
Sachverhalt: Streit um Messestand bei einer Fachmesse
Im Zentrum des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 3-12 O 21/24) vom 24.01.2025 steht ein Rechtsstreit zwischen einer Projektagentur für Messeauftritte (Klägerin) und einem Technologie-Start-up mit Schwerpunkt auf Software- und Hardwarelösungen für die Fertigungsindustrie (Beklagte). Die Streithelferin war ein Unternehmen, das Messestände aufbaut.
Im November 2023 trat die Beklagte an die Klägerin heran und fragte per E-Mail an, ob diese den Messeauftritt auf einer bedeutenden industriellen Fachmesse in Süddeutschland konzipieren und umsetzen könne. Es folgten mehrere Telefongespräche sowie die Übersendung von insgesamt vier detaillierten Konzeptentwürfen. Am 17. November 2023 legte die Klägerin ein umfassendes Angebot vor, das unter anderem eine LED-Decke, Elektroinstallation, Grafikleistungen, Möblierung, Montage und Demontage sowie den Transport umfasste. Die Nettoangebotssumme belief sich auf etwa 100.000 EUR.
Am 23. November 2023 erklärte die Beklagte, dass ihr Budget lediglich 80.000 EUR betrage. Es kam in der Folge nicht zu einem formellen Vertragsschluss. Die Klägerin stellte am 1. Dezember 2023 eine Rechnung über 8.449 EUR für die bis dahin erbrachten Entwurfsleistungen. Diese Rechnung wurde nicht bezahlt. Auch die geforderte Unterlassungserklärung bezüglich der weiteren Nutzung der Konzepte blieb aus.
Die Klägerin war der Ansicht, dass der Messestand, den die Beklagte auf der Messe präsentierte, starke gestalterische Übereinstimmungen mit ihrem Konzept aufwies. Die Umsetzung des Messestands übernahm die Streithelferin. Im Raum stand zudem der Verdacht, dass die Entwürfe der Klägerin durch einen Mitbewerber umgesetzt worden sein könnten, nachdem sie der Beklagten vorgelegt wurden. Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung der offenen Rechnung, Unterlassung der Konzeptverwendung, Auskunft über erzielte Geschäfte, Schadensersatz sowie Vernichtung des Standes.
Die Beklagte argumentierte, es sei zu keinem Vertrag gekommen und die Vorarbeiten der Klägerin seien als unverbindliche Akquisetätigkeit zu werten. Darüber hinaus bestritt sie die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Konzepte mit dem Hinweis, dass wesentliche Gestaltungselemente bereits in einem von ihr bereitgestellten Briefing enthalten gewesen seien.
Rechtliche Bewertung des Gerichts
Das Landgericht gab der Klage teilweise statt. Im Einzelnen:
1. Vergütung nach Werkvertragsrecht
Das Gericht bejahte einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung gemäß § 632 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich gilt laut § 632 Abs. 3 BGB, dass ein Kostenanschlag nicht vergütungspflichtig ist. Das Gericht sah jedoch einen atypischen Fall, in dem diese Grundregel durchbrochen wird. Maßgeblich war dabei:
- Die Klägerin hatte nicht nur eine einfache Ideenskizze erstellt, sondern vier differenzierte, aufeinander aufbauende Entwürfe.
- Diese Entwürfe wurden jeweils mit der Beklagten abgestimmt und mehrfach angepasst.
- Der Projektumfang war groß, der Zeitrahmen (Anfrage im November für eine Messe im Januar) sehr knapp.
- Es lag bereits ein konkretes Angebot mit Einzelpreisen und Leistungsbeschreibung vor.
Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin eine Leistung erbracht hatte, die bereits weit über eine bloße Werbung hinausging und die in der Praxis üblicherweise als wertschöpfender Teil der Projektumsetzung anzusehen ist. Die kreative und planerische Leistung war abgeschlossen und lediglich die Umsetzung stand noch aus. In einem solchen Fall bestehe auch ohne Vertrag ein Vergütungsanspruch.
2. Kein Urheberrechtsschutz
Die Klägerin berief sich daneben auf § 97 Abs. 2 UrhG wegen einer angeblichen Verletzung ihrer urheberrechtlich geschützten Entwürfe. Diesen Anspruch wies das Gericht jedoch zurück. Zur Begründung führte es aus:
- Nach § 2 Abs. 2 UrhG sind nur persönliche geistige Schöpfungen schutzfähig.
- Die von der Klägerin vorgelegten Konzepte erreichten diese Schöpfungshöhe nicht, da sie stark durch die Vorgaben der Beklagten bestimmt worden seien.
- Die Gestaltungsmöglichkeiten eines Messestands seien durch äußere Faktoren wie Standgröße, technische Anforderungen und Corporate Design ohnehin beschränkt.
- Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, welche konkreten Elemente auf ihrer eigenen originären Leistung beruhten und in den tatsächlich realisierten Messestand übernommen worden seien.
Das Gericht wertete die Entwürfe daher als nicht ausreichend individuell und gestalterisch geprägt, um den Schutzbereich des Urheberrechts zu eröffnen.
3. Nebenforderungen
Schließlich wurde die Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen aus dem offenen Betrag sowie zur Erstattung von 857 EUR vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Diese beruhen auf den Regelungen der §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Das Gericht stellte klar, dass die Klägerin mit der Rechnung ordnungsgemäß in Verzug gesetzt hatte und sich daher auch die Rechtsanwaltskosten als Schaden des Verzugs qualifizieren.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass Entwurfsleistungen für Messeprojekte auch ohne Vertragsschluss vergütungspflichtig sein können, wenn sie einen erheblichen Planungsaufwand darstellen. Projektagenturen sollten ihre kreativen Leistungen frühzeitig vertraglich absichern oder zumindest schriftlich eine Vergütungsvereinbarung treffen.
Fällt der Verdacht auf, dass ein Entwurf von einem Konkurrenten umgesetzt wurde, den die Agentur gar nicht direkt kontaktiert hatte, verstärkt sich das Risiko eines wirtschaftlichen Schadens. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, bereits vor der Übermittlung von Entwürfen ein Vertraulichkeitsabkommen (NDA) mit potenziellen Auftraggebern zu schließen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Ideen und Konzepte nicht ohne Zustimmung der Agentur weitergegeben oder verwendet werden dürfen.
Für Auftraggeber zeigt das Urteil, dass eine Nutzung fremder Konzepte ohne Vertrag Kostenrisiken birgt, selbst wenn kein Urheberrechtsschutz besteht. Die Schwelle zur Vergütungspflicht ist niedriger als oft angenommen.
Handlungsempfehlungen für Agenturen und Auftraggeber
Für Agenturen:
- Schaffen Sie klare rechtliche Grundlagen vor Beginn der Konzeptarbeit.
- Weisen Sie auf die Vergütungspflicht auch für Entwürfe hin.
- Dokumentieren Sie die Entwicklungsschritte nachvollziehbar.
- Schließen Sie vor Versendung sensibler Entwürfe ein NDA ab, um Ihre Ideen zu schützen.
Für Auftraggeber:
- Klären Sie vorab, ob und wann Kosten für Entwürfe entstehen.
- Verwenden Sie keine Konzepte, ohne deren Herkunft eindeutig zu klären.
- Beachten Sie, dass keine Nutzung nicht automatisch keine Zahlungspflicht bedeutet.