4 UVgO müssen Auftraggeber Auskünfte zu den Vergabeunterlagen erteilen, wenn diese rechtzeitig angefordert werden.
2. Auslegung nach dem Empfängerhorizont: Wenn keine Klärung möglich ist, können Unklarheiten nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt werden, d.h. wie ein durchschnittlicher Bieter sie verstehen würde.
3. Risikoabwägung: Bei verbleibenden Unklarheiten muss eine Risikoabwägung vorgenommen werden. Welche Interpretation ist die wahrscheinlichste? Welche Risiken sind mit den verschiedenen Interpretationen verbunden?
4. Annahmen dokumentieren: Wenn Annahmen getroffen werden müssen, sollten diese im Angebot dokumentiert werden, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.
5. Nebenangebote: In einigen Fällen können Nebenangebote eine Möglichkeit sein, mit Unklarheiten umzugehen, indem alternative Lösungen angeboten werden.
Die Wahl der richtigen Strategie hängt von der Art der Unklarheit, der verfügbaren Zeit und den spezifischen Umständen des Vergabeverfahrens ab.
Formulierung von Bieterfragen:
Bieterfragen sind das wichtigste Instrument zum Umgang mit Unklarheiten. Bei ihrer Formulierung sollten folgende Aspekte beachtet werden:
1. Präzision: Formulieren Sie die Frage präzise und konkret. Benennen Sie genau, auf welchen Teil der Vergabeunterlagen sich die Frage bezieht.
2. Neutralität: Formulieren Sie die Frage neutral und sachlich. Vermeiden Sie Kritik oder Vorwürfe.
3. Lösungsorientierung: Zeigen Sie, dass es Ihnen um eine Klärung geht, nicht um eine Kritik an den Vergabeunterlagen.
4. Rechtzeitigkeit: Stellen Sie die Frage rechtzeitig, damit der Auftraggeber ausreichend Zeit für die Beantwortung hat und alle Bieter die Antwort bei der Angebotserstellung berücksichtigen können.
5. Dokumentation: Dokumentieren Sie die Frage und die Antwort sorgfältig, um sie bei der Angebotserstellung berücksichtigen zu können.
Gut formulierte Bieterfragen können dazu beitragen, Unklarheiten zu beseitigen und die Grundlage für ein erfolgreiches Angebot zu schaffen.
Umgang mit den Antworten des Auftraggebers:
Die Antworten des Auftraggebers auf Bieterfragen sind für alle Bieter verbindlich und müssen bei der Angebotserstellung berücksichtigt werden:
1. Prüfung der Antworten: Prüfen Sie die Antworten sorgfältig und bewerten Sie, ob sie die Unklarheiten beseitigen oder neue Fragen aufwerfen.
2. Anpassung des Angebots: Passen Sie Ihr Angebot entsprechend den Antworten an. Berücksichtigen Sie dabei, dass die Antworten Teil der Vergabeunterlagen werden und für alle Bieter verbindlich sind.
3. Nachfragen bei Bedarf: Wenn die Antworten neue Unklarheiten schaffen oder nicht ausreichend sind, stellen Sie bei Bedarf weitere Fragen.
4. Dokumentation: Dokumentieren Sie, wie die Antworten in Ihrem Angebot berücksichtigt wurden, um bei Bedarf nachweisen zu können, dass Ihr Angebot den Anforderungen entspricht.
Ein professioneller Umgang mit den Antworten des Auftraggebers ist wichtig, um ein rechtssicheres und erfolgreiches Angebot zu erstellen.
Bewertung der Erfolgsaussichten
Nach der Analyse der Vergabeunterlagen und der Klärung von Unklarheiten sollte eine Bewertung der Erfolgsaussichten vorgenommen werden. Diese Bewertung hilft, eine fundierte Entscheidung über die Teilnahme am Vergabeverfahren zu treffen.
Kriterien für die Bewertung der Erfolgsaussichten:
Bei der Bewertung der Erfolgsaussichten sollten verschiedene Kriterien berücksichtigt werden:
1. Eignung: Erfüllt das Unternehmen alle Eignungskriterien? Können die erforderlichen Nachweise erbracht werden?
2. Leistungsfähigkeit: Kann das Unternehmen die geforderte Leistung in der gewünschten Qualität, Menge und Zeit erbringen?
3. Wettbewerbssituation: Wie stark ist der Wettbewerb bei dieser Ausschreibung? Wie viele Unternehmen werden voraussichtlich ein Angebot abgeben?
4. Preisgestaltung: Kann das Unternehmen einen wettbewerbsfähigen Preis anbieten, der gleichzeitig eine angemessene Marge sicherstellt?
5. Zuschlagskriterien: Wie gut kann das Unternehmen die Zuschlagskriterien erfüllen? Welche Stärken und Schwächen hat es in Bezug auf diese Kriterien?
6. Risiken: Welche Risiken sind mit dem Auftrag verbunden? Können diese Risiken angemessen bewertet und gesteuert werden?
7. Strategische Bedeutung: Welche strategische Bedeutung hat der Auftrag für das Unternehmen? Dient er der Erschließung neuer Märkte, dem Aufbau von Referenzen oder der Auslastung vorhandener Kapazitäten?
Eine sorgfältige Bewertung dieser Kriterien hilft, die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen und eine fundierte Entscheidung über die Teilnahme zu treffen.
Methoden zur Bewertung der Erfolgsaussichten:
Für die Bewertung der Erfolgsaussichten können verschiedene Methoden eingesetzt werden:
1. Checklisten: Erstellen Sie Checklisten für die verschiedenen Kriterien und bewerten Sie, inwieweit diese erfüllt werden können.
2. SWOT-Analyse: Analysieren Sie die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken in Bezug auf die Ausschreibung.
3. Scoring-Modelle: Entwickeln Sie Scoring-Modelle, die die verschiedenen Kriterien gewichten und bewerten.
4. Szenarioanalyse: Entwickeln Sie verschiedene Szenarien für den Verlauf des Vergabeverfahrens und bewerten Sie die Erfolgsaussichten in jedem Szenario.
5. Experteneinschätzung: Holen Sie die Einschätzung von Experten ein, etwa von Mitarbeitern mit Erfahrung in ähnlichen Projekten oder von externen Beratern.
Die Wahl der richtigen Methode hängt von der Komplexität der Ausschreibung, der verfügbaren Zeit und den spezifischen Umständen des Vergabeverfahrens ab.
Entscheidung über die Teilnahme:
Auf Basis der Bewertung der Erfolgsaussichten kann eine fundierte Entscheidung über die Teilnahme am Vergabeverfahren getroffen werden:
1. Teilnahme mit vollem Engagement: Wenn die Erfolgsaussichten gut sind und der Auftrag strategisch wichtig ist, sollte eine Teilnahme mit vollem Engagement erfolgen.
2. Teilnahme mit begrenztem Aufwand: Wenn die Erfolgsaussichten moderat sind oder der Auftrag nur begrenzte strategische Bedeutung hat, kann eine Teilnahme mit begrenztem Aufwand sinnvoll sein.
3. Keine Teilnahme: Wenn die Erfolgsaussichten gering sind oder der Auftrag keine strategische Bedeutung hat, kann ein Verzicht auf die Teilnahme die bessere Entscheidung sein.
4. Teilnahme in Kooperation: Wenn die Erfolgsaussichten durch Kooperation mit anderen Unternehmen verbessert werden können, kann eine Teilnahme in Form einer Bietergemeinschaft oder mit Nachunternehmern sinnvoll sein.
Die Entscheidung über die Teilnahme sollte sorgfältig getroffen und dokumentiert werden, um später nachvollziehen zu können, warum eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde.
Professionelle Angebotserstellung
Die professionelle Erstellung eines Angebots ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg bei öffentlichen Ausschreibungen. Ein gut strukturiertes, vollständiges und überzeugendes Angebot erhöht die Chancen auf den Zuschlag erheblich.
Formale Anforderungen und Vollständigkeit
Die Einhaltung der formalen Anforderungen und die Vollständigkeit des Angebots sind grundlegende Voraussetzungen für die Berücksichtigung im Vergabeverfahren. Formale Mängel oder fehlende Unterlagen führen oft zum Ausschluss des Angebots.
Formale Anforderungen:
Die formalen Anforderungen an ein Angebot ergeben sich aus den Vergabeunterlagen und den vergaberechtlichen Vorschriften:
1. Form des Angebots: Das Angebot muss in der vorgeschriebenen Form eingereicht werden, etwa elektronisch über eine Vergabeplattform oder in Papierform in einem verschlossenen Umschlag.
2. Verwendung der Formulare: In der Regel müssen die vom Auftraggeber bereitgestellten Formulare verwendet werden. Eigene Formulare oder Änderungen an den Formularen sind oft nicht zulässig.
3. Unterschrift: Bei Papierangeboten muss das Angebot an der vorgesehenen Stelle unterschrieben werden. Bei elektronischen Angeboten ist oft eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.
4. Sprache: Das Angebot muss in der vorgeschriebenen Sprache (in der Regel Deutsch) verfasst sein.
5. Frist: Das Angebot muss bis zum Ablauf der Angebotsfrist beim Auftraggeber eingehen. Verspätete Angebote werden in der Regel ausgeschlossen.
6. Kennzeichnung: Das Angebot muss entsprechend den Vorgaben gekennzeichnet sein, etwa mit einem bestimmten Betreff oder einer Vergabenummer.
Die Einhaltung dieser formalen Anforderungen ist unerlässlich, um einen Ausschluss des Angebots zu vermeiden.
Vollständigkeit des Angebots:
Neben den formalen Anforderungen ist die Vollständigkeit des Angebots von entscheidender Bedeutung:
1. Angebotsformular: Das Angebotsformular muss vollständig ausgefüllt sein, insbesondere hinsichtlich des Preises, der Ausführungsfristen und sonstiger geforderter Angaben.
2. Leistungsverzeichnis: Das Leistungsverzeichnis muss vollständig ausgefüllt sein, mit Preisen für alle Positionen und gegebenenfalls mit Angaben zu Fabrikaten, Typen oder Herstellern.
3. Eignungsnachweise: Alle geforderten Eignungsnachweise müssen beigefügt sein, etwa Referenzen, Qualifikationsnachweise, Unbedenklichkeitsbescheinigungen oder Versicherungsnachweise.
4. Erklärungen: Alle geforderten Erklärungen müssen abgegeben werden, etwa Eigenerklärungen zur Eignung, zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen oder zur Einhaltung von Tariftreue- und Mindestlohnvorschriften.
5. Nachunternehmerangaben: Wenn Nachunternehmer eingesetzt werden sollen, müssen die entsprechenden Angaben und Nachweise beigefügt sein.
6. Sonstige Unterlagen: Alle sonstigen geforderten Unterlagen müssen beigefügt sein, etwa technische Beschreibungen, Muster, Proben oder Konzepte.
Die Vollständigkeit des Angebots sollte anhand einer Checkliste überprüft werden, die alle in den Vergabeunterlagen geforderten Bestandteile umfasst.
Strategien zur Sicherstellung der Formgerechtheit und Vollständigkeit:
Um die Formgerechtheit und Vollständigkeit des Angebots sicherzustellen, können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Checkliste erstellen: Erstellen Sie eine detaillierte Checkliste aller formalen Anforderungen und erforderlichen Unterlagen auf Basis der Vergabeunterlagen.
2. Vier-Augen-Prinzip: Lassen Sie das Angebot von einer zweiten Person auf Vollständigkeit und Formgerechtheit prüfen.
3. Frühzeitige Vorbereitung: Beginnen Sie frühzeitig mit der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen, insbesondere wenn diese von Dritten beschafft werden müssen.
4. Standardisierte Prozesse: Entwickeln Sie standardisierte Prozesse für die Angebotserstellung, die sicherstellen, dass alle formalen Anforderungen erfüllt werden.
5. Digitale Hilfsmittel: Nutzen Sie digitale Hilfsmittel, etwa Checklisten-Apps oder Dokumentenmanagementsysteme, um die Vollständigkeit zu überprüfen.
6. Zeitpuffer einplanen: Planen Sie einen Zeitpuffer ein, um auf unvorhergesehene Probleme reagieren zu können, etwa fehlende Unterlagen oder technische Schwierigkeiten bei der elektronischen Einreichung.
Die Sicherstellung der Formgerechtheit und Vollständigkeit des Angebots ist eine grundlegende Voraussetzung für den Erfolg bei öffentlichen Ausschreibungen.
Preiskalkulation und Angebotsstrategie
Die Preiskalkulation ist ein zentraler Bestandteil der Angebotserstellung und hat maßgeblichen Einfluss auf die Erfolgsaussichten. Eine durchdachte Preiskalkulation und Angebotsstrategie sind daher unerlässlich.
Grundlagen der Preiskalkulation:
Die Preiskalkulation umfasst die Ermittlung aller Kosten, die mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung verbunden sind, und die Festlegung eines angemessenen Gewinns:
1. Direkte Kosten: Diese umfassen alle Kosten, die direkt der ausgeschriebenen Leistung zugeordnet werden können, etwa Material-, Personal- oder Maschinenkosten.
2. Indirekte Kosten: Diese umfassen alle Kosten, die nicht direkt der ausgeschriebenen Leistung zugeordnet werden können, etwa Verwaltungskosten, Mieten oder Versicherungen.
3. Risikozuschläge: Diese dienen der Abdeckung von Risiken, etwa Preissteigerungen, Leistungsänderungen oder unvorhergesehenen Schwierigkeiten.
4. Gewinnzuschlag: Dieser dient der Erzielung eines angemessenen Gewinns und sollte die unternehmerischen Ziele und die Marktsituation berücksichtigen.
Die Preiskalkulation sollte sorgfältig und realistisch erfolgen, um weder zu hohe Preise (die die Chancen auf den Zuschlag verringern) noch zu niedrige Preise (die zu Verlusten führen können) anzubieten.
Strategische Überlegungen zur Preisgestaltung:
Bei der Preisgestaltung sollten verschiedene strategische Überlegungen berücksichtigt werden:
1. Wettbewerbssituation: Wie stark ist der Wettbewerb bei dieser Ausschreibung? Wie preissensitiv ist der Auftraggeber?
2. Zuschlagskriterien: Welche Rolle spielt der Preis bei den Zuschlagskriterien? Ist der Preis das einzige Kriterium oder werden auch qualitative Aspekte berücksichtigt?
3. Strategische Bedeutung: Welche strategische Bedeutung hat der Auftrag für das Unternehmen? Ist ein niedrigerer Preis gerechtfertigt, um einen strategisch wichtigen Auftrag zu gewinnen?
4. Folgeaufträge: Sind Folgeaufträge zu erwarten, die einen niedrigeren Preis rechtfertigen könnten?
5. Kapazitätsauslastung: Wie ist die aktuelle Kapazitätsauslastung des Unternehmens? Ist ein niedrigerer Preis gerechtfertigt, um Kapazitäten auszulasten?
Diese strategischen Überlegungen sollten in die Preisgestaltung einfließen, um eine optimale Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu finden.
Methoden der Preiskalkulation:
Für die Preiskalkulation können verschiedene Methoden eingesetzt werden:
1. Zuschlagskalkulation: Bei dieser Methode werden die direkten Kosten ermittelt und mit Zuschlägen für indirekte Kosten, Risiken und Gewinn versehen.
2. Divisionskalkulation: Bei dieser Methode werden die Gesamtkosten durch die Leistungsmenge dividiert, um einen Einheitspreis zu ermitteln.
3. Äquivalenzziffernkalkulation: Bei dieser Methode werden verschiedene Leistungen mit Äquivalenzziffern versehen, die ihre relative Kostenintensität widerspiegeln.
4. Prozesskostenrechnung: Bei dieser Methode werden die Kosten den einzelnen Prozessen zugeordnet, die für die Leistungserbringung erforderlich sind.
Die Wahl der richtigen Methode hängt von der Art der Leistung, der verfügbaren Daten und den spezifischen Umständen des Vergabeverfahrens ab.
Prüfung der Preiskalkulation:
Vor der Abgabe des Angebots sollte die Preiskalkulation sorgfältig geprüft werden:
1. Vollständigkeit: Sind alle Kosten berücksichtigt? Gibt es versteckte Kosten, die übersehen wurden?
2. Plausibilität: Sind die Annahmen plausibel? Entsprechen die Kosten den Erfahrungswerten aus ähnlichen Projekten?
3. Sensitivitätsanalyse: Wie wirken sich Änderungen der Annahmen auf den Preis aus? Wie robust ist die Kalkulation gegenüber Unsicherheiten?
4. Wettbewerbsfähigkeit: Ist der Preis wettbewerbsfähig? Wie positioniert er sich im Vergleich zu früheren Ausschreibungen oder Marktpreisen?
5. Wirtschaftlichkeit: Ist der Preis wirtschaftlich? Ermöglicht er einen angemessenen Gewinn?
Eine sorgfältige Prüfung der Preiskalkulation hilft, Fehler zu vermeiden und einen optimalen Preis zu finden.
Qualitative Differenzierung und Alleinstellungsmerkmale
In vielen Vergabeverfahren spielt nicht nur der Preis eine Rolle, sondern auch qualitative Aspekte. Eine qualitative Differenzierung und die Herausstellung von Alleinstellungsmerkmalen können daher die Erfolgsaussichten erhöhen.
Bedeutung qualitativer Aspekte:
Qualitative Aspekte können in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens eine Rolle spielen:
1. Eignungsprüfung: Bei der Eignungsprüfung werden qualitative Aspekte berücksichtigt, etwa die fachliche Qualifikation, die technische Ausstattung oder die Erfahrung mit ähnlichen Projekten.
2. Angebotswertung: Bei der Angebotswertung können qualitative Aspekte als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, etwa die Qualität der angebotenen Leistung, die Umweltverträglichkeit oder die Innovationskraft.
3. Nebenangebote: Bei Nebenangeboten können qualitative Aspekte eine besondere Rolle spielen, etwa wenn alternative technische Lösungen angeboten werden, die qualitative Vorteile bieten.
Die Bedeutung qualitativer Aspekte hängt von den spezifischen Zuschlagskriterien und der Art der ausgeschriebenen Leistung ab.
Identifikation von Alleinstellungsmerkmalen:
Um sich qualitativ zu differenzieren, ist es wichtig, die eigenen Alleinstellungsmerkmale zu identifizieren:
1. Fachliche Expertise: Verfügt das Unternehmen über besondere fachliche Expertise, etwa durch spezialisierte Mitarbeiter oder langjährige Erfahrung?
2. Technische Ausstattung: Verfügt das Unternehmen über besondere technische Ausstattung, etwa moderne Maschinen oder innovative Technologien?
3. Qualitätsmanagement: Verfügt das Unternehmen über ein besonderes Qualitätsmanagement, etwa Zertifizierungen oder spezielle Qualitätssicherungsprozesse?
4. Nachhaltigkeit: Verfolgt das Unternehmen besondere Nachhaltigkeitsstrategien, etwa im Bereich Umweltschutz, Ressourceneffizienz oder soziale Verantwortung?
5. Innovation: Ist das Unternehmen besonders innovativ, etwa durch eigene Forschung und Entwicklung oder durch die Anwendung innovativer Methoden?
6. Referenzen: Kann das Unternehmen besondere Referenzen vorweisen, etwa erfolgreiche Projekte ähnlicher Art oder Projekte für renommierte Auftraggeber?
Die Identifikation dieser Alleinstellungsmerkmale bildet die Grundlage für eine qualitative Differenzierung.
Strategien zur qualitativen Differenzierung:
Um die identifizierten Alleinstellungsmerkmale im Angebot wirksam zur Geltung zu bringen, können verschiedene Strategien eingesetzt werden:
1. Explizite Herausstellung: Stellen Sie Ihre Alleinstellungsmerkmale explizit heraus, etwa in einem Begleitschreiben oder in einer gesonderten Darstellung.
2. Bezug zu den Zuschlagskriterien: Stellen Sie einen klaren Bezug zwischen Ihren Alleinstellungsmerkmalen und den Zuschlagskriterien her. Zeigen Sie, wie Ihre Merkmale dazu beitragen, die Kriterien zu erfüllen.
3. Quantifizierung: Quantifizieren Sie die Vorteile Ihrer Alleinstellungsmerkmale, etwa durch Zahlen, Daten oder Fakten. Zeigen Sie, welchen konkreten Mehrwert sie bieten.
4. Visualisierung: Nutzen Sie visuelle Elemente, etwa Grafiken, Diagramme oder Bilder, um Ihre Alleinstellungsmerkmale anschaulich darzustellen.
5. Referenzen: Untermauern Sie Ihre Alleinstellungsmerkmale durch Referenzen, etwa durch Kundenbewertungen, Projekterfolge oder Auszeichnungen.
6. Nebenangebote: Erwägen Sie die Abgabe von Nebenangeboten, wenn diese zugelassen sind und wenn Sie dadurch besondere qualitative Vorteile bieten können.
Die Wahl der richtigen Strategie hängt von der Art der Alleinstellungsmerkmale, den Zuschlagskriterien und den spezifischen Umständen des Vergabeverfahrens ab.
Grenzen der qualitativen Differenzierung:
Bei der qualitativen Differenzierung sind auch die Grenzen zu beachten:
1. Vergaberechtliche Grenzen: Die qualitative Differenzierung muss im Rahmen der vergaberechtlichen Vorgaben erfolgen. Übertriebene oder irreführende Darstellungen können zu Problemen führen.
2. Produktneutralität: Die Vergabeunterlagen sind in der Regel produktneutral gestaltet. Die qualitative Differenzierung muss diese Neutralität respektieren und darf nicht zu einer unzulässigen Bevorzugung führen.
3. Verhältnismäßigkeit: Die qualitative Differenzierung muss verhältnismäßig sein und in einem angemessenen Verhältnis zur ausgeschriebenen Leistung stehen.
4. Nachweisbarkeit: Die behaupteten qualitativen Vorteile müssen nachweisbar sein. Unbelegte Behauptungen können die Glaubwürdigkeit des Angebots beeinträchtigen.
Eine sorgfältige Beachtung dieser Grenzen ist wichtig, um eine wirksame und rechtssichere qualitative Differenzierung zu erreichen.
Erfolgreiche Kommunikation mit Vergabestellen
Die Kommunikation mit Vergabestellen ist ein wichtiger Aspekt bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen. Eine professionelle und zielgerichtete Kommunikation kann dazu beitragen, Unklarheiten zu beseitigen, das eigene Angebot zu stärken und die Erfolgsaussichten zu verbessern.
Professionelle Bieterfragen
Bieterfragen sind ein wichtiges Instrument, um Unklarheiten in den Vergabeunterlagen zu klären und zusätzliche Informationen zu erhalten. Eine professionelle Formulierung und Handhabung von Bieterfragen kann die Qualität des eigenen Angebots verbessern.
Bedeutung von Bieterfragen:
Bieterfragen haben verschiedene Funktionen im Vergabeverfahren:
1. Klärung von Unklarheiten: Sie dienen dazu, Unklarheiten oder Widersprüche in den Vergabeunterlagen zu klären.
2. Beschaffung zusätzlicher Informationen: Sie ermöglichen es, zusätzliche Informationen zu erhalten, die für die Angebotserstellung relevant sind.
3. Hinweis auf Probleme: Sie können dazu dienen, auf Probleme oder Risiken hinzuweisen, die in den Vergabeunterlagen nicht ausreichend berücksichtigt sind.
4. Strategische Positionierung: Sie können dazu beitragen, das eigene Angebot strategisch zu positionieren, etwa indem sie auf bestimmte Aspekte hinweisen, bei denen das eigene Unternehmen besondere Stärken hat.
Eine professionelle Handhabung von Bieterfragen kann daher einen wichtigen Beitrag zum Erfolg bei öffentlichen Ausschreibungen leisten.
Rechtliche Grundlagen:
Die rechtlichen Grundlagen für Bieterfragen finden sich in den vergaberechtlichen Vorschriften:
-
Nach VOB/A: Nach § 7 Abs. 4 VOB/A müssen Auftraggeber Auskünfte zu den Vergabeunterlagen erteilen, wenn diese rechtzeitig angefordert werden.
-
Nach UVgO: Nach § 7 Abs. 4 UVgO müssen Auftraggeber Auskünfte zu den Vergabeunterlagen erteilen, wenn diese rechtzeitig angefordert werden.
Die Antworten des Auftraggebers auf Bieterfragen werden allen Bietern zur Verfügung gestellt und sind für alle Bieter verbindlich. Sie werden Teil der Vergabeunterlagen und müssen bei der Angebotserstellung berücksichtigt werden.
Strategien für effektive Bieterfragen:
Für die Formulierung effektiver Bieterfragen können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Frühzeitige Identifikation von Unklarheiten: Identifizieren Sie Unklarheiten oder Widersprüche in den Vergabeunterlagen so früh wie möglich, um ausreichend Zeit für die Formulierung und Beantwortung der Fragen zu haben.
2. Präzise Formulierung: Formulieren Sie die Fragen präzise und konkret. Benennen Sie genau, auf welchen Teil der Vergabeunterlagen sich die Frage bezieht.
3. Sachliche Formulierung: Formulieren Sie die Fragen sachlich und neutral. Vermeiden Sie Kritik oder Vorwürfe.
4. Lösungsorientierte Formulierung: Zeigen Sie, dass es Ihnen um eine Klärung geht, nicht um eine Kritik an den Vergabeunterlagen. Bieten Sie gegebenenfalls Lösungsvorschläge an.
5. Strategische Ausrichtung: Richten Sie die Fragen strategisch aus, um Ihre Stärken hervorzuheben oder auf Aspekte hinzuweisen, bei denen Sie besondere Vorteile bieten können.
6. Rechtzeitige Einreichung: Reichen Sie die Fragen rechtzeitig ein, damit der Auftraggeber ausreichend Zeit für die Beantwortung hat und alle Bieter die Antworten bei der Angebotserstellung berücksichtigen können.
Diese Strategien können dazu beitragen, dass Ihre Bieterfragen effektiv sind und zur Verbesserung Ihres Angebots beitragen.
Umgang mit den Antworten:
Die Antworten des Auftraggebers auf Bieterfragen sind für alle Bieter verbindlich und müssen bei der Angebotserstellung berücksichtigt werden:
1. Sorgfältige Prüfung: Prüfen Sie die Antworten sorgfältig und bewerten Sie, ob sie die Unklarheiten beseitigen oder neue Fragen aufwerfen.
2. Anpassung des Angebots: Passen Sie Ihr Angebot entsprechend den Antworten an. Berücksichtigen Sie dabei, dass die Antworten Teil der Vergabeunterlagen werden und für alle Bieter verbindlich sind.
3. Nachfragen bei Bedarf: Wenn die Antworten neue Unklarheiten schaffen oder nicht ausreichend sind, stellen Sie bei Bedarf weitere Fragen.
4. Dokumentation: Dokumentieren Sie, wie die Antworten in Ihrem Angebot berücksichtigt wurden, um bei Bedarf nachweisen zu können, dass Ihr Angebot den Anforderungen entspricht.
Ein professioneller Umgang mit den Antworten des Auftraggebers ist wichtig, um ein rechtssicheres und erfolgreiches Angebot zu erstellen.
Umgang mit Aufklärungsgesprächen
Aufklärungsgespräche sind ein wichtiges Instrument im Vergabeverfahren, um Unklarheiten im Angebot zu klären oder zusätzliche Informationen zu erhalten. Ein professioneller Umgang mit Aufklärungsgesprächen kann dazu beitragen, das eigene Angebot zu stärken und die Erfolgsaussichten zu verbessern.
Rechtliche Grundlagen:
Die rechtlichen Grundlagen für Aufklärungsgespräche finden sich in den vergaberechtlichen Vorschriften:
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Nach VOB/A: Nach § 15 Abs. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von den Bietern Aufklärung über ihre Angebote verlangen.
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Nach UVgO: Nach § 44 Abs. 1 UVgO darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von den Bietern Aufklärung über ihre Angebote verlangen.
Aufklärungsgespräche dienen ausschließlich der Klärung von Unklarheiten im Angebot. Sie dürfen nicht dazu genutzt werden, Verhandlungen über den Angebotsinhalt zu führen oder das Angebot nachträglich zu ändern.
Arten von Aufklärungsgesprächen:
Es gibt verschiedene Arten von Aufklärungsgesprächen, die je nach Situation eingesetzt werden können:
1. Schriftliche Aufklärung: Der Auftraggeber stellt schriftliche Fragen zum Angebot, die der Bieter schriftlich beantwortet.
2. Telefonische Aufklärung: Der Auftraggeber führt ein telefonisches Gespräch mit dem Bieter, um Unklarheiten zu klären.
3. Persönliche Aufklärung: Der Auftraggeber lädt den Bieter zu einem persönlichen Gespräch ein, um Unklarheiten zu klären.
Die Wahl der Art des Aufklärungsgesprächs hängt von der Komplexität der Unklarheiten, der verfügbaren Zeit und den spezifischen Umständen des Vergabeverfahrens ab.
Vorbereitung auf Aufklärungsgespräche:
Eine sorgfältige Vorbereitung auf Aufklärungsgespräche ist wichtig, um professionell und überzeugend aufzutreten:
1. Analyse der Anfrage: Analysieren Sie sorgfältig, welche Unklarheiten der Auftraggeber klären möchte. Bereiten Sie sich gezielt auf diese Punkte vor.
2. Überprüfung des Angebots: Überprüfen Sie Ihr Angebot hinsichtlich der angesprochenen Punkte. Identifizieren Sie mögliche Schwachstellen oder Unklarheiten.
3. Vorbereitung von Antworten: Bereiten Sie klare und präzise Antworten auf die möglichen Fragen vor. Stellen Sie sicher, dass diese mit Ihrem Angebot übereinstimmen.
4. Zusammenstellung von Unterlagen: Stellen Sie alle Unterlagen zusammen, die zur Klärung der Unklarheiten beitragen können, etwa technische Beschreibungen, Referenzen oder Zertifikate.
5. Festlegung der Teilnehmer: Legen Sie fest, wer an dem Aufklärungsgespräch teilnehmen soll. Stellen Sie sicher, dass die Teilnehmer über das erforderliche Fachwissen verfügen.
6. Abstimmung der Kommunikationsstrategie: Stimmen Sie ab, wie Sie kommunizieren wollen. Wer spricht zu welchen Themen? Wie gehen Sie mit kritischen Fragen um?
Eine sorgfältige Vorbereitung hilft, in Aufklärungsgesprächen professionell und überzeugend aufzutreten.
Durchführung von Aufklärungsgesprächen:
Bei der Durchführung von Aufklärungsgesprächen sollten folgende Aspekte beachtet werden:
1. Professionalität: Treten Sie professionell auf und zeigen Sie Ihre Kompetenz. Vermeiden Sie emotionale Reaktionen, auch wenn kritische Fragen gestellt werden.
2. Klarheit: Antworten Sie klar und präzise auf die Fragen. Vermeiden Sie Ausschweifungen oder Abschweifungen vom Thema.
3. Ehrlichkeit: Seien Sie ehrlich in Ihren Antworten. Versuchen Sie nicht, Schwachstellen zu verbergen oder Unklarheiten zu verschleiern.
4. Konsistenz: Stellen Sie sicher, dass Ihre Antworten mit Ihrem Angebot übereinstimmen. Vermeiden Sie Widersprüche oder nachträgliche Änderungen.
5. Dokumentation: Dokumentieren Sie das Gespräch sorgfältig, insbesondere die gestellten Fragen und Ihre Antworten. Dies kann bei späteren Unklarheiten hilfreich sein.
Ein professionelles Auftreten in Aufklärungsgesprächen kann dazu beitragen, das Vertrauen des Auftraggebers zu stärken und die Erfolgsaussichten zu verbessern.
Nachbereitung von Aufklärungsgesprächen:
Nach dem Aufklärungsgespräch ist eine sorgfältige Nachbereitung wichtig:
1. Dokumentation: Dokumentieren Sie das Gespräch sorgfältig, insbesondere die gestellten Fragen und Ihre Antworten.
2. Analyse: Analysieren Sie, wie das Gespräch verlaufen ist. Welche Punkte wurden geklärt? Welche Punkte sind offen geblieben?
3. Nachlieferung von Informationen: Wenn Sie im Gespräch zugesagt haben, weitere Informationen nachzuliefern, tun Sie dies zeitnah und vollständig.
4. Anpassung der Strategie: Passen Sie gegebenenfalls Ihre Strategie für das weitere Vergabeverfahren an, basierend auf den Erkenntnissen aus dem Aufklärungsgespräch.
Eine sorgfältige Nachbereitung hilft, aus dem Aufklärungsgespräch zu lernen und die Erfolgsaussichten für das weitere Vergabeverfahren zu verbessern.
Nachforderung von Unterlagen
Die Nachforderung von Unterlagen ist ein wichtiges Instrument im Vergabeverfahren, um formale Mängel im Angebot zu beheben. Ein professioneller Umgang mit Nachforderungen kann dazu beitragen, einen Ausschluss des Angebots zu vermeiden und die Erfolgsaussichten zu verbessern.
Rechtliche Grundlagen:
Die rechtlichen Grundlagen für die Nachforderung von Unterlagen finden sich in den vergaberechtlichen Vorschriften:
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Nach VOB/A: Nach § 16a VOB/A kann der Auftraggeber fehlende Erklärungen und Nachweise nachfordern. Die Nachforderung von Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, ist ausgeschlossen.
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Nach UVgO: Nach § 41 UVgO kann der Auftraggeber fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachfordern. Die Nachforderung von leistungsbezogenen Unterlagen ist nur zulässig, wenn es sich um unwesentliche Einzelangaben handelt.
Die Nachforderung von Unterlagen ist ein Recht, keine Pflicht des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, muss aber nicht, fehlende Unterlagen nachfordern.
Arten von nachforderbaren Unterlagen:
Es gibt verschiedene Arten von Unterlagen, die nachgefordert werden können:
1. Eignungsnachweise: Nachweise über die Eignung des Bieters, etwa Referenzen, Qualifikationsnachweise, Unbedenklichkeitsbescheinigungen oder Versicherungsnachweise.
2. Erklärungen: Erklärungen des Bieters, etwa Eigenerklärungen zur Eignung, zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen oder zur Einhaltung von Tariftreue- und Mindestlohnvorschriften.
3. Formale Unterlagen: Formale Unterlagen, etwa Unterschriften, Vollmachten oder Handelsregisterauszüge.
4. Unwesentliche Einzelangaben: Bei leistungsbezogenen Unterlagen können nur unwesentliche Einzelangaben nachgefordert werden, etwa fehlende Angaben zu Fabrikaten oder Typen.
Die Nachforderung von Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, ist ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere den Preis und andere wertungsrelevante Angaben.
Umgang mit Nachforderungen:
Wenn der Auftraggeber Unterlagen nachfordert, sollten folgende Aspekte beachtet werden:
1. Fristwahrung: Die nachgeforderten Unterlagen müssen innerhalb der gesetzten Frist eingereicht werden. Eine Fristverlängerung ist in der Regel nicht möglich.
2. Vollständigkeit: Alle nachgeforderten Unterlagen müssen vollständig eingereicht werden. Unvollständige Nachreichungen können zum Ausschluss des Angebots führen.
3. Formgerechtheit: Die nachgereichten Unterlagen müssen den formalen Anforderungen entsprechen, etwa hinsichtlich der Unterschrift oder der Verwendung bestimmter Formulare.
4. Inhaltliche Richtigkeit: Die nachgereichten Unterlagen müssen inhaltlich richtig sein und mit dem Angebot übereinstimmen. Widersprüche oder nachträgliche Änderungen sind nicht zulässig.
5. Dokumentation: Dokumentieren Sie sorgfältig, welche Unterlagen nachgefordert wurden und welche Sie nachgereicht haben. Dies kann bei späteren Unklarheiten hilfreich sein.
Ein professioneller Umgang mit Nachforderungen kann dazu beitragen, einen Ausschluss des Angebots zu vermeiden und die Erfolgsaussichten zu verbessern.
Strategien zur Vermeidung von Nachforderungen:
Um Nachforderungen zu vermeiden, können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Checkliste erstellen: Erstellen Sie eine detaillierte Checkliste aller erforderlichen Unterlagen auf Basis der Vergabeunterlagen.
2. Vier-Augen-Prinzip: Lassen Sie das Angebot von einer zweiten Person auf Vollständigkeit und Formgerechtheit prüfen.
3. Frühzeitige Vorbereitung: Beginnen Sie frühzeitig mit der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen, insbesondere wenn diese von Dritten beschafft werden müssen.
4. Standardisierte Prozesse: Entwickeln Sie standardisierte Prozesse für die Angebotserstellung, die sicherstellen, dass alle erforderlichen Unterlagen beigefügt werden.
5. Digitale Hilfsmittel: Nutzen Sie digitale Hilfsmittel, etwa Checklisten-Apps oder Dokumentenmanagementsysteme, um die Vollständigkeit zu überprüfen.
Die Vermeidung von Nachforderungen ist der beste Weg, um Risiken im Vergabeverfahren zu minimieren und die Erfolgsaussichten zu maximieren.
Praktische Tipps für Auftraggeber
Öffentliche Auftraggeber in Hessen stehen bei der Durchführung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich vor zahlreichen Herausforderungen. Eine rechtssichere und gleichzeitig effiziente Vergabepraxis erfordert fundierte Kenntnisse des Vergaberechts, strategisches Vorgehen und eine sorgfältige Planung. In diesem Abschnitt werden praktische Tipps und Strategien vorgestellt, die öffentlichen Auftraggebern helfen können, Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich erfolgreich durchzuführen.
Strategische Beschaffungsplanung
Eine strategische Beschaffungsplanung ist die Grundlage für erfolgreiche Vergabeverfahren. Sie umfasst die langfristige Planung des Beschaffungsbedarfs, die Bündelung gleichartiger Bedarfe und die Entwicklung einer Beschaffungsstrategie.
Bedarfsermittlung und -bündelung
Die sorgfältige Ermittlung und Bündelung des Beschaffungsbedarfs ist ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Beschaffungsplanung. Sie ermöglicht es, Synergien zu nutzen, Kosten zu senken und die Effizienz der Beschaffung zu steigern.
Systematische Bedarfsermittlung:
Die Bedarfsermittlung sollte systematisch und vorausschauend erfolgen:
1. Bestandsaufnahme: Erfassen Sie den aktuellen Bestand an Gütern und Dienstleistungen sowie deren Nutzungsdauer und Ersatzbedarf.
2. Bedarfsprognose: Prognostizieren Sie den zukünftigen Bedarf auf Basis von Erfahrungswerten, Planungen und Entwicklungen.
3. Bedarfsanalyse: Analysieren Sie den ermittelten Bedarf hinsichtlich seiner Notwendigkeit, Dringlichkeit und Wirtschaftlichkeit.
4. Bedarfsspezifikation: Spezifizieren Sie den Bedarf hinsichtlich Art, Menge, Qualität und Lieferzeit.
5. Bedarfsabstimmung: Stimmen Sie den Bedarf mit allen relevanten Stellen ab, etwa Fachabteilungen, Budgetverantwortlichen oder Nutzern.
Eine systematische Bedarfsermittlung hilft, unnötige Beschaffungen zu vermeiden und den tatsächlichen Bedarf präzise zu erfassen.
Strategien zur Bedarfsbündelung:
Die Bündelung gleichartiger Bedarfe kann zu erheblichen Vorteilen führen:
1. Zeitliche Bündelung: Fassen Sie Bedarfe zusammen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, aber gleichartig sind. Dies kann durch Rahmenverträge oder Rahmenvereinbarungen erfolgen.
2. Räumliche Bündelung: Fassen Sie Bedarfe zusammen, die an unterschiedlichen Standorten anfallen, aber gleichartig sind. Dies kann durch zentrale Beschaffungsstellen oder gemeinsame Beschaffungen erfolgen.
3. Sachliche Bündelung: Fassen Sie Bedarfe zusammen, die sachlich zusammengehören, etwa Hauptleistung und Nebenleistungen oder verschiedene Lose eines Projekts.
4. Organisatorische Bündelung: Fassen Sie Bedarfe verschiedener Organisationseinheiten zusammen, etwa durch ressortübergreifende Beschaffungen oder Einkaufsgemeinschaften.
Die Bündelung von Bedarfen kann zu Mengenrabatten, geringeren Prozesskosten und einer stärkeren Marktposition führen. Sie muss jedoch im Einklang mit dem Vergaberecht erfolgen, insbesondere hinsichtlich des Verbots der künstlichen Aufteilung oder Zusammenfassung von Aufträgen.
Grenzen der Bedarfsbündelung:
Bei der Bedarfsbündelung sind auch die Grenzen zu beachten:
1. Vergaberechtliche Grenzen: Die Bündelung darf nicht zu einer künstlichen Überschreitung der EU-Schwellenwerte führen, um die strengeren Regelungen des Oberschwellenbereichs zu umgehen.
2. Mittelstandsfreundlichkeit: Die Bündelung darf nicht dazu führen, dass kleine und mittlere Unternehmen faktisch von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden. Gegebenenfalls ist eine Aufteilung in Lose vorzusehen.
3. Wirtschaftlichkeit: Die Bündelung muss wirtschaftlich sinnvoll sein. Die Vorteile der Bündelung müssen die möglichen Nachteile, etwa höhere Transportkosten oder geringere Flexibilität, überwiegen.
4. Dringlichkeit: Bei dringenden Bedarfen kann eine Bündelung mit weniger dringenden Bedarfen zu Verzögerungen führen, die nicht akzeptabel sind.
Eine sorgfältige Abwägung dieser Grenzen ist wichtig, um die Vorteile der Bedarfsbündelung zu nutzen, ohne gegen vergaberechtliche Vorschriften zu verstoßen oder unwirtschaftlich zu handeln.
Marktanalyse und Markterkundung
Eine fundierte Kenntnis des Marktes ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Vergabeverfahren. Sie ermöglicht es, realistische Anforderungen zu stellen, angemessene Preise zu kalkulieren und geeignete Verfahren zu wählen.
Methoden der Marktanalyse:
Für die Analyse des Marktes können verschiedene Methoden eingesetzt werden:
1. Desk Research: Recherche in öffentlich zugänglichen Quellen, etwa Fachzeitschriften, Branchenberichten, Statistiken oder Internetquellen.
2. Expertenbefragungen: Befragung von Experten, etwa Fachleuten aus der eigenen Organisation, externen Beratern oder Branchenverbänden.
3. Lieferantenbefragungen: Befragung potenzieller Lieferanten, etwa durch Fragebögen, Interviews oder Informationsveranstaltungen.
4. Benchmarking: Vergleich mit ähnlichen Beschaffungen anderer öffentlicher Auftraggeber, etwa hinsichtlich Preisen, Qualitäten oder Verfahren.
5. Marktbeobachtung: Kontinuierliche Beobachtung des Marktes, etwa durch Teilnahme an Messen, Lektüre von Fachzeitschriften oder Netzwerkveranstaltungen.
Die Wahl der richtigen Methode hängt von der Art der Beschaffung, der verfügbaren Zeit und den spezifischen Informationsbedürfnissen ab.
Formelle Markterkundung:
Neben der allgemeinen Marktanalyse kann auch eine formelle Markterkundung nach § 28 VgV durchgeführt werden:
1. Rechtliche Grundlage: Die formelle Markterkundung ist in § 28 VgV geregelt und kann auch im Unterschwellenbereich analog angewendet werden.
2. Durchführung: Die Markterkundung kann durch verschiedene Maßnahmen erfolgen, etwa durch Veröffentlichung einer Vorinformation, durch Informationsveranstaltungen oder durch direkte Kontaktaufnahme mit potenziellen Bietern.
3. Transparenz: Die Markterkundung muss transparent und diskriminierungsfrei erfolgen. Alle potenziellen Bieter müssen die gleichen Informationen erhalten.
4. Dokumentation: Die Markterkundung muss sorgfältig dokumentiert werden, insbesondere hinsichtlich der kontaktierten Unternehmen, der ausgetauschten Informationen und der gewonnenen Erkenntnisse.
Die formelle Markterkundung kann wertvolle Informationen liefern, die bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden können.
Grenzen der Markterkundung:
Bei der Markterkundung sind auch die Grenzen zu beachten:
1. Wettbewerbsverzerrung: Die Markterkundung darf nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen, etwa durch Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder durch Weitergabe vertraulicher Informationen.
2. Vorfestlegung: Die Markterkundung darf nicht zu einer faktischen Vorfestlegung auf bestimmte Produkte oder Anbieter führen.
3. Transparenz: Die Ergebnisse der Markterkundung müssen allen potenziellen Bietern zugänglich gemacht werden, um Informationsasymmetrien zu vermeiden.
4. Zeitaufwand: Die Markterkundung kann zeitaufwändig sein und muss in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsvolumen stehen.
Eine sorgfältige Beachtung dieser Grenzen ist wichtig, um die Vorteile der Markterkundung zu nutzen, ohne gegen vergaberechtliche Vorschriften zu verstoßen.
Entwicklung einer Beschaffungsstrategie
Auf Basis der Bedarfsermittlung und der Marktanalyse kann eine Beschaffungsstrategie entwickelt werden. Sie legt fest, wie der ermittelte Bedarf gedeckt werden soll und welche Ziele mit der Beschaffung verfolgt werden.
Elemente einer Beschaffungsstrategie:
Eine umfassende Beschaffungsstrategie umfasst verschiedene Elemente:
1. Beschaffungsziele: Welche Ziele werden mit der Beschaffung verfolgt? Geht es primär um Kosteneffizienz, Qualität, Innovation, Nachhaltigkeit oder andere Aspekte?
2. Beschaffungsart: Soll die Leistung eingekauft, gemietet, geleast oder selbst erbracht werden? Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Optionen?
3. Verfahrenswahl: Welches Vergabeverfahren ist am besten geeignet? Öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung oder Verhandlungsvergabe?
4. Losbildung: Soll der Auftrag in Lose aufgeteilt werden? Welche Vor- und Nachteile hat eine Aufteilung in Lose?
5. Vertragsstrategie: Welche Art von Vertrag soll geschlossen werden? Einmaliger Vertrag, Rahmenvertrag oder Rahmenvereinbarung?
6. Zuschlagskriterien: Nach welchen Kriterien soll der Zuschlag erteilt werden? Niedrigster Preis oder bestes Preis-Leistungs-Verhältnis?
7. Risikomanagement: Welche Risiken sind mit der Beschaffung verbunden und wie können diese minimiert werden?
Die Entwicklung einer Beschaffungsstrategie erfordert eine sorgfältige Abwägung dieser Elemente und eine Anpassung an die spezifischen Umstände der Beschaffung.
Strategische Überlegungen:
Bei der Entwicklung einer Beschaffungsstrategie sollten verschiedene strategische Überlegungen berücksichtigt werden:
1. Langfristige vs. kurzfristige Perspektive: Soll die Beschaffung langfristige strategische Ziele unterstützen oder kurzfristige operative Bedürfnisse decken?
2. Standardisierung vs. Individualisierung: Sollen standardisierte Produkte oder Dienstleistungen beschafft werden oder sind individuelle Lösungen erforderlich?
3. Zentralisierung vs. Dezentralisierung: Soll die Beschaffung zentral oder dezentral erfolgen? Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Optionen?
4. Make or Buy: Soll die Leistung selbst erbracht oder eingekauft werden? Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Optionen?
5. Innovationsförderung: Soll die Beschaffung Innovationen fördern oder bewährte Lösungen nutzen?
6. Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielen ökologische und soziale Aspekte bei der Beschaffung?
Diese strategischen Überlegungen sollten in die Entwicklung der Beschaffungsstrategie einfließen und zu einer kohärenten Gesamtstrategie führen.
Umsetzung der Beschaffungsstrategie:
Die Umsetzung der Beschaffungsstrategie erfordert eine sorgfältige Planung und Koordination:
1. Zeitplanung: Erstellen Sie einen detaillierten Zeitplan für die Umsetzung der Beschaffungsstrategie, der alle wichtigen Meilensteine und Fristen berücksichtigt.
2. Ressourcenplanung: Planen Sie die erforderlichen personellen, finanziellen und technischen Ressourcen für die Umsetzung der Beschaffungsstrategie.
3. Verantwortlichkeiten: Legen Sie fest, wer für welche Aspekte der Umsetzung verantwortlich ist und stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten ihre Aufgaben kennen.
4. Kommunikation: Sorgen Sie für eine klare Kommunikation der Beschaffungsstrategie an alle Beteiligten, sowohl intern als auch extern.
5. Monitoring und Evaluation: Implementieren Sie Prozesse zur Überwachung und Bewertung der Umsetzung der Beschaffungsstrategie, um bei Bedarf Anpassungen vornehmen zu können.
Eine sorgfältige Umsetzung der Beschaffungsstrategie ist entscheidend für den Erfolg der Beschaffung.
Rechtssichere Gestaltung der Vergabeunterlagen
Die Vergabeunterlagen sind das Herzstück jedes Vergabeverfahrens. Sie legen die Anforderungen an die Bieter und die zu beschaffende Leistung fest und bilden die Grundlage für die Angebotserstellung und die spätere Vertragsdurchführung. Eine rechtssichere Gestaltung der Vergabeunterlagen ist daher von entscheidender Bedeutung.
Leistungsbeschreibung und Anforderungsdefinition
Die Leistungsbeschreibung ist ein zentraler Bestandteil der Vergabeunterlagen. Sie definiert, was der Auftraggeber beschaffen möchte und welche Anforderungen die Leistung erfüllen muss.
Grundsätze der Leistungsbeschreibung:
Bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung sind verschiedene Grundsätze zu beachten:
1. Eindeutigkeit: Die Leistungsbeschreibung muss eindeutig und unmissverständlich formuliert sein, um Interpretationsspielräume zu vermeiden.
2. Vollständigkeit: Die Leistungsbeschreibung muss alle für die Angebotserstellung und Leistungserbringung relevanten Informationen enthalten.
3. Neutralität: Die Leistungsbeschreibung muss produktneutral formuliert sein, es sei denn, eine Ausnahme ist gerechtfertigt. In diesem Fall ist der Zusatz „oder gleichwertig“ erforderlich.
4. Verhältnismäßigkeit: Die Anforderungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen.
5. Transparenz: Die Anforderungen müssen für alle Bieter gleichermaßen erkennbar sein.
Diese Grundsätze dienen dazu, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und vergleichbare Angebote zu erhalten.
Arten der Leistungsbeschreibung:
Nach § 7 Abs. 1 VOB/A bzw. § 23 Abs. 1 UVgO kann die Leistungsbeschreibung auf zwei Arten erfolgen:
1. Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis: Hier werden die Leistungen nach Teilleistungen in einzelnen Positionen aufgegliedert und detailliert beschrieben. Diese Form ist besonders bei Standardleistungen üblich und ermöglicht eine genaue Preiskalkulation.
2. Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm: Hier werden nur das Ziel und die Funktion der Leistung vorgegeben, während die konkrete Ausführung den Bietern überlassen bleibt. Diese Form ist besonders bei komplexen oder innovativen Leistungen sinnvoll und fördert kreative Lösungen.
Die Wahl der richtigen Art der Leistungsbeschreibung hängt von der Art der Leistung, dem Markt und den Zielen des Auftraggebers ab.
Inhalt der Leistungsbeschreibung:
Eine vollständige Leistungsbeschreibung umfasst in der Regel folgende Elemente:
-
Allgemeine Beschreibung: Überblick über den Auftragsgegenstand und die Ziele der Beschaffung.
-
Detaillierte Anforderungen: Spezifische Anforderungen an die Leistung, etwa technische Spezifikationen, Qualitätsstandards oder Leistungsparameter.
-
Rahmenbedingungen: Informationen zu den Rahmenbedingungen der Leistungserbringung, etwa Ort, Zeit oder Umgebungsbedingungen.
-
Schnittstellen: Informationen zu Schnittstellen mit anderen Systemen oder Leistungen.
-
Nebenleistungen: Informationen zu erforderlichen Nebenleistungen, etwa Installation, Schulung oder Wartung.
-
Dokumentation: Anforderungen an die Dokumentation der Leistung.
-
Abnahme und Gewährleistung: Informationen zu Abnahme, Gewährleistung und Mängelbeseitigung.
Die Leistungsbeschreibung sollte so detailliert sein, dass die Bieter ihre Preise sicher kalkulieren können, aber gleichzeitig so flexibel, dass sie Raum für innovative Lösungen lässt.
Strategien zur Erstellung einer rechtssicheren Leistungsbeschreibung:
Für die Erstellung einer rechtssicheren Leistungsbeschreibung können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Einbeziehung von Fachexperten: Beziehen Sie Fachexperten in die Erstellung der Leistungsbeschreibung ein, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden.
2. Standardisierung: Nutzen Sie standardisierte Vorlagen und Formulierungen, um Konsistenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
3. Vier-Augen-Prinzip: Lassen Sie die Leistungsbeschreibung von einer zweiten Person prüfen, um Unklarheiten oder Widersprüche zu identifizieren.
4. Marktdialog: Führen Sie vor der Erstellung der Leistungsbeschreibung einen Marktdialog durch, um realistische und marktgerechte Anforderungen zu definieren.
5. Rechtliche Prüfung: Lassen Sie die Leistungsbeschreibung rechtlich prüfen, insbesondere hinsichtlich der Produktneutralität und der Verhältnismäßigkeit der Anforderungen.
Eine sorgfältige Erstellung der Leistungsbeschreibung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und die spätere Vertragsdurchführung.
Eignungs- und Zuschlagskriterien
Die Festlegung geeigneter Eignungs- und Zuschlagskriterien ist ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Gestaltung der Vergabeunterlagen. Sie bestimmen, welche Bieter am Verfahren teilnehmen können und nach welchen Kriterien der Zuschlag erteilt wird.
Eignungskriterien:
Eignungskriterien dienen dazu, die Eignung der Bieter für die Ausführung des Auftrags zu prüfen. Sie beziehen sich auf die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter.
1. Arten von Eignungskriterien: – Fachkunde: Fachliche Qualifikation des Unternehmens und seiner Mitarbeiter, etwa durch Ausbildung, Berufserfahrung oder Referenzen. – Leistungsfähigkeit: Wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit des Unternehmens, etwa durch Umsatz, Personal oder technische Ausstattung. – Zuverlässigkeit: Zuverlässigkeit des Unternehmens, etwa durch Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, Steuerzahlungen oder Sozialabgaben.
2. Anforderungen an Eignungskriterien: – Auftragsbezug: Die Eignungskriterien müssen einen Bezug zum Auftragsgegenstand haben. – Verhältnismäßigkeit: Die Eignungskriterien müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen. – Transparenz: Die Eignungskriterien müssen in den Vergabeunterlagen klar und eindeutig formuliert sein. – Diskriminierungsfreiheit: Die Eignungskriterien dürfen nicht diskriminierend sein, etwa durch ungerechtfertigte Bevorzugung bestimmter Bieter.
3. Nachweise für die Eignung: – Eigenerklärungen: Erklärungen des Bieters über seine Eignung. – Präqualifikation: Nachweis der Eignung durch Eintragung in ein Präqualifikationsverzeichnis. – Einzelnachweise: Spezifische Nachweise für einzelne Eignungskriterien, etwa Referenzen, Zertifikate oder Bilanzen.
Die Festlegung angemessener Eignungskriterien ist wichtig, um sicherzustellen, dass nur geeignete Bieter am Verfahren teilnehmen, ohne den Wettbewerb unnötig einzuschränken.
Zuschlagskriterien:
Zuschlagskriterien dienen dazu, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Sie können sich auf den Preis, die Qualität oder andere Aspekte der angebotenen Leistung beziehen.
1. Arten von Zuschlagskriterien: – Preis: Der Preis ist das einfachste und am häufigsten verwendete Zuschlagskriterium. – Qualität: Die Qualität der angebotenen Leistung, etwa hinsichtlich technischer Merkmale, Funktionalität oder Ästhetik. – Lieferzeit: Die Zeit bis zur Lieferung oder Fertigstellung der Leistung. – Betriebskosten: Die Kosten für den Betrieb oder die Nutzung der Leistung. – Umweltaspekte: Umweltbezogene Aspekte der Leistung, etwa Energieeffizienz oder Recyclingfähigkeit. – Soziale Aspekte: Soziale Aspekte der Leistung, etwa Barrierefreiheit oder Arbeitsbedingungen.
2. Anforderungen an Zuschlagskriterien: – Auftragsbezug: Die Zuschlagskriterien müssen einen Bezug zum Auftragsgegenstand haben. – Verhältnismäßigkeit: Die Zuschlagskriterien müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen. – Transparenz: Die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung müssen in den Vergabeunterlagen klar und eindeutig formuliert sein. – Diskriminierungsfreiheit: Die Zuschlagskriterien dürfen nicht diskriminierend sein, etwa durch ungerechtfertigte Bevorzugung bestimmter Bieter. – Objektivität: Die Zuschlagskriterien müssen objektiv bewertbar sein und dürfen keinen unbegrenzten Entscheidungsspielraum eröffnen.
3. Gewichtung der Zuschlagskriterien: – Prozentuale Gewichtung: Die Zuschlagskriterien können prozentual gewichtet werden, etwa 60% Preis und 40% Qualität. – Punktesystem: Die Zuschlagskriterien können durch ein Punktesystem gewichtet werden, etwa maximal 60 Punkte für den Preis und maximal 40 Punkte für die Qualität. – Rangfolge: Die Zuschlagskriterien können in einer Rangfolge angeordnet werden, wobei das höherrangige Kriterium bei Gleichheit des niederrangigen Kriteriums entscheidet.
Die Festlegung angemessener Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung ist wichtig, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Strategien zur Festlegung geeigneter Kriterien:
Für die Festlegung geeigneter Eignungs- und Zuschlagskriterien können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Bedarfsanalyse: Analysieren Sie sorgfältig, welche Anforderungen an die Bieter und die Leistung gestellt werden müssen, um den Bedarf optimal zu decken.
2. Marktanalyse: Analysieren Sie den Markt, um realistische und marktgerechte Kriterien festzulegen, die einen ausreichenden Wettbewerb ermöglichen.
3. Standardisierung: Nutzen Sie standardisierte Kriterien und Formulierungen, um Konsistenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
4. Vier-Augen-Prinzip: Lassen Sie die Kriterien von einer zweiten Person prüfen, um Unklarheiten oder Widersprüche zu identifizieren.
5. Rechtliche Prüfung: Lassen Sie die Kriterien rechtlich prüfen, insbesondere hinsichtlich des Auftragsbezugs, der Verhältnismäßigkeit und der Diskriminierungsfreiheit.
Eine sorgfältige Festlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und die spätere Vertragsdurchführung.
Vertragsbedingungen und Risikoverteilung
Die Vertragsbedingungen sind ein weiterer wichtiger Bestandteil der Vergabeunterlagen. Sie regeln die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien und die Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
Arten von Vertragsbedingungen:
In den Vergabeunterlagen können verschiedene Arten von Vertragsbedingungen enthalten sein:
1. Allgemeine Vertragsbedingungen: Standardisierte Bedingungen, die für alle Verträge eines bestimmten Typs gelten, etwa die VOB/B für Bauverträge oder die VOL/B für Liefer- und Dienstleistungsverträge.
2. Besondere Vertragsbedingungen: Spezifische Bedingungen, die für den konkreten Vertrag gelten und die allgemeinen Bedingungen ergänzen oder modifizieren.
3. Zusätzliche Vertragsbedingungen: Weitere Bedingungen, die weder in den allgemeinen noch in den besonderen Bedingungen enthalten sind, etwa spezielle technische oder organisatorische Anforderungen.
4. Vertragsentwurf: Ein vollständiger Entwurf des Vertrags, der nach Zuschlagserteilung geschlossen werden soll.
Die Wahl der richtigen Art von Vertragsbedingungen hängt von der Art der Leistung, dem Markt und den Zielen des Auftraggebers ab.
Inhalt der Vertragsbedingungen:
Die Vertragsbedingungen sollten alle wesentlichen Aspekte des Vertragsverhältnisses regeln:
-
Leistungsumfang: Detaillierte Beschreibung der zu erbringenden Leistung.
-
Vergütung: Höhe, Art und Zeitpunkt der Vergütung, etwa Festpreis, Einheitspreise oder Stundensätze.
-
Leistungszeit: Beginn, Dauer und Ende der Leistungserbringung, etwa Liefertermine oder Ausführungsfristen.
-
Abnahme: Voraussetzungen und Verfahren für die Abnahme der Leistung.
-
Gewährleistung: Umfang und Dauer der Gewährleistung, Verfahren bei Mängeln.
-
Haftung: Umfang und Grenzen der Haftung, Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen.
-
Kündigung: Voraussetzungen und Folgen einer Kündigung, ordentliche und außerordentliche Kündigung.
-
Sicherheiten: Art und Umfang von Sicherheiten, etwa Vertragserfüllungsbürgschaften oder Gewährleistungsbürgschaften.
-
Geheimhaltung: Verpflichtungen zur Geheimhaltung vertraulicher Informationen.
-
Datenschutz: Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten.
-
Rechte an Arbeitsergebnissen: Regelungen zu Urheberrechten, Patenten oder anderen Schutzrechten.
-
Streitbeilegung: Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten, etwa Mediation, Schlichtung oder Schiedsverfahren.
Die Vertragsbedingungen sollten so gestaltet sein, dass sie die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigen und eine faire Risikoverteilung gewährleisten.
Risikoverteilung:
Die Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist ein zentraler Aspekt der Vertragsbedingungen. Sie bestimmt, wer für welche Risiken verantwortlich ist und welche Folgen eintreten, wenn sich ein Risiko realisiert.
1. Arten von Risiken: – Leistungsrisiken: Risiken im Zusammenhang mit der Erbringung der Leistung, etwa Qualitätsmängel oder Verzögerungen. – Preisrisiken: Risiken im Zusammenhang mit der Preisentwicklung, etwa Materialpreissteigerungen oder Lohnkostenerhöhungen. – Mengenrisiken: Risiken im Zusammenhang mit der Menge der Leistung, etwa Mehr- oder Mindermengen. – Bedarfsrisiken: Risiken im Zusammenhang mit dem Bedarf an der Leistung, etwa Änderungen des Bedarfs oder Wegfall des Bedarfs. – Umfeldrisiken: Risiken im Zusammenhang mit dem Umfeld der Leistungserbringung, etwa Witterungseinflüsse oder behördliche Auflagen.
2. Grundsätze der Risikoverteilung: – Verursacherprinzip: Risiken sollten grundsätzlich von der Partei getragen werden, die sie am besten beeinflussen oder kontrollieren kann. – Wirtschaftlichkeitsprinzip: Die Risikoverteilung sollte wirtschaftlich sinnvoll sein und keine unverhältnismäßigen Kosten verursachen. – Transparenzprinzip: Die Risikoverteilung sollte transparent und für beide Parteien verständlich sein. – Fairnessprinzip: Die Risikoverteilung sollte fair sein und keine Partei unangemessen benachteiligen.
3. Instrumente der Risikoverteilung: – Vertragsklauseln: Spezifische Klauseln, die die Risikoverteilung regeln, etwa Preisanpassungsklauseln oder Force-Majeure-Klauseln. – Versicherungen: Versicherungen, die bestimmte Risiken abdecken, etwa Haftpflichtversicherungen oder Bauwesenversicherungen. – Sicherheiten: Sicherheiten, die bestimmte Risiken absichern, etwa Bürgschaften oder Garantien. – Vertragsstrafen: Vertragsstrafen, die bei Nichteinhaltung bestimmter Verpflichtungen fällig werden, etwa bei Verzögerungen oder Qualitätsmängeln.
Eine angemessene Risikoverteilung ist wichtig, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und wirtschaftliche Angebote zu erhalten. Eine einseitige Risikoverteilung zu Lasten des Auftragnehmers kann zu höheren Preisen oder geringerer Beteiligung führen.
Strategien zur Gestaltung rechtssicherer Vertragsbedingungen:
Für die Gestaltung rechtssicherer Vertragsbedingungen können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Standardisierung: Nutzen Sie standardisierte Vertragsbedingungen, etwa die VOB/B oder die VOL/B, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
2. Anpassung an den Einzelfall: Passen Sie die standardisierten Bedingungen an die spezifischen Anforderungen des Einzelfalls an, ohne die Grundprinzipien zu verletzen.
3. Klare Formulierung: Formulieren Sie die Vertragsbedingungen klar und eindeutig, um Interpretationsspielräume zu vermeiden.
4. Ausgewogene Gestaltung: Gestalten Sie die Vertragsbedingungen ausgewogen, um eine faire Risikoverteilung zu gewährleisten und wirtschaftliche Angebote zu erhalten.
5. Rechtliche Prüfung: Lassen Sie die Vertragsbedingungen rechtlich prüfen, insbesondere hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Vergaberecht und dem allgemeinen Vertragsrecht.
Eine sorgfältige Gestaltung der Vertragsbedingungen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und die spätere Vertragsdurchführung.
Effiziente Durchführung des Vergabeverfahrens
Die effiziente Durchführung des Vergabeverfahrens ist ein weiterer wichtiger Aspekt für öffentliche Auftraggeber. Sie umfasst die Organisation des Verfahrens, die Kommunikation mit den Bietern, die Angebotswertung und die Dokumentation des Verfahrens.
Verfahrensorganisation und Zeitmanagement
Eine gute Organisation des Vergabeverfahrens und ein effektives Zeitmanagement sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Sie helfen, das Verfahren effizient und rechtssicher durchzuführen und Verzögerungen zu vermeiden.
Verfahrensorganisation:
Die Organisation des Vergabeverfahrens umfasst verschiedene Aspekte:
1. Projektteam: Zusammenstellung eines kompetenten Projektteams mit klaren Rollen und Verantwortlichkeiten.
2. Prozessgestaltung: Festlegung der Prozesse und Abläufe für das Vergabeverfahren, etwa für die Erstellung der Vergabeunterlagen, die Beantwortung von Bieterfragen oder die Angebotswertung.
3. Ressourcenplanung: Planung der erforderlichen personellen, finanziellen und technischen Ressourcen für das Vergabeverfahren.
4. Kommunikationsplanung: Festlegung der Kommunikationswege und -prozesse, sowohl intern als auch mit den Bietern.
5. Risikomanagement: Identifikation potenzieller Risiken und Entwicklung von Strategien zu ihrer Bewältigung.
Eine gute Verfahrensorganisation hilft, das Vergabeverfahren effizient und rechtssicher durchzuführen und Fehler zu vermeiden.
Zeitmanagement:
Ein effektives Zeitmanagement ist wichtig, um das Vergabeverfahren termingerecht abzuschließen und die gesetzlichen Fristen einzuhalten:
1. Zeitplanung: Erstellung eines detaillierten Zeitplans für das Vergabeverfahren, der alle wichtigen Meilensteine und Fristen berücksichtigt.
2. Fristenmanagement: Überwachung und Einhaltung der gesetzlichen und selbst gesetzten Fristen, etwa für die Bekanntmachung, die Angebotsabgabe oder die Zuschlagserteilung.
3. Pufferzeiten: Einplanung von Pufferzeiten für unvorhergesehene Ereignisse oder Verzögerungen.
4. Priorisierung: Priorisierung der Aufgaben nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit.
5. Delegation: Delegation von Aufgaben an kompetente Mitarbeiter, um die Arbeitslast zu verteilen und Engpässe zu vermeiden.
Ein effektives Zeitmanagement hilft, das Vergabeverfahren termingerecht abzuschließen und Verzögerungen zu vermeiden.
Strategien für eine effiziente Verfahrensorganisation:
Für eine effiziente Verfahrensorganisation können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Standardisierung: Nutzen Sie standardisierte Prozesse und Vorlagen, um Effizienz und Konsistenz zu gewährleisten.
2. Digitalisierung: Nutzen Sie digitale Tools und Plattformen, etwa Vergabeplattformen oder Projektmanagement-Software, um die Effizienz zu steigern.
3. Klare Verantwortlichkeiten: Legen Sie klare Rollen und Verantwortlichkeiten fest, um Doppelarbeit und Unklarheiten zu vermeiden.
4. Regelmäßige Statusmeetings: Führen Sie regelmäßige Statusmeetings durch, um den Fortschritt zu überwachen und Probleme frühzeitig zu erkennen.
5. Kontinuierliche Verbesserung: Analysieren Sie abgeschlossene Vergabeverfahren, um Lehren zu ziehen und die Prozesse kontinuierlich zu verbessern.
Eine effiziente Verfahrensorganisation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und trägt zur Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit bei.
Professionelle Bieterkommunikation
Die Kommunikation mit den Bietern ist ein wichtiger Aspekt des Vergabeverfahrens. Eine professionelle und transparente Kommunikation trägt zur Rechtssicherheit bei und erhöht die Qualität der Angebote.
Kommunikationskanäle:
Für die Kommunikation mit den Bietern stehen verschiedene Kanäle zur Verfügung:
1. Vergabeplattformen: Elektronische Plattformen, über die die Vergabeunterlagen bereitgestellt und Bieterfragen beantwortet werden können.
2. E-Mail: Elektronische Post für die direkte Kommunikation mit einzelnen Bietern oder für die Beantwortung von Bieterfragen.
3. Telefon: Telefonische Kommunikation für dringende Fragen oder Klärungen.
4. Persönliche Gespräche: Persönliche Gespräche für komplexe Fragen oder Aufklärungsgespräche.
5. Informationsveranstaltungen: Veranstaltungen, bei denen die Vergabeunterlagen vorgestellt und Fragen beantwortet werden können.
Die Wahl des richtigen Kommunikationskanals hängt von der Art der Kommunikation, der Dringlichkeit und den spezifischen Umständen des Vergabeverfahrens ab.
Beantwortung von Bieterfragen:
Die Beantwortung von Bieterfragen ist ein wichtiger Aspekt der Bieterkommunikation:
1. Rechtliche Grundlagen: Nach § 7 Abs. 4 VOB/A bzw. § 7 Abs. 4 UVgO müssen Auftraggeber Auskünfte zu den Vergabeunterlagen erteilen, wenn diese rechtzeitig angefordert werden.
2. Gleichbehandlung: Die Antworten müssen allen Bietern in gleicher Weise zur Verfügung gestellt werden, um die Gleichbehandlung zu gewährleisten.
3. Transparenz: Die Antworten müssen transparent und nachvollziehbar sein, um Missverständnisse zu vermeiden.
4. Rechtzeitigkeit: Die Antworten müssen rechtzeitig erfolgen, damit die Bieter sie bei der Angebotserstellung berücksichtigen können.
5. Dokumentation: Die Fragen und Antworten müssen sorgfältig dokumentiert werden, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten.
Eine professionelle Beantwortung von Bieterfragen trägt zur Rechtssicherheit bei und erhöht die Qualität der Angebote.
Aufklärungsgespräche:
Aufklärungsgespräche dienen dazu, Unklarheiten in den Angeboten zu klären:
1. Rechtliche Grundlagen: Nach § 15 Abs. 1 VOB/A bzw. § 44 Abs. 1 UVgO darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von den Bietern Aufklärung über ihre Angebote verlangen.
2. Zweck: Aufklärungsgespräche dienen ausschließlich der Klärung von Unklarheiten im Angebot. Sie dürfen nicht dazu genutzt werden, Verhandlungen über den Angebotsinhalt zu führen oder das Angebot nachträglich zu ändern.
3. Durchführung: Aufklärungsgespräche können schriftlich, telefonisch oder persönlich durchgeführt werden. Sie sollten sorgfältig vorbereitet und dokumentiert werden.
4. Gleichbehandlung: Alle Bieter müssen gleich behandelt werden. Wenn mit einem Bieter ein Aufklärungsgespräch geführt wird, müssen auch andere Bieter die Möglichkeit erhalten, Unklarheiten in ihren Angeboten zu klären.
5. Dokumentation: Aufklärungsgespräche müssen sorgfältig dokumentiert werden, insbesondere hinsichtlich der gestellten Fragen und der gegebenen Antworten.
Aufklärungsgespräche können dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und die Qualität der Angebotswertung zu verbessern.
Informations- und Wartepflichten:
Im Unterschwellenbereich bestehen keine gesetzlichen Informations- und Wartepflichten vor Zuschlagserteilung, wie sie im Oberschwellenbereich nach § 134 GWB vorgeschrieben sind. Dennoch ist es gute Praxis, die unterlegenen Bieter vor Zuschlagserteilung zu informieren:
1. Information der unterlegenen Bieter: Information der unterlegenen Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung und die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots.
2. Wartepflicht: Freiwillige Einhaltung einer angemessenen Wartefrist zwischen der Information der unterlegenen Bieter und der Zuschlagserteilung, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Rückfragen zu stellen oder Rügen zu erheben.
3. Begründung: Begründung der Entscheidung in angemessenem Umfang, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.
4. Dokumentation: Dokumentation der Information und der Reaktionen der Bieter, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten.
Die freiwillige Einhaltung von Informations- und Wartepflichten kann dazu beitragen, Nachprüfungsverfahren zu vermeiden und die Akzeptanz der Entscheidung zu erhöhen.
Strategien für eine professionelle Bieterkommunikation:
Für eine professionelle Bieterkommunikation können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Klare Kommunikationswege: Legen Sie klare Kommunikationswege fest und kommunizieren Sie diese an die Bieter.
2. Einheitliche Ansprechpartner: Benennen Sie einheitliche Ansprechpartner für die Bieter, um Konsistenz und Kontinuität zu gewährleisten.
3. Standardisierte Prozesse: Entwickeln Sie standardisierte Prozesse für die Bieterkommunikation, etwa für die Beantwortung von Bieterfragen oder die Durchführung von Aufklärungsgesprächen.
4. Transparente Kommunikation: Kommunizieren Sie transparent und nachvollziehbar, um Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen zu schaffen.
5. Dokumentation: Dokumentieren Sie die Kommunikation sorgfältig, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten.
Eine professionelle Bieterkommunikation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und trägt zur Rechtssicherheit und Qualität der Angebote bei.
Angebotswertung und Zuschlagserteilung
Die Angebotswertung und Zuschlagserteilung sind zentrale Phasen des Vergabeverfahrens. Eine sorgfältige und transparente Wertung ist wichtig, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln und einen rechtssicheren Zuschlag zu erteilen.
Angebotswertung:
Die Angebotswertung erfolgt in mehreren Schritten:
1. Formale Prüfung: Prüfung der Angebote auf formale Vollständigkeit und Einhaltung der Formvorschriften. Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, werden ausgeschlossen.
2. Eignungsprüfung: Prüfung der Eignung der Bieter anhand der festgelegten Eignungskriterien. Bieter, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, werden ausgeschlossen.
3. Prüfung der Angemessenheit der Preise: Prüfung, ob die angebotenen Preise angemessen sind. Angebote mit unangemessen niedrigen oder hohen Preisen können ausgeschlossen werden, wenn der Bieter die Angemessenheit nicht nachweisen kann.
4. Wertung nach Zuschlagskriterien: Wertung der verbleibenden Angebote anhand der festgelegten Zuschlagskriterien. Je nach Zuschlagskriterien kann dies eine reine Preiswertung oder eine Wertung nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sein.
5. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots: Ermittlung des Angebots, das nach den festgelegten Zuschlagskriterien das wirtschaftlichste ist.
Eine sorgfältige und transparente Angebotswertung ist wichtig, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln und einen rechtssicheren Zuschlag zu erteilen.
Methoden der Angebotswertung:
Je nach Zuschlagskriterien können verschiedene Methoden der Angebotswertung eingesetzt werden:
1. Niedrigster Preis: Bei dieser Methode erhält das Angebot mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag. Diese Methode ist einfach und transparent, berücksichtigt jedoch keine qualitativen Aspekte.
2. Gewichtete Kriterien: Bei dieser Methode werden verschiedene Kriterien (Preis, Qualität, Lieferzeit etc.) gewichtet und die Angebote anhand dieser Kriterien bewertet. Das Angebot mit der höchsten Gesamtpunktzahl erhält den Zuschlag.
3. Nutzwertanalyse: Bei dieser Methode werden die Angebote anhand verschiedener Kriterien bewertet und die Bewertungen in Nutzwerte umgerechnet. Das Angebot mit dem höchsten Nutzwert erhält den Zuschlag.
4. Kosten-Nutzen-Analyse: Bei dieser Methode werden die Kosten und der Nutzen der Angebote analysiert und verglichen. Das Angebot mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis erhält den Zuschlag.
Die Wahl der richtigen Methode hängt von den Zuschlagskriterien, der Art der Leistung und den Zielen des Auftraggebers ab.
Zuschlagserteilung:
Nach Abschluss der Angebotswertung erfolgt die Zuschlagserteilung:
1. Zuschlagsentscheidung: Entscheidung, welches Angebot den Zuschlag erhalten soll. Diese Entscheidung muss auf Basis der festgelegten Zuschlagskriterien getroffen werden.
2. Information der Bieter: Information der Bieter über die Zuschlagsentscheidung. Im Unterschwellenbereich besteht keine gesetzliche Informationspflicht, es ist jedoch gute Praxis, alle Bieter zu informieren.
3. Zuschlagserteilung: Erteilung des Zuschlags an den erfolgreichen Bieter. Der Zuschlag kann schriftlich, elektronisch oder mündlich erteilt werden, sollte jedoch aus Beweisgründen schriftlich oder elektronisch erfolgen.
4. Vertragsschluss: Mit der Zuschlagserteilung kommt der Vertrag zustande. Der Vertrag umfasst die Vergabeunterlagen, das Angebot des Bieters und den Zuschlag.
5. Dokumentation: Dokumentation der Zuschlagsentscheidung und -erteilung im Vergabevermerk.
Eine sorgfältige und transparente Zuschlagserteilung ist wichtig, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.
Strategien für eine effiziente Angebotswertung:
Für eine effiziente Angebotswertung können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Standardisierte Wertungsbögen: Entwickeln Sie standardisierte Wertungsbögen, die alle relevanten Kriterien und ihre Gewichtung enthalten.
2. Klare Bewertungskriterien: Legen Sie klare und objektive Bewertungskriterien fest, um subjektive Einflüsse zu minimieren.
3. Vier-Augen-Prinzip: Lassen Sie die Angebotswertung von mindestens zwei Personen durchführen, um Fehler zu vermeiden und die Objektivität zu erhöhen.
4. Transparente Dokumentation: Dokumentieren Sie die Angebotswertung transparent und nachvollziehbar, um die Entscheidung begründen zu können.
5. Rechtliche Prüfung: Lassen Sie die Angebotswertung und Zuschlagsentscheidung rechtlich prüfen, insbesondere bei komplexen oder strittigen Fällen.
Eine effiziente Angebotswertung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und trägt zur Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit bei.
Dokumentation und Vergabevermerk
Die Dokumentation des Vergabeverfahrens und die Erstellung eines Vergabevermerks sind wichtige Aspekte für die Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens.
Bedeutung der Dokumentation:
Eine sorgfältige Dokumentation des Vergabeverfahrens hat verschiedene Funktionen:
1. Nachweis der Rechtmäßigkeit: Die Dokumentation dient als Nachweis dafür, dass das Vergabeverfahren rechtmäßig durchgeführt wurde.
2. Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Die Dokumentation macht das Verfahren transparent und nachvollziehbar, sowohl für interne Zwecke als auch für externe Prüfungen.
3. Grundlage für Entscheidungen: Die Dokumentation bildet die Grundlage für Entscheidungen im Vergabeverfahren, etwa für die Auswahl des Vergabeverfahrens oder die Zuschlagsentscheidung.
4. Beweissicherung: Die Dokumentation dient der Beweissicherung für den Fall von Nachprüfungsverfahren oder Rechtsstreitigkeiten.
5. Wissensmanagement: Die Dokumentation ermöglicht es, Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Vergabeverfahren für zukünftige Verfahren zu nutzen.
Eine sorgfältige Dokumentation ist daher ein wesentlicher Bestandteil eines rechtssicheren Vergabeverfahrens.
Inhalt des Vergabevermerks:
Der Vergabevermerk ist das zentrale Dokument für die Dokumentation des Vergabeverfahrens. Er sollte folgende Informationen enthalten:
1. Gegenstand der Vergabe: Beschreibung des Auftragsgegenstands und des geschätzten Auftragswerts.
2. Verfahrensart: Angabe der gewählten Verfahrensart und Begründung der Wahl, insbesondere bei beschränkter Ausschreibung oder Verhandlungsvergabe.
3. Teilnehmer: Liste der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden oder sich beworben haben.
4. Angebote: Liste der eingegangenen Angebote mit Angabe der Bieter und der angebotenen Preise.
5. Eignungsprüfung: Ergebnisse der Eignungsprüfung und Begründung für den Ausschluss von Bietern wegen mangelnder Eignung.
6. Angebotsprüfung: Ergebnisse der Angebotsprüfung und Begründung für den Ausschluss von Angeboten wegen formaler oder inhaltlicher Mängel.
7. Angebotswertung: Darstellung der Angebotswertung anhand der festgelegten Zuschlagskriterien und Begründung der Zuschlagsentscheidung.
8. Besondere Vorkommnisse: Dokumentation besonderer Vorkommnisse im Vergabeverfahren, etwa Bieterfragen, Aufklärungsgespräche oder Nachforderungen.
9. Zuschlagserteilung: Angabe des erfolgreichen Bieters, des Zuschlagspreises und des Zeitpunkts der Zuschlagserteilung.
Der Vergabevermerk sollte so detailliert sein, dass ein Dritter, der mit dem Vergabeverfahren nicht vertraut ist, die Entscheidungen nachvollziehen kann.
Aufbewahrung der Vergabeunterlagen:
Die Vergabeunterlagen müssen für einen angemessenen Zeitraum aufbewahrt werden:
1. Aufbewahrungsfrist: Nach § 20 VOB/A bzw. § 46 UVgO sind die Vergabeunterlagen für mindestens drei Jahre nach Zuschlagserteilung aufzubewahren.
2. Umfang: Zu den aufzubewahrenden Unterlagen gehören alle Dokumente, die für das Vergabeverfahren relevant sind, etwa die Vergabeunterlagen, die Angebote, die Korrespondenz mit den Bietern und der Vergabevermerk.
3. Form: Die Unterlagen können in Papierform oder elektronisch aufbewahrt werden. Bei elektronischer Aufbewahrung müssen die Integrität und Authentizität der Dokumente gewährleistet sein.
4. Zugriff: Die Unterlagen müssen so aufbewahrt werden, dass sie bei Bedarf zugänglich sind, etwa für interne Prüfungen, externe Kontrollen oder Nachprüfungsverfahren.
Eine ordnungsgemäße Aufbewahrung der Vergabeunterlagen ist wichtig, um die Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten.
Strategien für eine effiziente Dokumentation:
Für eine effiziente Dokumentation können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Kontinuierliche Dokumentation: Dokumentieren Sie das Vergabeverfahren kontinuierlich, nicht erst am Ende. Dies erleichtert die Arbeit und verhindert, dass wichtige Informationen verloren gehen.
2. Standardisierte Vorlagen: Nutzen Sie standardisierte Vorlagen für die Dokumentation, etwa für den Vergabevermerk oder für Protokolle von Bietergesprächen.
3. Digitale Dokumentation: Nutzen Sie digitale Tools für die Dokumentation, etwa Vergabeplattformen oder Dokumentenmanagementsysteme.
4. Klare Verantwortlichkeiten: Legen Sie klare Verantwortlichkeiten für die Dokumentation fest, um sicherzustellen, dass alle relevanten Informationen erfasst werden.
5. Regelmäßige Überprüfung: Überprüfen Sie die Dokumentation regelmäßig auf Vollständigkeit und Aktualität, um Lücken frühzeitig zu erkennen und zu schließen.
Eine effiziente Dokumentation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Vergabeverfahren und trägt zur Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit bei.
Vertragsmanagement und Leistungsüberwachung
Nach der Zuschlagserteilung beginnt die Phase des Vertragsmanagements und der Leistungsüberwachung. Eine sorgfältige Überwachung der Vertragserfüllung ist wichtig, um sicherzustellen, dass die vereinbarte Leistung in der vereinbarten Qualität, Zeit und zu den vereinbarten Kosten erbracht wird.
Vertragscontrolling und Änderungsmanagement
Das Vertragscontrolling und das Änderungsmanagement sind wichtige Aspekte des Vertragsmanagements. Sie helfen, die Vertragserfüllung zu überwachen und auf Änderungen angemessen zu reagieren.
Vertragscontrolling:
Das Vertragscontrolling umfasst die Überwachung und Steuerung der Vertragserfüllung:
1. Leistungsüberwachung: Überwachung der Leistungserbringung hinsichtlich Qualität, Menge, Zeit und Kosten.
2. Terminüberwachung: Überwachung der Einhaltung von Terminen und Fristen, etwa für Lieferungen, Teilleistungen oder Meilensteine.
3. Kostenüberwachung: Überwachung der Kosten und Vergleich mit dem vereinbarten Budget, insbesondere bei Verträgen mit variablen Kosten.
4. Qualitätsüberwachung: Überwachung der Qualität der erbrachten Leistungen und Vergleich mit den vereinbarten Qualitätsstandards.
5. Dokumentation: Dokumentation der Leistungserbringung, etwa durch Protokolle, Berichte oder Fotodokumentation.
Ein effektives Vertragscontrolling hilft, Abweichungen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Änderungsmanagement:
Das Änderungsmanagement umfasst den Umgang mit Änderungen während der Vertragslaufzeit:
1. Änderungsbedarf: Identifikation des Änderungsbedarfs, etwa aufgrund geänderter Anforderungen, technischer Probleme oder externer Faktoren.
2. Änderungsbewertung: Bewertung der Änderungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Leistung, Zeit und Kosten.
3. Änderungsentscheidung: Entscheidung über die Umsetzung der Änderungen unter Berücksichtigung der vergaberechtlichen Grenzen.
4. Änderungsumsetzung: Umsetzung der Änderungen durch Anpassung des Vertrags oder der Leistungserbringung.
5. Dokumentation: Dokumentation der Änderungen und ihrer Auswirkungen, etwa durch Nachträge, Protokolle oder Berichte.
Ein effektives Änderungsmanagement hilft, auf Änderungen angemessen zu reagieren und die Rechtssicherheit zu wahren.
Vergaberechtliche Grenzen von Vertragsänderungen:
Bei Vertragsänderungen sind die vergaberechtlichen Grenzen zu beachten:
1. Wesentliche Änderungen: Wesentliche Änderungen des Vertrags können eine Neuvergabe erfordern. Eine Änderung ist wesentlich, wenn sie den Charakter des Vertrags verändert oder den Wettbewerb nachträglich verfälscht.
2. Unwesentliche Änderungen: Unwesentliche Änderungen sind ohne Neuvergabe möglich. Eine Änderung ist unwesentlich, wenn sie den Charakter des Vertrags nicht verändert und den Wettbewerb nicht nachträglich verfälscht.
3. Vorhersehbare Änderungen: Änderungen, die in den Vergabeunterlagen vorgesehen sind, etwa durch Optionen oder Preisanpassungsklauseln, sind in der Regel zulässig.
4. Zusätzliche Leistungen: Zusätzliche Leistungen können unter bestimmten Voraussetzungen ohne Neuvergabe beauftragt werden, etwa wenn sie technisch oder wirtschaftlich nicht vom Hauptauftrag getrennt werden können.
5. Ersetzung des Auftragnehmers: Die Ersetzung des Auftragnehmers ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, etwa bei Unternehmensumstrukturierungen oder Insolvenz.
Die Beachtung dieser Grenzen ist wichtig, um vergaberechtliche Verstöße zu vermeiden und die Rechtssicherheit zu wahren.
Strategien für ein effektives Vertragsmanagement:
Für ein effektives Vertragsmanagement können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Klare Verantwortlichkeiten: Legen Sie klare Verantwortlichkeiten für das Vertragsmanagement fest, etwa durch Benennung eines Vertragsmanagers oder eines Projektleiters.
2. Regelmäßige Kontrollen: Führen Sie regelmäßige Kontrollen der Leistungserbringung durch, etwa durch Baustellenbegehungen, Qualitätskontrollen oder Statusmeetings.
3. Dokumentation: Dokumentieren Sie die Leistungserbringung und alle Abweichungen sorgfältig, um bei Streitigkeiten Beweise zu haben.
4. Kommunikation: Pflegen Sie eine offene und konstruktive Kommunikation mit dem Auftragnehmer, um Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
5. Frühzeitige Intervention: Intervenieren Sie frühzeitig bei Abweichungen oder Problemen, um größere Schäden zu vermeiden.
Ein effektives Vertragsmanagement ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Durchführung des Auftrags und trägt zur Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit bei.
Abnahme und Gewährleistungsmanagement
Die Abnahme und das Gewährleistungsmanagement sind wichtige Phasen am Ende der Leistungserbringung. Sie dienen dazu, die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags festzustellen und Mängel zu beseitigen.
Abnahme:
Die Abnahme ist die Erklärung des Auftraggebers, dass die Leistung im Wesentlichen vertragsgemäß erbracht wurde:
1. Arten der Abnahme: Die Abnahme kann förmlich (durch Abnahmeprotokoll), konkludent (durch Ingebrauchnahme) oder fiktiv (durch Ablauf einer Frist) erfolgen.
2. Voraussetzungen: Voraussetzung für die Abnahme ist, dass die Leistung im Wesentlichen vertragsgemäß erbracht wurde. Unwesentliche Mängel stehen der Abnahme nicht entgegen.
3. Abnahmeprotokoll: Bei der förmlichen Abnahme wird ein Abnahmeprotokoll erstellt, in dem die Leistung beschrieben und festgestellte Mängel dokumentiert werden.
4. Rechtsfolgen: Mit der Abnahme gehen die Gefahr und die Beweislast für Mängel auf den Auftraggeber über, die Vergütung wird fällig und die Gewährleistungsfrist beginnt.
5. Verweigerung: Die Abnahme kann verweigert werden, wenn wesentliche Mängel vorliegen. Die Verweigerung muss begründet werden.
Eine sorgfältige Abnahme ist wichtig, um die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags festzustellen und Mängel zu dokumentieren.
Gewährleistungsmanagement:
Das Gewährleistungsmanagement umfasst den Umgang mit Mängeln während der Gewährleistungsfrist:
1. Gewährleistungsfrist: Die Gewährleistungsfrist beträgt nach § 13 VOB/B für Bauleistungen in der Regel 4 Jahre, nach BGB für Werkleistungen 5 Jahre und für Kaufverträge 2 Jahre.
2. Mängelrüge: Mängel müssen innerhalb der Gewährleistungsfrist gerügt werden. Die Rüge sollte schriftlich erfolgen und den Mangel genau beschreiben.
3. Nacherfüllung: Der Auftragnehmer hat das Recht zur Nacherfüllung, d.h. zur Beseitigung des Mangels oder zur Neuherstellung der Leistung.
4. Selbstvornahme: Wenn der Auftragnehmer die Nacherfüllung verweigert oder nicht fristgerecht durchführt, kann der Auftraggeber den Mangel selbst beseitigen oder beseitigen lassen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.
5. Minderung: Alternativ kann der Auftraggeber die Vergütung mindern, d.h. um den Betrag reduzieren, um den der Wert der Leistung durch den Mangel gemindert ist.
6. Rücktritt: In schwerwiegenden Fällen kann der Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten, wenn der Mangel nicht beseitigt werden kann oder die Nacherfüllung fehlschlägt.
7. Schadensersatz: Daneben kann der Auftraggeber Schadensersatz verlangen, wenn der Mangel auf einem Verschulden des Auftragnehmers beruht.
Ein effektives Gewährleistungsmanagement hilft, Mängel zu beseitigen und die Rechte des Auftraggebers zu wahren.
Sicherheiten:
Zur Absicherung der Gewährleistungsansprüche können Sicherheiten vereinbart werden:
1. Gewährleistungsbürgschaft: Eine Bürgschaft, die der Auftragnehmer stellt, um die Erfüllung seiner Gewährleistungspflichten abzusichern.
2. Einbehalt: Ein Teil der Vergütung wird bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist einbehalten und erst nach mangelfreier Abnahme ausgezahlt.
3. Höhe: Die Höhe der Sicherheit beträgt in der Regel 5% der Abrechnungssumme bei Bauleistungen und 2-3% bei Liefer- und Dienstleistungen.
4. Dauer: Die Sicherheit wird in der Regel für die Dauer der Gewährleistungsfrist gestellt und nach deren Ablauf freigegeben, sofern keine Mängel vorliegen.
5. Form: Die Sicherheit kann in Form einer Bürgschaft, einer Garantie oder eines Einbehalts gestellt werden.
Sicherheiten bieten dem Auftraggeber zusätzlichen Schutz für den Fall, dass der Auftragnehmer seinen Gewährleistungspflichten nicht nachkommt.
Strategien für ein effektives Abnahme- und Gewährleistungsmanagement:
Für ein effektives Abnahme- und Gewährleistungsmanagement können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Sorgfältige Abnahme: Führen Sie eine sorgfältige Abnahme durch und dokumentieren Sie alle festgestellten Mängel im Abnahmeprotokoll.
2. Regelmäßige Kontrollen: Führen Sie während der Gewährleistungsfrist regelmäßige Kontrollen durch, um Mängel frühzeitig zu erkennen.
3. Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Mängel und Mängelbeseitigungen sorgfältig, um bei Streitigkeiten Beweise zu haben.
4. Fristen beachten: Beachten Sie die Fristen für die Mängelrüge und die Nacherfüllung, um Ihre Rechte zu wahren.
5. Sicherheiten: Vereinbaren Sie angemessene Sicherheiten für die Gewährleistungsansprüche und achten Sie auf deren ordnungsgemäße Stellung und Freigabe.
Ein effektives Abnahme- und Gewährleistungsmanagement ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Durchführung des Auftrags und trägt zur Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit bei.
Konfliktmanagement und Streitbeilegung
Konflikte sind in Vertragsverhältnissen nicht ungewöhnlich. Ein effektives Konfliktmanagement und geeignete Streitbeilegungsmechanismen können dazu beitragen, Konflikte frühzeitig zu lösen und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Konfliktursachen:
Konflikte in Vertragsverhältnissen können verschiedene Ursachen haben:
1. Leistungsstörungen: Verzögerungen, Mängel oder Nichterfüllung der vereinbarten Leistung.
2. Vertragsauslegung: Unterschiedliche Interpretationen der vertraglichen Vereinbarungen.
3. Änderungen: Änderungen der Anforderungen oder der Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit.
4. Kommunikationsprobleme: Missverständnisse oder mangelnde Kommunikation zwischen den Vertragsparteien.
5. Interessenkonflikte: Unterschiedliche Interessen oder Ziele der Vertragsparteien.
Das Verständnis der Konfliktursachen ist wichtig, um geeignete Lösungsstrategien zu entwickeln.
Konfliktprävention:
Die beste Strategie ist die Vermeidung von Konflikten durch präventive Maßnahmen:
1. Klare Verträge: Formulieren Sie Verträge klar und eindeutig, um Interpretationsspielräume zu minimieren.
2. Vollständige Leistungsbeschreibung: Erstellen Sie eine vollständige und detaillierte Leistungsbeschreibung, um Missverständnisse zu vermeiden.
3. Regelmäßige Kommunikation: Pflegen Sie eine regelmäßige und offene Kommunikation mit dem Auftragnehmer, um Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
4. Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Vereinbarungen, Änderungen und Probleme sorgfältig, um bei Streitigkeiten Beweise zu haben.
5. Frühzeitige Intervention: Intervenieren Sie frühzeitig bei Anzeichen von Problemen, um eine Eskalation zu vermeiden.
Präventive Maßnahmen können dazu beitragen, Konflikte zu vermeiden oder frühzeitig zu lösen.
Konfliktlösung:
Wenn Konflikte auftreten, gibt es verschiedene Strategien zur Lösung:
1. Direkte Verhandlung: Direkte Gespräche zwischen den Vertragsparteien, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
2. Eskalation: Eskalation des Konflikts auf eine höhere Ebene, etwa von der Projektebene auf die Managementebene.
3. Mediation: Einschaltung eines neutralen Dritten, der die Parteien bei der Findung einer einvernehmlichen Lösung unterstützt.
4. Schlichtung: Einschaltung eines neutralen Dritten, der einen Lösungsvorschlag unterbreitet, den die Parteien annehmen oder ablehnen können.
5. Schiedsgutachten: Einholung eines Gutachtens eines neutralen Sachverständigen zu strittigen technischen oder wirtschaftlichen Fragen.
6. Schiedsverfahren: Entscheidung des Konflikts durch ein Schiedsgericht, dessen Entscheidung für die Parteien bindend ist.
7. Gerichtsverfahren: Entscheidung des Konflikts durch ein staatliches Gericht.
Die Wahl der richtigen Strategie hängt von der Art des Konflikts, der Beziehung der Parteien und den spezifischen Umständen ab.
Streitbeilegungsklauseln:
In Verträgen können Streitbeilegungsklauseln vereinbart werden, die festlegen, wie im Konfliktfall vorgegangen werden soll:
1. Verhandlungsklausel: Verpflichtung der Parteien, vor Einleitung eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens direkte Verhandlungen zu führen.
2. Mediationsklausel: Verpflichtung der Parteien, vor Einleitung eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens eine Mediation durchzuführen.
3. Schlichtungsklausel: Verpflichtung der Parteien, vor Einleitung eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens eine Schlichtung durchzuführen.
4. Schiedsgutachtenklausel: Vereinbarung, strittige technische oder wirtschaftliche Fragen durch ein Schiedsgutachten klären zu lassen.
5. Schiedsklausel: Vereinbarung, Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs.
Streitbeilegungsklauseln können dazu beitragen, Konflikte effizienter und kostengünstiger zu lösen als durch Gerichtsverfahren.
Strategien für ein effektives Konfliktmanagement:
Für ein effektives Konfliktmanagement können folgende Strategien hilfreich sein:
1. Frühzeitige Erkennung: Erkennen Sie Konflikte frühzeitig, um eine Eskalation zu vermeiden.
2. Sachliche Kommunikation: Kommunizieren Sie sachlich und lösungsorientiert, um emotionale Eskalationen zu vermeiden.
3. Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Konflikte und Lösungsversuche sorgfältig, um bei Streitigkeiten Beweise zu haben.
4. Flexibilität: Seien Sie flexibel und offen für Kompromisse, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
5. Rechtliche Beratung: Holen Sie bei Bedarf rechtliche Beratung ein, um Ihre Rechte und Pflichten zu kennen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Ein effektives Konfliktmanagement ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Durchführung des Auftrags und trägt zur Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit bei.
Aktuelle Entwicklungen und Ausblick
Das Vergaberecht ist ein dynamisches Rechtsgebiet, das ständigen Veränderungen unterliegt. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler und landesrechtlicher Ebene gibt es regelmäßig Anpassungen und Neuerungen, die Auswirkungen auf die Unterschwellenvergabe in Hessen haben. In diesem Abschnitt werden aktuelle Entwicklungen und Trends im Vergaberecht beleuchtet und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.
1. Digitalisierung der Vergabe
Die Digitalisierung ist einer der wichtigsten Trends im Vergaberecht. Sie verändert die Art und Weise, wie Vergabeverfahren durchgeführt werden, grundlegend und bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Auftraggeber und Bieter.
E-Vergabe und ihre Umsetzung in Hessen
Die elektronische Vergabe (E-Vergabe) bezeichnet die vollständig elektronische Durchführung von Vergabeverfahren, von der Bekanntmachung über die Bereitstellung der Vergabeunterlagen und die Angebotsabgabe bis hin zur Zuschlagserteilung.
Rechtliche Grundlagen:
Die rechtlichen Grundlagen für die E-Vergabe finden sich auf verschiedenen Ebenen:
1. Europäische Ebene: Die EU-Vergaberichtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU enthalten Vorgaben zur elektronischen Vergabe, insbesondere zur elektronischen Kommunikation und zur elektronischen Angebotsabgabe.
2. Bundesebene: Im Oberschwellenbereich ist die E-Vergabe durch § 97 Abs. 5 GWB und die §§ 9 ff. VgV geregelt. Seit dem 18. Oktober 2018 ist die elektronische Kommunikation und Angebotsabgabe im Oberschwellenbereich verpflichtend.
3. Landesebene: In Hessen ist die E-Vergabe im Unterschwellenbereich durch das HVTG und die HVTG-DV geregelt. Nach § 9 HVTG sollen öffentliche Auftraggeber in Hessen Vergabeverfahren elektronisch durchführen.
Die rechtlichen Vorgaben zur E-Vergabe sind im Unterschwellenbereich weniger streng als im Oberschwellenbereich. Während im Oberschwellenbereich die elektronische Kommunikation und Angebotsabgabe verpflichtend ist, besteht im Unterschwellenbereich in Hessen nur eine Soll-Vorschrift.
Umsetzungsstand in Hessen:
Die Umsetzung der E-Vergabe in Hessen ist weit fortgeschritten, aber noch nicht flächendeckend:
1. Vergabeplattform: In Hessen wird die E-Vergabe über den Vergabemarktplatz Hessen (HAD) abgewickelt. Diese Plattform ermöglicht die elektronische Bekanntmachung, die Bereitstellung der Vergabeunterlagen, die elektronische Kommunikation und die elektronische Angebotsabgabe.
2. Nutzungsgrad: Der Nutzungsgrad der E-Vergabe variiert je nach Auftraggeber und Verfahrensart. Während größere Auftraggeber und komplexere Verfahren oft elektronisch durchgeführt werden, setzen kleinere Auftraggeber und einfachere Verfahren teilweise noch auf traditionelle Methoden.
3. Herausforderungen: Die Umsetzung der E-Vergabe stellt insbesondere kleinere Auftraggeber und Bieter vor Herausforderungen, etwa hinsichtlich der technischen Ausstattung, der Schulung der Mitarbeiter oder der Anpassung der Prozesse.
4. Unterstützungsangebote: Um die Umsetzung der E-Vergabe zu fördern, gibt es verschiedene Unterstützungsangebote, etwa Schulungen, Leitfäden oder Helpdesks.
Die Umsetzung der E-Vergabe schreitet kontinuierlich voran, und es ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren immer mehr Vergabeverfahren elektronisch durchgeführt werden.
Vorteile der E-Vergabe:
Die E-Vergabe bietet zahlreiche Vorteile für Auftraggeber und Bieter:
1. Effizienzsteigerung: Die E-Vergabe kann zu einer erheblichen Effizienzsteigerung führen, etwa durch die Automatisierung von Prozessen, die Reduzierung von Papier oder die Vermeidung von Medienbrüchen.
2. Kosteneinsparungen: Durch die Effizienzsteigerung können Kosten eingespart werden, etwa für Porto, Papier oder Personalaufwand.
3. Transparenz: Die E-Vergabe erhöht die Transparenz des Vergabeverfahrens, da alle Informationen elektronisch verfügbar sind und Änderungen nachvollziehbar dokumentiert werden.
4. Rechtssicherheit: Die E-Vergabe kann zu einer höheren Rechtssicherheit führen, da Prozesse standardisiert und Fehlerquellen reduziert werden.
5. Wettbewerb: Die E-Vergabe kann den Wettbewerb fördern, da Ausschreibungen leichter zugänglich sind und die Teilnahme an Vergabeverfahren vereinfacht wird.
6. Nachhaltigkeit: Die E-Vergabe trägt zur Nachhaltigkeit bei, da Papier eingespart und Transportwege reduziert werden.
Diese Vorteile machen die E-Vergabe zu einem wichtigen Instrument für die Modernisierung und Optimierung des Vergabewesens.
Herausforderungen und Lösungsansätze:
Trotz der zahlreichen Vorteile stellt die E-Vergabe Auftraggeber und Bieter vor Herausforderungen:
1. Technische Anforderungen: Die E-Vergabe erfordert eine entsprechende technische Ausstattung, etwa Computer, Internetanschluss oder spezielle Software. Dies kann insbesondere für kleinere Auftraggeber und Bieter eine Herausforderung darstellen.
2. Qualifikation der Mitarbeiter: Die E-Vergabe erfordert entsprechend qualifizierte Mitarbeiter, die mit den elektronischen Systemen umgehen können. Dies erfordert Schulungen und Weiterbildungen.
3. Prozessanpassungen: Die E-Vergabe erfordert Anpassungen der bestehenden Prozesse, etwa hinsichtlich der Dokumentation, der Kommunikation oder der Archivierung.
4. Akzeptanz: Die E-Vergabe erfordert die Akzeptanz aller Beteiligten, sowohl auf Seiten der Auftraggeber als auch auf Seiten der Bieter.
5. Datenschutz und Datensicherheit: Die E-Vergabe erfordert ein hohes Maß an Datenschutz und Datensicherheit, um sensible Informationen zu schützen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, gibt es verschiedene Lösungsansätze:
1. Unterstützungsangebote: Schulungen, Leitfäden, Helpdesks oder Beratungsangebote können Auftraggeber und Bieter bei der Umsetzung der E-Vergabe unterstützen.
2. Standardisierung: Die Standardisierung von Prozessen und Formaten kann die Umsetzung der E-Vergabe erleichtern und die Interoperabilität verschiedener Systeme fördern.
3. Stufenweise Einführung: Eine stufenweise Einführung der E-Vergabe kann die Umstellung erleichtern und die Akzeptanz erhöhen.
4. Kooperation: Die Kooperation verschiedener Auftraggeber, etwa durch gemeinsame Vergabeplattformen oder Erfahrungsaustausch, kann die Umsetzung der E-Vergabe erleichtern.
5. Technische Lösungen: Benutzerfreundliche und sichere technische Lösungen können die Akzeptanz der E-Vergabe erhöhen und die Umsetzung erleichtern.
Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist entscheidend für den Erfolg der E-Vergabe und die Realisierung ihrer Vorteile.
Blockchain und Smart Contracts im Vergabewesen
Neben der E-Vergabe gibt es weitere technologische Entwicklungen, die das Vergabewesen in Zukunft prägen könnten. Dazu gehören insbesondere Blockchain-Technologie und Smart Contracts.
Grundlagen der Blockchain-Technologie:
Die Blockchain-Technologie ist eine dezentrale Datenbank, die Transaktionen in Blöcken speichert und diese durch kryptografische Verfahren miteinander verkettet. Die wichtigsten Merkmale der Blockchain sind:
1. Dezentralität: Die Blockchain wird nicht von einer zentralen Instanz, sondern von einem Netzwerk von Computern verwaltet.
2. Transparenz: Alle Transaktionen in der Blockchain sind für alle Teilnehmer sichtbar und nachvollziehbar.
3. Unveränderlichkeit: Einmal in der Blockchain gespeicherte Daten können nicht mehr verändert werden, was Manipulationen verhindert.
4. Sicherheit: Die Blockchain ist durch kryptografische Verfahren gesichert, was ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet.
Diese Eigenschaften machen die Blockchain-Technologie für verschiedene Anwendungen interessant, darunter auch das Vergabewesen.
Smart Contracts:
Smart Contracts sind selbstausführende Verträge, deren Bedingungen direkt in Computercode geschrieben sind. Sie werden auf einer Blockchain gespeichert und automatisch ausgeführt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die wichtigsten Merkmale von Smart Contracts sind:
1. Automatisierung: Smart Contracts führen sich selbst aus, ohne dass eine menschliche Intervention erforderlich ist.
2. Transparenz: Die Bedingungen und die Ausführung von Smart Contracts sind für alle Teilnehmer sichtbar und nachvollziehbar.
3. Unveränderlichkeit: Einmal in der Blockchain gespeicherte Smart Contracts können nicht mehr verändert werden, was Manipulationen verhindert.
4. Effizienz: Smart Contracts können Prozesse automatisieren und beschleunigen, was zu Effizienzgewinnen führt.
Diese Eigenschaften machen Smart Contracts für verschiedene Anwendungen interessant, darunter auch das Vergabewesen.
Potenzielle Anwendungen im Vergabewesen:
Die Blockchain-Technologie und Smart Contracts könnten im Vergabewesen verschiedene Anwendungen finden:
1. Transparente Vergabeverfahren: Die Blockchain könnte dazu beitragen, Vergabeverfahren transparenter zu gestalten, indem alle Schritte des Verfahrens unveränderlich dokumentiert werden.
2. Manipulationssichere Angebote: Die Blockchain könnte dazu beitragen, Angebote manipulationssicher zu speichern und zu verwalten, was die Integrität des Vergabeverfahrens erhöht.
3. Automatisierte Vertragsabwicklung: Smart Contracts könnten dazu beitragen, die Vertragsabwicklung zu automatisieren, etwa hinsichtlich der Zahlung, der Lieferung oder der Gewährleistung.
4. Effiziente Nachweisführung: Die Blockchain könnte dazu beitragen, die Nachweisführung zu vereinfachen und zu beschleunigen, etwa hinsichtlich der Eignung, der Qualifikation oder der Referenzen.
5. Sichere Identitätsverwaltung: Die Blockchain könnte dazu beitragen, die Identität von Bietern sicher zu verwalten und zu verifizieren, was die Sicherheit des Vergabeverfahrens erhöht.
Diese Anwendungen könnten dazu beitragen, Vergabeverfahren effizienter, transparenter und sicherer zu gestalten.
Aktuelle Entwicklungen und Pilotprojekte:
Die Anwendung der Blockchain-Technologie und von Smart Contracts im Vergabewesen steckt noch in den Anfängen, aber es gibt bereits erste Entwicklungen und Pilotprojekte:
1. Forschungsprojekte: Es gibt verschiedene Forschungsprojekte, die die Anwendung der Blockchain-Technologie im Vergabewesen untersuchen, etwa das Projekt „Blockchain für die öffentliche Verwaltung“ des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT.
2. Pilotprojekte: Es gibt erste Pilotprojekte, die die Blockchain-Technologie im Vergabewesen einsetzen, etwa das Projekt „Blockchain für die öffentliche Auftragsvergabe“ der Stadt Wien.
3. Standardisierungsinitiativen: Es gibt Initiativen zur Standardisierung der Blockchain-Technologie im Vergabewesen, etwa die Initiative „Blockchain in Public Procurement“ der Europäischen Kommission.
4. Kommerzielle Lösungen: Es gibt erste kommerzielle Lösungen, die die Blockchain-Technologie im Vergabewesen einsetzen, etwa die Plattform „Tendermint“ oder die Lösung „B2Bid“.
Diese Entwicklungen zeigen, dass die Blockchain-Technologie und Smart Contracts im Vergabewesen an Bedeutung gewinnen, auch wenn die breite Anwendung noch in der Zukunft liegt.
Herausforderungen und Grenzen:
Trotz des Potenzials gibt es auch Herausforderungen und Grenzen bei der Anwendung der Blockchain-Technologie und von Smart Contracts im Vergabewesen:
1. Technische Komplexität: Die Blockchain-Technologie und Smart Contracts sind technisch komplex und erfordern entsprechendes Know-how, das nicht überall vorhanden ist.
2. Rechtliche Unsicherheiten: Es gibt rechtliche Unsicherheiten, etwa hinsichtlich der Rechtsgültigkeit von Smart Contracts oder des Datenschutzes in der Blockchain.
3. Skalierbarkeit: Die Skalierbarkeit der Blockchain-Technologie ist begrenzt, was bei einer breiten Anwendung im Vergabewesen zu Problemen führen könnte.
4. Energieverbrauch: Einige Blockchain-Technologien, insbesondere solche mit Proof-of-Work-Konsensverfahren, haben einen hohen Energieverbrauch, was aus ökologischer Sicht problematisch sein kann.
5. Akzeptanz: Die Akzeptanz der Blockchain-Technologie und von Smart Contracts ist noch nicht überall gegeben, was die Einführung erschweren kann.
Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist entscheidend für den Erfolg der Blockchain-Technologie und von Smart Contracts im Vergabewesen.
Nachhaltige und soziale Beschaffung
Neben der Digitalisierung ist die nachhaltige und soziale Beschaffung ein weiterer wichtiger Trend im Vergaberecht. Sie zielt darauf ab, neben wirtschaftlichen auch ökologische und soziale Aspekte bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen.
Umweltaspekte in der Vergabe
Die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe, auch als „grüne Beschaffung“ oder „Green Public Procurement“ (GPP) bezeichnet, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Sie zielt darauf ab, die Umweltauswirkungen der öffentlichen Beschaffung zu reduzieren und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu fördern.
Rechtliche Grundlagen:
Die rechtlichen Grundlagen für die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe finden sich auf verschiedenen Ebenen:
1. Europäische Ebene: Die EU-Vergaberichtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU enthalten Vorgaben zur Berücksichtigung von Umweltaspekten, insbesondere in den Artikeln 18, 42, 43, 67 und 70 der Richtlinie 2014/24/EU.
2. Bundesebene: Im Oberschwellenbereich ist die Berücksichtigung von Umweltaspekten durch § 97 Abs. 3 GWB und die §§ 31, 34, 58 und 61 VgV geregelt. Diese Vorschriften ermöglichen die Berücksichtigung von Umweltaspekten in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens.
3. Landesebene: In Hessen ist die Berücksichtigung von Umweltaspekten im Unterschwellenbereich durch das HVTG geregelt. Nach § 3 Abs. 1 HVTG sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Aspekte des Umweltschutzes zu berücksichtigen.
Diese rechtlichen Grundlagen ermöglichen und fördern die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe, ohne sie jedoch verpflichtend vorzuschreiben. Die konkrete Ausgestaltung liegt im Ermessen des Auftraggebers.
Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umweltaspekten:
Umweltaspekte können in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden:
1. Leistungsbeschreibung: In der Leistungsbeschreibung können Umweltanforderungen als technische Spezifikationen festgelegt werden, etwa hinsichtlich Energieeffizienz, Materialverbrauch, Emissionen oder Recyclingfähigkeit.
2. Eignungskriterien: Bei den Eignungskriterien können Umweltmanagementsysteme oder Umweltzertifikate als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit gefordert werden, etwa ISO 14001 oder EMAS.
3. Zuschlagskriterien: Bei den Zuschlagskriterien können Umweltaspekte als Qualitätskriterien berücksichtigt werden, etwa Energieeffizienz, Lebensdauer oder Umweltauswirkungen im Lebenszyklus.
4. Ausführungsbedingungen: In den Ausführungsbedingungen können Umweltanforderungen für die Auftragsausführung festgelegt werden, etwa hinsichtlich Abfallvermeidung, Transportwegen oder Verpackung.
5. Lebenszykluskostenrechnung: Bei der Angebotswertung können die Lebenszykluskosten berücksichtigt werden, die neben den Anschaffungskosten auch die Betriebs- und Entsorgungskosten umfassen und oft eng mit den Umweltauswirkungen zusammenhängen.
Diese Möglichkeiten bieten Auftraggebern einen breiten Spielraum, um Umweltaspekte in der Vergabe zu berücksichtigen und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu fördern.
Umweltzeichen und -zertifikate:
Umweltzeichen und -zertifikate können als Nachweis für die Erfüllung von Umweltanforderungen dienen. Sie erleichtern die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe, da sie standardisierte und überprüfbare Kriterien bieten.
1. Arten von Umweltzeichen: Es gibt verschiedene Arten von Umweltzeichen, etwa staatliche Umweltzeichen (z.B. Blauer Engel), private Umweltzeichen (z.B. FSC) oder branchenspezifische Umweltzeichen (z.B. Energy Star).
2. Rechtliche Anforderungen: Nach § 34 VgV bzw. § 24 UVgO müssen Umweltzeichen bestimmte Anforderungen erfüllen, um in der Vergabe berücksichtigt werden zu können, etwa hinsichtlich Transparenz, Objektivität und Zugänglichkeit.
3. Gleichwertigkeitsnachweis: Wenn ein Umweltzeichen gefordert wird, muss immer auch die Möglichkeit eines Gleichwertigkeitsnachweises bestehen, d.h. der Bieter kann auch auf andere Weise nachweisen, dass sein Produkt oder seine Dienstleistung die Umweltanforderungen erfüllt.
4. Beweislastverteilung: Die Beweislast für die Gleichwertigkeit liegt beim Bieter, d.h. er muss nachweisen, dass sein Produkt oder seine Dienstleistung die Umweltanforderungen erfüllt, auch wenn es nicht das geforderte Umweltzeichen trägt.
Umweltzeichen und -zertifikate können die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe erleichtern und zur Förderung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen beitragen.
Praktische Beispiele und Best Practices:
Es gibt zahlreiche praktische Beispiele und Best Practices für die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe:
1. Energieeffiziente IT-Beschaffung: Festlegung von Mindestanforderungen an die Energieeffizienz von IT-Geräten, etwa durch Verweis auf Energy Star oder EPEAT.
2. Nachhaltige Gebäudebewirtschaftung: Berücksichtigung von Umweltaspekten bei der Vergabe von Reinigungsdienstleistungen, etwa durch Anforderungen an umweltfreundliche Reinigungsmittel oder ressourcenschonende Reinigungsverfahren.
3. Umweltfreundliche Fahrzeugbeschaffung: Festlegung von Emissionsgrenzwerten oder Anforderungen an alternative Antriebe bei der Beschaffung von Fahrzeugen.
4. Nachhaltige Bauvorhaben: Berücksichtigung von Umweltaspekten bei Bauvorhaben, etwa durch Anforderungen an Energieeffizienz, Materialien oder Baustellenmanagement.
5. Umweltfreundliche Büromaterialien: Beschaffung von umweltfreundlichen Büromaterialien, etwa Recyclingpapier, nachfüllbare Stifte oder wiederaufbereitete Tonerkartuschen.
Diese Beispiele zeigen, dass die Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe in verschiedenen Bereichen möglich und sinnvoll ist.
Herausforderungen und Lösungsansätze:
Trotz der rechtlichen Möglichkeiten und der praktischen Beispiele gibt es Herausforderungen bei der Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Vergabe:
1. Komplexität: Die Berücksichtigung von Umweltaspekten kann komplex sein und erfordert entsprechendes Know-how, das nicht überall vorhanden ist.
2. Kosten: Umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen können teurer sein als konventionelle Alternativen, was angesichts begrenzter Budgets eine Herausforderung darstellen kann.
3. Nachweisprobleme: Der Nachweis der Erfüllung von Umweltanforderungen kann schwierig sein, insbesondere wenn keine standardisierten Umweltzeichen verfügbar sind.
4. Rechtsunsicherheit: Es kann Rechtsunsicherheit hinsichtlich der zulässigen Berücksichtigung von Umweltaspekten bestehen, insbesondere wenn diese zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen könnte.
5. Akzeptanz: Die Akzeptanz für die Berücksichtigung von Umweltaspekten ist nicht überall gegeben, was die Einführung erschweren kann.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, gibt es verschiedene Lösungsansätze:
1. Schulungen und Leitfäden: Schulungen und Leitfäden können Auftraggeber bei der Berücksichtigung von Umweltaspekten unterstützen und das erforderliche Know-how vermitteln.
2. Lebenszykluskosten: Die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten kann zeigen, dass umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen trotz höherer Anschaffungskosten langfristig wirtschaftlicher sein können.
3. Standardisierte Kriterien: Standardisierte Umweltkriterien und -nachweise können die Berücksichtigung von Umweltaspekten erleichtern und Rechtssicherheit schaffen.
4. Pilotprojekte: Pilotprojekte können dazu beitragen, Erfahrungen zu sammeln und Best Practices zu entwickeln.
5. Sensibilisierung: Sensibilisierungsmaßnahmen können die Akzeptanz für die Berücksichtigung von Umweltaspekten erhöhen.
Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist entscheidend für den Erfolg der umweltfreundlichen Beschaffung und die Realisierung ihrer Vorteile.
Soziale Kriterien und faire Beschaffung
Neben Umweltaspekten gewinnen auch soziale Kriterien in der Vergabe zunehmend an Bedeutung. Die soziale Beschaffung, auch als „Social Public Procurement“ (SPP) bezeichnet, zielt darauf ab, soziale Aspekte bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen und faire Arbeitsbedingungen zu fördern.
Rechtliche Grundlagen:
Die rechtlichen Grundlagen für die Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe finden sich auf verschiedenen Ebenen:
1. Europäische Ebene: Die EU-Vergaberichtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU enthalten Vorgaben zur Berücksichtigung sozialer Kriterien, insbesondere in den Artikeln 18, 42, 43, 67 und 70 der Richtlinie 2014/24/EU.
2. Bundesebene: Im Oberschwellenbereich ist die Berücksichtigung sozialer Kriterien durch § 97 Abs. 3 GWB und die §§ 31, 58 und 61 VgV geregelt. Diese Vorschriften ermöglichen die Berücksichtigung sozialer Kriterien in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens.
3. Landesebene: In Hessen ist die Berücksichtigung sozialer Kriterien im Unterschwellenbereich durch das HVTG geregelt. Nach § 3 Abs. 1 HVTG sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soziale Aspekte zu berücksichtigen. Besonders hervorzuheben sind die Regelungen zur Tariftreue und zum Mindestlohn in §§ 4 und 5 HVTG.
Diese rechtlichen Grundlagen ermöglichen und fördern die Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe, wobei einige Aspekte, wie die Einhaltung von Tariftreue und Mindestlohn, verpflichtend vorgeschrieben sind.
Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Kriterien:
Soziale Kriterien können in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden:
1. Leistungsbeschreibung: In der Leistungsbeschreibung können soziale Anforderungen als technische Spezifikationen festgelegt werden, etwa hinsichtlich Barrierefreiheit, ergonomischer Gestaltung oder sozialer Produktionsbedingungen.
2. Eignungskriterien: Bei den Eignungskriterien können soziale Managementsysteme oder Zertifikate als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit gefordert werden, etwa SA8000 oder ISO 26000.
3. Zuschlagskriterien: Bei den Zuschlagskriterien können soziale Aspekte als Qualitätskriterien berücksichtigt werden, etwa Barrierefreiheit, Inklusion oder faire Arbeitsbedingungen.
4. Ausführungsbedingungen: In den Ausführungsbedingungen können soziale Anforderungen für die Auftragsausführung festgelegt werden, etwa hinsichtlich Arbeitsbedingungen, Gleichstellung oder Beschäftigung benachteiligter Personen.
5. Vorbehaltene Aufträge: Nach § 118 GWB bzw. § 1 Abs. 3 UVgO können Aufträge bestimmten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder Unternehmen vorbehalten werden, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Personen ist.
Diese Möglichkeiten bieten Auftraggebern einen breiten Spielraum, um soziale Kriterien in der Vergabe zu berücksichtigen und faire Arbeitsbedingungen zu fördern.
Tariftreue und Mindestlohn:
Besondere Bedeutung haben die Regelungen zur Tariftreue und zum Mindestlohn, die in Hessen durch §§ 4 und 5 HVTG geregelt sind:
1. Tariftreue: Nach § 4 HVTG müssen Auftragnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge die einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen einhalten. Dies gilt insbesondere für Aufträge im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs.
2. Mindestlohn: Nach § 5 HVTG müssen Auftragnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge ihren Beschäftigten mindestens den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Darüber hinaus kann ein vergabespezifischer Mindestlohn festgelegt werden.
3. Nachunternehmerhaftung: Die Verpflichtungen zur Tariftreue und zum Mindestlohn gelten auch für Nachunternehmer und Verleiher von Arbeitskräften. Der Hauptauftragnehmer haftet für die Einhaltung dieser Verpflichtungen durch seine Nachunternehmer.
4. Kontrolle und Sanktionen: Der Auftraggeber kann die Einhaltung der Verpflichtungen zur Tariftreue und zum Mindestlohn kontrollieren. Bei Verstößen drohen Sanktionen, etwa Vertragsstrafen, Kündigung des Vertrags oder Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren.
Diese Regelungen dienen dazu, faire Arbeitsbedingungen zu fördern und Wettbewerbsverzerrungen durch Lohndumping zu verhindern.
Praktische Beispiele und Best Practices:
Es gibt zahlreiche praktische Beispiele und Best Practices für die Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe:
1. Barrierefreie IT-Beschaffung: Festlegung von Anforderungen an die Barrierefreiheit von IT-Produkten und -Dienstleistungen, etwa durch Verweis auf die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV).
2. Faire Textilbeschaffung: Berücksichtigung sozialer Produktionsbedingungen bei der Beschaffung von Textilien, etwa durch Anforderungen an die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen oder durch Verweis auf Fairtrade-Zertifizierungen.
3. Inklusive Dienstleistungen: Berücksichtigung von Inklusionsaspekten bei der Vergabe von Dienstleistungen, etwa durch Anforderungen an die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen oder die Barrierefreiheit der Dienstleistung.
4. Soziale Bauvorhaben: Berücksichtigung sozialer Aspekte bei Bauvorhaben, etwa durch Anforderungen an die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle, die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen oder die Ausbildung von Lehrlingen.
5. Vorbehaltene Aufträge: Vergabe bestimmter Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder Inklusionsbetriebe, etwa für Catering, Gartenpflege oder einfache Montagearbeiten.
Diese Beispiele zeigen, dass die Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe in verschiedenen Bereichen möglich und sinnvoll ist.
Herausforderungen und Lösungsansätze:
Trotz der rechtlichen Möglichkeiten und der praktischen Beispiele gibt es Herausforderungen bei der Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe:
1. Komplexität: Die Berücksichtigung sozialer Kriterien kann komplex sein und erfordert entsprechendes Know-how, das nicht überall vorhanden ist.
2. Kosten: Produkte und Dienstleistungen, die unter fairen Bedingungen hergestellt oder erbracht werden, können teurer sein als konventionelle Alternativen, was angesichts begrenzter Budgets eine Herausforderung darstellen kann.
3. Nachweisprobleme: Der Nachweis der Erfüllung sozialer Anforderungen kann schwierig sein, insbesondere wenn keine standardisierten Zertifikate verfügbar sind oder wenn die Produktionskette global und intransparent ist.
4. Rechtsunsicherheit: Es kann Rechtsunsicherheit hinsichtlich der zulässigen Berücksichtigung sozialer Kriterien bestehen, insbesondere wenn diese zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen könnte.
5. Akzeptanz: Die Akzeptanz für die Berücksichtigung sozialer Kriterien ist nicht überall gegeben, was die Einführung erschweren kann.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, gibt es verschiedene Lösungsansätze:
1. Schulungen und Leitfäden: Schulungen und Leitfäden können Auftraggeber bei der Berücksichtigung sozialer Kriterien unterstützen und das erforderliche Know-how vermitteln.
2. Standardisierte Kriterien: Standardisierte soziale Kriterien und Nachweise können die Berücksichtigung sozialer Aspekte erleichtern und Rechtssicherheit schaffen.
3. Marktdialog: Ein Dialog mit dem Markt vor der Ausschreibung kann dazu beitragen, realistische und marktgerechte soziale Anforderungen zu definieren.
4. Pilotprojekte: Pilotprojekte können dazu beitragen, Erfahrungen zu sammeln und Best Practices zu entwickeln.
5. Sensibilisierung: Sensibilisierungsmaßnahmen können die Akzeptanz für die Berücksichtigung sozialer Kriterien erhöhen.
Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist entscheidend für den Erfolg der sozialen Beschaffung und die Realisierung ihrer Vorteile.
Rechtliche Entwicklungen und Reformbestrebungen
Neben den technologischen und inhaltlichen Entwicklungen gibt es auch rechtliche Entwicklungen und Reformbestrebungen, die das Vergaberecht im Unterschwellenbereich beeinflussen. Diese betreffen sowohl die europäische als auch die nationale und landesrechtliche Ebene.
Europäische Vergaberechtsreform
Die europäische Vergaberechtsreform hat in den letzten Jahren maßgeblich zur Modernisierung und Vereinfachung des Vergaberechts beigetragen. Auch wenn die EU-Vergaberichtlinien primär den Oberschwellenbereich betreffen, haben sie indirekt auch Auswirkungen auf den Unterschwellenbereich.
Rückblick auf die Vergaberechtsreform 2014:
Die letzte große Vergaberechtsreform auf europäischer Ebene erfolgte im Jahr 2014 mit der Verabschiedung der neuen Vergaberichtlinien:
1. Richtlinie 2014/23/EU: Richtlinie über die Konzessionsvergabe 2. Richtlinie 2014/24/EU: Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (klassischer Bereich) 3. Richtlinie 2014/25/EU: Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Sektorenbereich)
Diese Richtlinien wurden in Deutschland durch die Vergaberechtsmodernisierung 2016 umgesetzt, die zu einer grundlegenden Neustrukturierung des deutschen Vergaberechts führte.
Die wichtigsten Neuerungen der Vergaberechtsreform 2014 waren:
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Elektronische Vergabe: Verpflichtende Einführung der elektronischen Vergabe
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Flexibilisierung der Verfahren: Erweiterung der Möglichkeiten für Verhandlungsverfahren und wettbewerbliche Dialoge
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Innovationspartnerschaft: Einführung eines neuen Verfahrens für innovative Beschaffungen
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Nachhaltige Beschaffung: Stärkung der Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten
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Eigenerklärungen: Vereinfachung der Nachweispflichten durch die Einführung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE)
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Eignungsnachweise: Begrenzung der Anforderungen an Umsatz und Referenzen
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Auftragsänderungen: Klarstellung der Möglichkeiten für Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit
Diese Neuerungen haben das Vergaberecht modernisiert und flexibilisiert, was auch Auswirkungen auf den Unterschwellenbereich hatte, da viele Regelungen des Oberschwellenbereichs als Vorbild für den Unterschwellenbereich dienen.
Aktuelle Entwicklungen auf europäischer Ebene:
Auch nach der Vergaberechtsreform 2014 gibt es auf europäischer Ebene weitere Entwicklungen, die das Vergaberecht beeinflussen:
1. Rechtsprechung des EuGH: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entwickelt das Vergaberecht durch seine Rechtsprechung kontinuierlich weiter. Aktuelle Entscheidungen betreffen etwa die Inhouse-Vergabe, die Vergabe an gemeinnützige Organisationen oder die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten.
2. Leitlinien und Mitteilungen der Kommission: Die Europäische Kommission veröffentlicht regelmäßig Leitlinien und Mitteilungen zum Vergaberecht, die zur Auslegung und Anwendung der Vergaberichtlinien beitragen. Aktuelle Beispiele sind die Leitlinien zur Beteiligung von Bietern aus Drittländern oder die Mitteilung zur strategischen Beschaffung.
3. Evaluierung der Vergaberichtlinien: Die Europäische Kommission evaluiert regelmäßig die Wirksamkeit und Effizienz der Vergaberichtlinien. Die Ergebnisse dieser Evaluierungen können zu Anpassungen oder Reformen führen.
4. Neue Initiativen: Die Europäische Kommission entwickelt neue Initiativen im Bereich des Vergaberechts, etwa zur Digitalisierung der Vergabe, zur nachhaltigen Beschaffung oder zur Bekämpfung von Korruption und Betrug.
Diese Entwicklungen zeigen, dass das europäische Vergaberecht ein dynamisches Rechtsgebiet ist, das sich kontinuierlich weiterentwickelt.
Ausblick auf zukünftige Reformen:
Für die Zukunft sind weitere Reformen des europäischen Vergaberechts zu erwarten:
1. Digitalisierung: Die Digitalisierung der Vergabe wird weiter vorangetrieben, etwa durch die Förderung der elektronischen Vergabe, die Entwicklung von Standards für den elektronischen Datenaustausch oder die Nutzung neuer Technologien wie Blockchain oder KI.
2. Nachhaltigkeit: Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Vergabe wird weiter gestärkt, etwa durch die Entwicklung von Standards für die nachhaltige Beschaffung, die Förderung der Kreislaufwirtschaft oder die Berücksichtigung des CO2-Fußabdrucks.
3. Vereinfachung: Die Vereinfachung und Entbürokratisierung des Vergaberechts bleibt ein wichtiges Ziel, etwa durch die Reduzierung von Nachweispflichten, die Standardisierung von Verfahren oder die Digitalisierung von Prozessen.
4. Strategische Beschaffung: Die strategische Nutzung der öffentlichen Beschaffung zur Förderung von Innovation, Nachhaltigkeit und sozialer Inklusion wird weiter ausgebaut.
5. Resilienz: Die Stärkung der Resilienz der Lieferketten und der Versorgungssicherheit gewinnt an Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie.
Diese zukünftigen Reformen werden auch Auswirkungen auf den Unterschwellenbereich haben, da sie die allgemeinen Trends und Entwicklungen im Vergaberecht prägen.
Nationale Vergaberechtsreform
Auch auf nationaler Ebene gibt es Reformbestrebungen im Vergaberecht, die insbesondere auf eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Unterschwellenbereichs abzielen.
Rückblick auf die Vergaberechtsmodernisierung 2016:
Die letzte große Vergaberechtsreform auf nationaler Ebene erfolgte im Jahr 2016 mit der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien von 2014. Diese Reform führte zu einer grundlegenden Neustrukturierung des deutschen Vergaberechts:
1. Struktur: Das Vergaberecht wurde in ein Kaskadensystem umstrukturiert, mit dem GWB als oberster Ebene, gefolgt von der VgV, der SektVO, der KonzVgV und der VSVgV.
2. Vereinheitlichung: Die VOL/A und die VOF wurden durch die VgV ersetzt, während die VOB/A für Bauleistungen erhalten blieb.
3. Elektronische Vergabe: Die elektronische Vergabe wurde verpflichtend eingeführt, zunächst für zentrale Beschaffungsstellen (ab April 2017) und später für alle Auftraggeber (ab Oktober 2018).
4. Flexibilisierung: Die Verfahrensarten wurden flexibilisiert, insbesondere durch die Erweiterung der Möglichkeiten für Verhandlungsverfahren und wettbewerbliche Dialoge.
5. Innovationspartnerschaft: Ein neues Verfahren für innovative Beschaffungen wurde eingeführt.
6. Nachhaltige Beschaffung: Die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten wurden gestärkt.
Diese Reform betraf primär den Oberschwellenbereich, hatte aber auch Auswirkungen auf den Unterschwellenbereich, da viele Regelungen des Oberschwellenbereichs als Vorbild für den Unterschwellenbereich dienen.
Unterschwellenvergabeordnung (UVgO):
Ein wichtiger Schritt zur Modernisierung des Unterschwellenbereichs war die Einführung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) im Jahr 2017. Die UVgO ersetzt die VOL/A Abschnitt 1 für Liefer- und Dienstleistungen im Unterschwellenbereich und orientiert sich strukturell und inhaltlich an der VgV für den Oberschwellenbereich.
Die wichtigsten Neuerungen der UVgO waren:
1. Elektronische Vergabe: Auch im Unterschwellenbereich wird die elektronische Vergabe gefördert, wenn auch nicht verpflichtend vorgeschrieben.
2. Verfahrensarten: Die Verfahrensarten wurden an den Oberschwellenbereich angepasst, insbesondere durch die Einführung der Verhandlungsvergabe als Ersatz für die freihändige Vergabe.
3. Eignungsprüfung: Die Regelungen zur Eignungsprüfung wurden vereinfacht und an den Oberschwellenbereich angepasst.
4. Nachhaltige Beschaffung: Die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten wurden gestärkt.
5. Auftragsänderungen: Die Möglichkeiten für Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit wurden klargestellt.
Die UVgO wurde in Hessen durch die HVTG-DV für anwendbar erklärt und gilt somit für Liefer- und Dienstleistungen im Unterschwellenbereich.
Aktuelle Reformbestrebungen:
Trotz der Modernisierung durch die UVgO gibt es weiterhin Reformbestrebungen im Unterschwellenbereich:
1. Vereinheitlichung: Es gibt Bestrebungen, das Vergaberecht im Unterschwellenbereich weiter zu vereinheitlichen, etwa durch eine Angleichung der Regelungen für Bauleistungen (VOB/A) und Liefer- und Dienstleistungen (UVgO).
2. Vereinfachung: Es gibt Bestrebungen, das Vergaberecht im Unterschwellenbereich weiter zu vereinfachen, etwa durch die Reduzierung von Nachweispflichten, die Standardisierung von Verfahren oder die Erhöhung von Wertgrenzen.
3. Digitalisierung: Es gibt Bestrebungen, die Digitalisierung im Unterschwellenbereich weiter voranzutreiben, etwa durch die Förderung der elektronischen Vergabe, die Entwicklung von Standards für den elektronischen Datenaustausch oder die Nutzung neuer Technologien.
4. Nachhaltigkeit: Es gibt Bestrebungen, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Unterschwellenbereich weiter zu stärken, etwa durch die Entwicklung von Standards für die nachhaltige Beschaffung oder die Berücksichtigung des CO2-Fußabdrucks.
Diese Reformbestrebungen zeigen, dass das Vergaberecht im Unterschwellenbereich ein dynamisches Rechtsgebiet ist, das sich kontinuierlich weiterentwickelt.
Ausblick auf zukünftige Entwicklungen:
Für die Zukunft sind weitere Entwicklungen im nationalen Vergaberecht zu erwarten:
1. Reform der VOB/A: Eine Reform der VOB/A für Bauleistungen im Unterschwellenbereich könnte zu einer weiteren Angleichung an die UVgO und damit zu einer Vereinheitlichung des Unterschwellenbereichs führen.
2. Stärkung der elektronischen Vergabe: Die elektronische Vergabe könnte auch im Unterschwellenbereich verpflichtend werden, was zu einer weiteren Digitalisierung und Effizienzsteigerung führen würde.
3. Erhöhung von Wertgrenzen: Die Wertgrenzen für bestimmte Verfahrensarten könnten erhöht werden, um die Flexibilität zu erhöhen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
4. Stärkung der strategischen Beschaffung: Die strategische Nutzung der öffentlichen Beschaffung zur Förderung von Innovation, Nachhaltigkeit und sozialer Inklusion könnte weiter ausgebaut werden.
5. Anpassung an europäische Entwicklungen: Das nationale Vergaberecht wird sich weiterhin an europäischen Entwicklungen orientieren und entsprechend anpassen.
Diese zukünftigen Entwicklungen werden das Vergaberecht im Unterschwellenbereich weiter modernisieren und an die aktuellen Herausforderungen anpassen.
Entwicklungen in Hessen
Auch auf Landesebene in Hessen gibt es Entwicklungen im Vergaberecht, die den Unterschwellenbereich betreffen und die Rahmenbedingungen für öffentliche Auftraggeber und Bieter prägen.
Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG):
Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) ist das zentrale Landesgesetz für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Hessen. Es wurde zuletzt im Jahr 2021 novelliert und enthält wichtige Regelungen für den Unterschwellenbereich:
1. Anwendungsbereich: Das HVTG gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber in Hessen, soweit der geschätzte Auftragswert die EU-Schwellenwerte nicht erreicht.
2. Vergabegrundsätze: Das HVTG bekräftigt die allgemeinen Vergabegrundsätze, insbesondere Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit.
3. Nachhaltige Beschaffung: Das HVTG fördert die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
4. Tariftreue und Mindestlohn: Das HVTG enthält Verpflichtungen zur Tariftreue und zur Zahlung des Mindestlohns, die Auftragnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge einhalten müssen.
5. Vergabekompetenzstellen: Das HVTG sieht die Einrichtung von Vergabekompetenzstellen vor, die bei Streitigkeiten im Vergabeverfahren vermitteln können.
Das HVTG bildet somit den rechtlichen Rahmen für die Unterschwellenvergabe in Hessen und prägt die Vergabepraxis der öffentlichen Auftraggeber.
Durchführungsverordnung zum HVTG (HVTG-DV):
Die Durchführungsverordnung zum HVTG (HVTG-DV) konkretisiert die Regelungen des HVTG und enthält wichtige Bestimmungen für die praktische Umsetzung:
1. Anwendbarkeit der UVgO: Die HVTG-DV erklärt die UVgO für anwendbar auf die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen im Unterschwellenbereich in Hessen.
2. Wertgrenzen: Die HVTG-DV legt Wertgrenzen für die verschiedenen Verfahrensarten fest, etwa für die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder die Verhandlungsvergabe.
3. Vergabevermerk: Die HVTG-DV konkretisiert die Anforderungen an den Vergabevermerk, der das Vergabeverfahren dokumentiert.
4. Nachweise: Die HVTG-DV regelt, welche Nachweise von den Bietern gefordert werden können und wie diese zu prüfen sind.
5. Kontrolle: Die HVTG-DV enthält Regelungen zur Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen zur Tariftreue und zum Mindestlohn.
Die HVTG-DV ist somit ein wichtiges Instrument zur Umsetzung des HVTG und zur Gestaltung der Vergabepraxis in Hessen.
Aktuelle Entwicklungen in Hessen:
In Hessen gibt es verschiedene aktuelle Entwicklungen im Vergaberecht:
1. Digitalisierung: Die Digitalisierung der Vergabe wird weiter vorangetrieben, etwa durch den Ausbau des Vergabemarktplatzes Hessen (HAD) oder die Förderung der elektronischen Vergabe.
2. Nachhaltige Beschaffung: Die nachhaltige Beschaffung wird gestärkt, etwa durch die Entwicklung von Leitfäden, die Durchführung von Schulungen oder die Förderung von Pilotprojekten.
3. Mittelstandsförderung: Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) wird verstärkt, etwa durch die Vereinfachung von Verfahren, die Reduzierung von Nachweispflichten oder die Losbildung.
4. Korruptionsprävention: Die Prävention von Korruption und Betrug wird intensiviert, etwa durch die Entwicklung von Leitfäden, die Durchführung von Schulungen oder die Einrichtung von Hinweisgebersystemen.
5. Professionalisierung: Die Professionalisierung der Vergabestellen wird gefördert, etwa durch die Entwicklung von Leitfäden, die Durchführung von Schulungen oder die Förderung des Erfahrungsaustauschs.
Diese Entwicklungen zeigen, dass das Vergaberecht in Hessen ein dynamisches Rechtsgebiet ist, das sich kontinuierlich weiterentwickelt.
Ausblick auf zukünftige Entwicklungen in Hessen:
Für die Zukunft sind weitere Entwicklungen im hessischen Vergaberecht zu erwarten:
1. Novellierung des HVTG: Eine erneute Novellierung des HVTG könnte zu weiteren Anpassungen und Modernisierungen führen, etwa hinsichtlich der Digitalisierung, der nachhaltigen Beschaffung oder der Mittelstandsförderung.
2. Anpassung der HVTG-DV: Die HVTG-DV könnte an aktuelle Entwicklungen angepasst werden, etwa hinsichtlich der Wertgrenzen, der Nachweispflichten oder der Kontrolle.
3. Stärkung der Vergabekompetenzstellen: Die Rolle und die Kompetenzen der Vergabekompetenzstellen könnten gestärkt werden, um die Rechtssicherheit und die Effizienz der Vergabeverfahren zu erhöhen.
4. Förderung der strategischen Beschaffung: Die strategische Nutzung der öffentlichen Beschaffung zur Förderung von Innovation, Nachhaltigkeit und sozialer Inklusion könnte weiter ausgebaut werden.
5. Anpassung an bundesrechtliche und europäische Entwicklungen: Das hessische Vergaberecht wird sich weiterhin an bundesrechtlichen und europäischen Entwicklungen orientieren und entsprechend anpassen.
Diese zukünftigen Entwicklungen werden das Vergaberecht in Hessen weiter modernisieren und an die aktuellen Herausforderungen anpassen.
Praxisrelevante Trends und Herausforderungen
Neben den technologischen, inhaltlichen und rechtlichen Entwicklungen gibt es auch praxisrelevante Trends und Herausforderungen, die das Vergabewesen im Unterschwellenbereich prägen und die Auftraggeber und Bieter vor neue Aufgaben stellen.
Fachkräftemangel und Professionalisierung
Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen im Vergabewesen. Gleichzeitig gewinnt die Professionalisierung der Vergabestellen an Bedeutung, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Fachkräftemangel im Vergabewesen:
Der Fachkräftemangel im Vergabewesen hat verschiedene Ursachen und Auswirkungen:
1. Ursachen: Der Fachkräftemangel im Vergabewesen hat verschiedene Ursachen, etwa den demografischen Wandel, die Komplexität des Vergaberechts, die geringere Attraktivität des öffentlichen Dienstes im Vergleich zur Privatwirtschaft oder die unzureichende Ausbildung und Weiterbildung im Vergaberecht.
2. Auswirkungen auf Auftraggeber: Für Auftraggeber führt der Fachkräftemangel zu Problemen bei der Besetzung von Stellen, zu einer höheren Arbeitsbelastung der vorhandenen Mitarbeiter, zu einer geringeren Qualität der Vergabeverfahren oder zu Verzögerungen bei der Durchführung von Projekten.
3. Auswirkungen auf Bieter: Für Bieter führt der Fachkräftemangel zu Problemen bei der Bearbeitung von Ausschreibungen, zu einer geringeren Qualität der Angebote, zu einer höheren Fehleranfälligkeit oder zu einer geringeren Teilnahme an Vergabeverfahren.
4. Auswirkungen auf den Markt: Für den Markt führt der Fachkräftemangel zu einer geringeren Wettbewerbsintensität, zu höheren Preisen, zu einer geringeren Innovationskraft oder zu einer geringeren Qualität der beschafften Leistungen.
Der Fachkräftemangel im Vergabewesen ist somit eine Herausforderung, die alle Beteiligten betrifft und die die Effizienz und Effektivität des Vergabewesens beeinträchtigt.
Professionalisierung der Vergabestellen:
Die Professionalisierung der Vergabestellen ist eine wichtige Strategie, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Qualität der Vergabeverfahren zu verbessern:
1. Aus- und Weiterbildung: Die Aus- und Weiterbildung im Vergaberecht sollte gestärkt werden, etwa durch spezielle Studiengänge, Fortbildungen oder Zertifizierungen.
2. Zentralisierung: Die Zentralisierung von Vergabestellen kann zur Professionalisierung beitragen, da Fachwissen gebündelt und Synergien genutzt werden können.
3. Spezialisierung: Die Spezialisierung von Vergabestellen auf bestimmte Bereiche oder Verfahrensarten kann zur Professionalisierung beitragen, da tieferes Fachwissen aufgebaut werden kann.
4. Digitalisierung: Die Digitalisierung kann zur Professionalisierung beitragen, da Prozesse standardisiert, automatisiert und effizienter gestaltet werden können.
5. Wissensmanagement: Ein systematisches Wissensmanagement kann zur Professionalisierung beitragen, da Wissen gesichert, geteilt und weiterentwickelt werden kann.
Die Professionalisierung der Vergabestellen ist somit ein wichtiger Ansatz, um die Qualität und Effizienz der Vergabeverfahren zu verbessern und dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Strategien gegen den Fachkräftemangel:
Um dem Fachkräftemangel im Vergabewesen zu begegnen, gibt es verschiedene Strategien:
1. Attraktivität steigern: Die Attraktivität des Vergabewesens als Arbeitsfeld sollte gesteigert werden, etwa durch bessere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter, flexible Arbeitszeiten oder Karrieremöglichkeiten.
2. Ausbildung verbessern: Die Ausbildung im Vergaberecht sollte verbessert werden, etwa durch die Integration des Vergaberechts in juristische Studiengänge, die Entwicklung spezieller Studiengänge oder die Förderung von Praktika.
3. Weiterbildung fördern: Die Weiterbildung im Vergaberecht sollte gefördert werden, etwa durch die Entwicklung spezieller Weiterbildungsangebote, die Förderung von Zertifizierungen oder die Unterstützung von Netzwerken.
4. Wissenstransfer sichern: Der Wissenstransfer sollte gesichert werden, etwa durch Mentoring-Programme, Wissensmanagement-Systeme oder die Dokumentation von Best Practices.
5. Externe Unterstützung nutzen: Externe Unterstützung sollte genutzt werden, etwa durch die Beauftragung von Beratern, die Nutzung von Dienstleistungen oder die Kooperation mit anderen Vergabestellen.
Diese Strategien können dazu beitragen, dem Fachkräftemangel im Vergabewesen zu begegnen und die Qualität und Effizienz der Vergabeverfahren zu verbessern.
Beispiele für Professionalisierungsinitiativen:
Es gibt verschiedene Initiativen zur Professionalisierung des Vergabewesens:
1. Vergabeakademie Hessen: Die Vergabeakademie Hessen bietet Schulungen und Weiterbildungen im Vergaberecht an und trägt so zur Professionalisierung der Vergabestellen in Hessen bei.
2. Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO): Das KOINNO unterstützt öffentliche Auftraggeber bei der innovativen Beschaffung und trägt so zur Professionalisierung des Vergabewesens bei.
3. Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB): Die KNB unterstützt öffentliche Auftraggeber bei der nachhaltigen Beschaffung und trägt so zur Professionalisierung des Vergabewesens bei.
4. Vergabenetzwerke: Vergabenetzwerke fördern den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen Vergabestellen und tragen so zur Professionalisierung des Vergabewesens bei.
5. Zertifizierungsprogramme: Zertifizierungsprogramme für Vergabefachleute, etwa der „Certified Public Procurement Expert“ (CPPE), tragen zur Professionalisierung des Vergabewesens bei.
Diese Initiativen zeigen, dass die Professionalisierung des Vergabewesens ein wichtiges Anliegen ist und dass es verschiedene Ansätze gibt, um dieses Ziel zu erreichen.
Mittelstandsfreundliche Vergabe
Die mittelstandsfreundliche Vergabe ist ein wichtiges Anliegen im Vergaberecht, da kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine wichtige Rolle in der Wirtschaft spielen und besondere Herausforderungen bei der Teilnahme an Vergabeverfahren haben.
Bedeutung des Mittelstands:
Der Mittelstand, also kleine und mittlere Unternehmen (KMU), spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und im Vergabewesen:
1. Wirtschaftliche Bedeutung: KMU machen in Deutschland etwa 99% aller Unternehmen aus, beschäftigen etwa 60% aller Arbeitnehmer und erwirtschaften etwa 35% des Gesamtumsatzes.
2. Innovationskraft: KMU sind oft innovativer und flexibler als Großunternehmen und können so zur Modernisierung und Effizienzsteigerung des öffentlichen Sektors beitragen.
3. Regionale Verankerung: KMU sind oft regional verankert und tragen so zur regionalen Wirtschaftsentwicklung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort bei.
4. Wettbewerbsintensität: Die Teilnahme von KMU an Vergabeverfahren erhöht die Wettbewerbsintensität und kann so zu besseren Preisen und Qualitäten führen.
Die Förderung der Teilnahme von KMU an Vergabeverfahren ist daher ein wichtiges Anliegen im Vergaberecht.
Herausforderungen für KMU:
KMU stehen bei der Teilnahme an Vergabeverfahren vor besonderen Herausforderungen:
1. Ressourcenmangel: KMU haben oft weniger personelle, finanzielle und technische Ressourcen als Großunternehmen, was die Teilnahme an komplexen Vergabeverfahren erschwert.
2. Informationsdefizite: KMU haben oft weniger Informationen über Vergabeverfahren und -möglichkeiten als Großunternehmen, was ihre Teilnahmechancen verringert.
3. Auftragsvolumen: KMU können oft nicht die gleichen Auftragsvolumina bewältigen wie Großunternehmen, was ihre Teilnahmemöglichkeiten einschränkt.
4. Nachweispflichten: KMU haben oft Schwierigkeiten, die geforderten Nachweise zu erbringen, etwa Referenzen, Zertifikate oder Versicherungen.
5. Bürokratie: KMU leiden besonders unter der Bürokratie im Vergabeverfahren, da sie weniger Ressourcen für die Bewältigung administrativer Anforderungen haben.
Diese Herausforderungen können dazu führen, dass KMU seltener an Vergabeverfahren teilnehmen oder geringere Erfolgsaussichten haben als Großunternehmen.
Rechtliche Grundlagen der mittelstandsfreundlichen Vergabe:
Die mittelstandsfreundliche Vergabe ist in verschiedenen Rechtsvorschriften verankert:
1. Europäische Ebene: Die EU-Vergaberichtlinien enthalten Bestimmungen zur Förderung der Teilnahme von KMU, etwa in Erwägungsgrund 78 und Artikel 46 der Richtlinie 2014/24/EU.
2. Bundesebene: Im Oberschwellenbereich ist die mittelstandsfreundliche Vergabe in § 97 Abs. 4 GWB verankert, der vorschreibt, dass die Interessen der mittelständischen Wirtschaft bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen sind.
3. Landesebene: In Hessen ist die mittelstandsfreundliche Vergabe in § 3 Abs. 1 HVTG verankert, der vorschreibt, dass die Interessen der mittelständischen Wirtschaft bei der Vergabe öffentlicher Aufträge besonders zu berücksichtigen sind.
Diese rechtlichen Grundlagen verpflichten die Auftraggeber, die Interessen der mittelständischen Wirtschaft bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen und mittelstandsfreundliche Vergabeverfahren durchzuführen.
Instrumente der mittelstandsfreundlichen Vergabe:
Es gibt verschiedene Instrumente, um die Teilnahme von KMU an Vergabeverfahren zu fördern:
1. Losbildung: Die Aufteilung des Auftrags in Lose ist das wichtigste Instrument der mittelstandsfreundlichen Vergabe. Sie ermöglicht es KMU, sich auf einzelne Lose zu bewerben, die ihren Kapazitäten entsprechen.
2. Vereinfachte Verfahren: Vereinfachte Verfahren, etwa die beschränkte Ausschreibung oder die Verhandlungsvergabe, können die Teilnahme von KMU erleichtern, da sie weniger formale Anforderungen stellen.
3. Reduzierte Nachweispflichten: Die Reduzierung von Nachweispflichten, etwa durch Eigenerklärungen oder die Akzeptanz von Präqualifikationen, kann die Teilnahme von KMU erleichtern.
4. Angemessene Fristen: Angemessene Fristen für die Angebotsabgabe geben KMU ausreichend Zeit für die Angebotserstellung und erhöhen so ihre Teilnahmechancen.
5. Transparente Informationen: Transparente Informationen über Vergabeverfahren und -möglichkeiten, etwa durch zentrale Vergabeplattformen oder Informationsveranstaltungen, können die Teilnahme von KMU fördern.
6. Unterstützungsangebote: Unterstützungsangebote für KMU, etwa Beratung, Schulungen oder Leitfäden, können ihre Teilnahmechancen erhöhen.
Diese Instrumente können dazu beitragen, die Teilnahme von KMU an Vergabeverfahren zu fördern und so die mittelstandsfreundliche Vergabe zu stärken.
Praktische Beispiele und Best Practices:
Es gibt zahlreiche praktische Beispiele und Best Practices für die mittelstandsfreundliche Vergabe:
1. Systematische Losbildung: Systematische Losbildung nach geografischen, fachlichen oder zeitlichen Kriterien, etwa bei der Vergabe von Reinigungsdienstleistungen, Bauunterhaltungsarbeiten oder IT-Dienstleistungen.
2. Mittelstandsfreundliche Eignungskriterien: Festlegung mittelstandsfreundlicher Eignungskriterien, etwa durch Verzicht auf überzogene Umsatz- oder Referenzanforderungen oder durch Akzeptanz von Eigenerklärungen.
3. Informationsveranstaltungen: Durchführung von Informationsveranstaltungen für KMU, etwa Vergabeforen, Bieterdialoge oder Marktgespräche, um über Vergabemöglichkeiten zu informieren und Fragen zu klären.
4. Vergabeportale: Nutzung von Vergabeportalen, die speziell auf die Bedürfnisse von KMU ausgerichtet sind, etwa durch einfache Bedienung, klare Informationen oder Unterstützungsangebote.
5. Bietergemeinschaften: Förderung von Bietergemeinschaften, die es KMU ermöglichen, gemeinsam an größeren Aufträgen teilzunehmen und so ihre Chancen zu erhöhen.
Diese Beispiele zeigen, dass die mittelstandsfreundliche Vergabe in der Praxis auf verschiedene Weise umgesetzt werden kann und dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, die Teilnahme von KMU an Vergabeverfahren zu fördern.
Krisenresilienz und Versorgungssicherheit
Die COVID-19-Pandemie und andere Krisen haben die Bedeutung der Krisenresilienz und Versorgungssicherheit im Vergabewesen deutlich gemacht. Die Sicherstellung der Versorgung mit kritischen Gütern und Dienstleistungen auch in Krisenzeiten ist eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Beschaffung.
Lehren aus der COVID-19-Pandemie:
Die COVID-19-Pandemie hat verschiedene Schwachstellen im Vergabewesen offenbart:
1. Abhängigkeit von globalen Lieferketten: Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten hat zu Versorgungsengpässen bei kritischen Gütern geführt, etwa bei medizinischer Schutzausrüstung, Arzneimitteln oder Elektronikkomponenten.
2. Mangelnde Flexibilität: Die mangelnde Flexibilität des Vergaberechts hat die schnelle Beschaffung kritischer Güter erschwert, etwa durch langwierige Verfahren, strenge Formvorschriften oder komplexe Nachweispflichten.
3. Fehlende Notfallpläne: Fehlende Notfallpläne für die Beschaffung in Krisenzeiten haben zu Improvisation und suboptimalen Lösungen geführt.
4. Preisvolatilität: Die Preisvolatilität in Krisenzeiten hat zu höheren Kosten und Budgetproblemen geführt.
5. Wettbewerbsverzerrungen: Wettbewerbsverzerrungen durch Hamsterkäufe, Exportbeschränkungen oder staatliche Interventionen haben die Beschaffung erschwert.
Diese Schwachstellen haben die Notwendigkeit einer krisenfesten Beschaffung deutlich gemacht und zu verschiedenen Anpassungen und Reformen geführt.
Strategien für eine krisenfeste Beschaffung:
Um die Krisenresilienz und Versorgungssicherheit im Vergabewesen zu stärken, gibt es verschiedene Strategien:
1. Diversifizierung der Lieferanten: Die Diversifizierung der Lieferanten kann die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten oder Regionen reduzieren und so die Versorgungssicherheit erhöhen.
2. Bevorratung kritischer Güter: Die Bevorratung kritischer Güter kann kurzfristige Versorgungsengpässe überbrücken und so die Versorgungssicherheit erhöhen.
3. Flexibilisierung des Vergaberechts: Die Flexibilisierung des Vergaberechts für Krisenzeiten kann die schnelle Beschaffung kritischer Güter erleichtern, etwa durch vereinfachte Verfahren, reduzierte Nachweispflichten oder erweiterte Möglichkeiten für Direktvergaben.
4. Notfallpläne: Die Entwicklung von Notfallplänen für die Beschaffung in Krisenzeiten kann die Reaktionsfähigkeit erhöhen und suboptimale Lösungen vermeiden.
5. Kooperation und Koordination: Die Kooperation und Koordination zwischen verschiedenen Beschaffungsstellen kann Synergien nutzen, Ressourcen bündeln und die Verhandlungsposition stärken.
6. Digitalisierung: Die Digitalisierung der Beschaffung kann die Effizienz und Flexibilität erhöhen, etwa durch elektronische Vergabeplattformen, digitale Lieferantenmanagementsysteme oder automatisierte Bestellprozesse.
Diese Strategien können dazu beitragen, die Krisenresilienz und Versorgungssicherheit im Vergabewesen zu stärken und die Beschaffung auch in Krisenzeiten sicherzustellen.
Rechtliche Anpassungen:
Die COVID-19-Pandemie hat zu verschiedenen rechtlichen Anpassungen im Vergaberecht geführt:
1. Dringlichkeitsregelungen: Die Dringlichkeitsregelungen im Vergaberecht wurden präzisiert und erweitert, um die schnelle Beschaffung kritischer Güter in Krisenzeiten zu erleichtern.
2. Wertgrenzen: Die Wertgrenzen für vereinfachte Verfahren wurden temporär erhöht, um die Flexibilität zu erhöhen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
3. Nachweispflichten: Die Nachweispflichten wurden temporär reduziert, um die Teilnahme an Vergabeverfahren zu erleichtern und die Beschaffung zu beschleunigen.
4. Fristen: Die Fristen wurden temporär verkürzt, um die Beschaffung zu beschleunigen und auf dringende Bedarfe schneller reagieren zu können.
5. Vertragsänderungen: Die Möglichkeiten für Vertragsänderungen wurden erweitert, um auf veränderte Umstände reagieren zu können, etwa bei Lieferengpässen, Preisänderungen oder Leistungsänderungen.
Diese rechtlichen Anpassungen haben dazu beigetragen, die Beschaffung in der Krise zu erleichtern und die Versorgung mit kritischen Gütern sicherzustellen.
Langfristige Konsequenzen:
Die Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie werden langfristige Konsequenzen für das Vergabewesen haben:
1. Stärkere Berücksichtigung der Versorgungssicherheit: Die Versorgungssicherheit wird bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stärker berücksichtigt werden, etwa durch entsprechende Zuschlagskriterien, Vertragsbedingungen oder Risikoanalysen.
2. Mehr Flexibilität im Vergaberecht: Das Vergaberecht wird flexibler gestaltet werden, um auf Krisen besser reagieren zu können, etwa durch permanente Anpassungen der Dringlichkeitsregelungen, Wertgrenzen oder Nachweispflichten.
3. Stärkere Digitalisierung: Die Digitalisierung der Beschaffung wird weiter vorangetrieben werden, um die Effizienz, Flexibilität und Transparenz zu erhöhen.
4. Mehr strategische Beschaffung: Die strategische Beschaffung wird an Bedeutung gewinnen, etwa durch langfristige Rahmenverträge, strategische Partnerschaften oder innovative Beschaffungsansätze.
5. Stärkere Kooperation: Die Kooperation zwischen verschiedenen Beschaffungsstellen wird intensiviert werden, um Synergien zu nutzen, Ressourcen zu bündeln und die Verhandlungsposition zu stärken.
Diese langfristigen Konsequenzen werden das Vergabewesen nachhaltig verändern und zu einer krisenfesteren Beschaffung beitragen.
Fazit und Zusammenfassung
Die Unterschwellenvergabe in Hessen stellt sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Bieter ein komplexes, aber entscheidendes Feld dar. Dieser umfassende Leitfaden hat die vielfältigen Aspekte beleuchtet – von den rechtlichen Grundlagen über die verschiedenen Verfahrensarten, den detaillierten Vergabeprozess, spezifische Regelungen für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen, bis hin zum Rechtsschutz und Fristenmanagement.
Wichtigste Erkenntnisse im Überblick:
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Regelwerkskenntnis ist essentiell: Eine genaue Kenntnis des HVTG, der UVgO und der VOB/A sowie der hessischen Erlasse ist unabdingbar für eine rechtssichere Vergabe.
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Verfahrenswahl mit Bedacht: Die Wahl der korrekten Verfahrensart, unter Beachtung der Wertgrenzen und spezifischen Voraussetzungen, ist ein kritischer Erfolgsfaktor.
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Sorgfalt in jeder Phase: Von der Bedarfsermittlung über die Erstellung der Leistungsbeschreibung, die Angebotswertung bis hin zur Dokumentation ist in jeder Phase des Vergabeprozesses höchste Sorgfalt geboten.
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Strategische Aspekte gewinnen an Bedeutung: Nachhaltigkeit, Innovation und soziale Kriterien sind nicht nur Schlagworte, sondern zunehmend integraler Bestandteil moderner Beschaffung.
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Digitalisierung als Chance und Herausforderung: Die E-Vergabe optimiert Prozesse, erfordert aber auch Anpassungen und Investitionen.
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Rechtsschutz erfordert proaktives Handeln: Insbesondere im Unterschwellenbereich müssen Bieter ihre Rechte aktiv durch Rügen wahren.
Handlungsempfehlungen für die Praxis:
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Auftraggeber sollten auf eine transparente, faire und gut dokumentierte Verfahrensgestaltung achten, strategische Beschaffungsziele definieren und die Möglichkeiten der E-Vergabe konsequent nutzen. Kontinuierliche Schulung der Mitarbeiter im Vergaberecht ist unerlässlich.
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Bieter profitieren von einer gründlichen Analyse der Vergabeunterlagen, einer realistischen Kalkulation, der Nutzung von Bieterfragen und einer proaktiven Wahrnehmung ihrer Rechte. Die Erstellung qualitativ hochwertiger und vollständiger Angebote ist der Schlüssel zum Erfolg.
Bedeutung einer professionellen Vergabepraxis:
Eine professionelle Vergabepraxis in Hessen sichert nicht nur die wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel, sondern stärkt auch den fairen Wettbewerb, fördert die Qualität der beschafften Leistungen und trägt zur Erreichung übergeordneter gesellschaftlicher Ziele bei. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen und die Anpassung der eigenen Prozesse sind für alle Akteure im Vergabewesen von nachhaltiger Bedeutung.
Gesetze und Verordnungen
1. Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) vom 19. Dezember 2014 (GVBl. S. 354), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Oktober 2020 (GVBl. S. 682)
2. Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1, BAnz AT 08.02.2017 B1)
3. Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A), Abschnitt 1, Ausgabe 2019
4. Vergabeverordnung (VgV) vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Januar 2022 (BGBl. I S. 19)
5. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Teil 4, §§ 97 ff.
Erlasse und Verwaltungsvorschriften
6. Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen zur Anwendung der UVgO in Hessen vom 29. April 2019 (StAnz. 2019, S. 522)
7. Vergabeerlass Hessen vom 6. Dezember 2019 (StAnz. 2019, S. 1410)
8. Gemeinsamer Runderlass zum öffentlichen Auftragswesen in Hessen vom 16. Dezember 2020 (StAnz. 2020, S. 1346)
9. Verwaltungsvorschrift zur Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Hessen vom 2. Juli 2007 (StAnz. 2007, S. 1799)
Fachliteratur
10. Müller-Wrede, M. (2017): UVgO Kommentar, Bundesanzeiger Verlag, Köln
11. Ziekow, J. & Völlink, U. (2018): Vergaberecht Kommentar, 3. Auflage, C.H. Beck, München
12. Pünder, H. & Schellenberg, M. (2019): Vergaberecht, 3. Auflage, Nomos, Baden-Baden
13. Kulartz, H.-P., Kus, A., Portz, N. & Prieß, H.-J. (2017): Kommentar zur UVgO, Werner Verlag, Köln
14. Burgi, M. (2018): Vergaberecht: Systematische Darstellung für Praxis und Ausbildung, 2. Auflage, C.H. Beck, München
Leitfäden und Handreichungen
15. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (2021): Leitfaden zur Vergabe öffentlicher Aufträge in Hessen
16. Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. (2022): Praxisleitfaden zur Unterschwellenvergabe
17. Hessischer Städte- und Gemeindebund (2020): Handreichung zur kommunalen Vergabepraxis
18. Kompetenzzentrum für innovative Beschaffung (KOINNO) (2019): Leitfaden für die Vergabe von Innovationen im Unterschwellenbereich
19. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020): Leitfaden zur Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte
Online-Ressourcen
20. Vergabeplattform des Landes Hessen: [https://vergabe.hessen.de](https://vergabe.hessen.de)
21. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Bereich Vergaberecht: [https://wirtschaft.hessen.de/wirtschaft/oeffentliches-auftragswesen](https://wirtschaft.hessen.de/wirtschaft/oeffentliches-auftragswesen)
22. Auftragsberatungsstelle Hessen e.V.: [https://www.absthessen.de](https://www.absthessen.de)
23. Kompetenzzentrum für innovative Beschaffung (KOINNO): [https://www.koinno-bmwk.de](https://www.koinno-bmwk.de)
24. Forum Vergabe e.V.: [https://www.forum-vergabe.de](https://www.forum-vergabe.de)
25. Bundesanzeiger Verlag, Vergabeportal: [https://www.vergabeportal.de](https://www.vergabeportal.de)
Rechtsprechung
26. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.02.2020, Az. 11 Verg 14/19
27. VG Gießen, Beschluss vom 05.03.2019, Az. 8 L 201/19.GI
28. BGH, Urteil vom 18.06.2019, Az. X ZR 86/17
29. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.07.2018, Az. 11 Verg 2/18
30. VG Wiesbaden, Urteil vom 10.11.2020, Az. 6 K 1016/20.WI
Sonstige Quellen
31. Statistisches Bundesamt (2021): Öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland
32. Europäische Kommission (2021): Schwellenwerte für öffentliche Aufträge ab 01.01.2022
33. Hessischer Rechnungshof (2020): Jahresbericht zur Prüfung des öffentlichen Auftragswesens in Hessen
34. Deutscher Städte- und Gemeindebund (2021): Positionspapier zur Reform des Vergaberechts
35. Zentralverband des Deutschen Handwerks (2020): Stellungnahme zur Anwendung der UVgO in den Bundesländern
FAQ: Unterschwellenvergabe in Hessen
Häufig gestellte Fragen zur Unterschwellenvergabe in Hessen
1. Was ist die Unterschwellenvergabe?
Die Unterschwellenvergabe bezieht sich auf die Vergabe öffentlicher Aufträge, deren geschätzter Auftragswert unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt. Für diese Vergaben gelten nationale Regelungen, in Hessen insbesondere die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) für Liefer- und Dienstleistungen sowie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A, Abschnitt 1) für Bauleistungen, ergänzt durch das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) und spezifische Erlasse.
2. Welche Schwellenwerte gelten aktuell in Hessen für die Unterschwellenvergabe?
Die relevanten Schwellenwerte werden regelmäßig angepasst. Aktuell (Stand 2023/2024) gelten in Hessen für die meisten öffentlichen Auftraggeber folgende EU-Schwellenwerte, unterhalb derer die nationalen Regeln greifen:
- Liefer- und Dienstleistungen: 215.000 € (netto)
- Bauleistungen: 5.382.000 € (netto)
Zusätzlich gibt es spezifische Wertgrenzen für die Wahl der Verfahrensarten im Unterschwellenbereich (z.B. für Direktaufträge, Verhandlungsvergaben, Beschränkte Ausschreibungen).
3. Welche Vergabeverfahren gibt es im Unterschwellenbereich in Hessen?
Für Liefer- und Dienstleistungen nach UVgO sind dies:
- Öffentliche Ausschreibung
- Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb
- Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb
- Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb
- Direktauftrag
Für Bauleistungen nach VOB/A sind dies:
- Öffentliche Ausschreibung
- Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb
- Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb
- Freihändige Vergabe
- Direktauftrag
4. Wann darf eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe/Freihändige Vergabe gewählt werden?
Diese Verfahren sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, die in der UVgO (§ 8 Abs. 3, 4) bzw. VOB/A (§ 3a Abs. 2, 3) geregelt sind. Gründe können z.B. besondere Dringlichkeit, nur wenige geeignete Unternehmen, oder die Art der Leistung sein. In Hessen gelten zudem spezifische Wertgrenzen, bis zu denen diese Verfahren ohne weitere Begründung genutzt werden dürfen (z.B. bis 100.000 € für Verhandlungsvergabe/Freihändige Vergabe bei Liefer-, Dienst- und Bauleistungen).
5. Was ist ein Direktauftrag und wann ist er zulässig?
Beim Direktauftrag kann der Auftraggeber eine Leistung direkt bei einem Unternehmen beschaffen, ohne ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen. Dies ist in Hessen für Liefer-, Dienst- und Bauleistungen bis zu einem Auftragswert von 10.000 € (netto) zulässig. Es wird empfohlen, auch hier den Wettbewerb zu berücksichtigen und ggf. Vergleichsangebote einzuholen.
6. Wie wird der Auftragswert korrekt geschätzt?
Die Schätzung muss sorgfältig und realistisch erfolgen (§ 3 VgV). Es ist der Gesamtwert der Leistung ohne Umsatzsteuer zu berücksichtigen, einschließlich aller Optionen und Vertragsverlängerungen. Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen ist der Wert über die gesamte Laufzeit (max. 48 Monate) anzusetzen. Eine künstliche Aufteilung zur Unterschreitung der Schwellenwerte ist unzulässig.
7. Was sind die wichtigsten Grundsätze des Vergaberechts?
Die wichtigsten Grundsätze sind Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Zudem sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Bei der Vergabe können auch soziale, ökologische und innovative Aspekte berücksichtigt werden (strategische Vergabe).
8. Welche Rolle spielt das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG)?
Das HVTG legt zusätzliche Anforderungen für öffentliche Aufträge in Hessen fest, insbesondere im Hinblick auf Tariftreue, Mindestlohn und soziale Standards. Diese Anforderungen müssen von den Bietern erfüllt und in den Vergabeunterlagen berücksichtigt werden.
9. Was sind Eignungskriterien und wie werden sie festgelegt?
Eignungskriterien dienen der Prüfung, ob ein Bieter zur ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags in der Lage ist. Sie umfassen die Befähigung zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Die Kriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und verhältnismäßig sein.
10. Was sind Zuschlagskriterien und wie werden sie angewendet?
Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dies kann das preislich günstigste Angebot sein oder das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Neben dem Preis können auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Kriterien berücksichtigt werden. Die Kriterien und ihre Gewichtung müssen in den Vergabeunterlagen transparent dargestellt werden.