Categories: Kaufrecht, Werkvertrag
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Sachverhaltsdarstellung

Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem Landgericht Gießen (Az. 9 O 171/22) stand ein Streit um einen Einbauküchenkaufvertrag zwischen einer Verbraucherin und einem bekannten Möbelhaus. Die Käuferin hatte am 31.05.2021 eine Küche für ihre gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnte Wohnung zum Gesamtpreis von 10.998,81 € bestellt. Der Vertrag umfasste neben der Lieferung auch die Montage einschließlich Wasser- und Elektroanschlüsse.

Die Montage begann am 27.09.2021, allerdings fehlte ein Hängeschrank. Bald darauf wurde ein Wasserschaden gemeldet, der laut der Käuferin auf fehlerhafte Anschlüsse zurückzuführen sei. Trotz mehrerer Kontaktaufnahmen und Ortstermine kam es erst nach längerer Zeit zur Demontage und Einlagerung der Küche zur Beseitigung des Schadens. In dieser Zeit entstanden der Käuferin erhebliche Kosten, u. a. für Essen außer Haus, Tapezierarbeiten und Bodenerneuerung.

Ein erneuter Wasserschaden durch einen defekten Boiler führte letztlich zum Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte den Austausch trotz Fristsetzung nicht vorgenommen hatte.

Rechtliche Würdigung des Gerichts

Das Landgericht Gießen stellte fest, dass es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB a.F. handelte. Die Küche war mangelhaft, da die Spüle nicht ordnungsgemäß angeschlossen war, was zu einem Wasserschaden führte. Da der Mangel innerhalb von sechs Monaten auftrat, griff die Vermutungsregel des § 477 BGB a.F., sodass davon ausgegangen wurde, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag.

Die Beklagte konnte den Gegenbeweis nicht erbringen. Besonders kritisch betrachtete das Gericht die von der Beklagten verwendeten Haftungsausschlüsse in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie die Formulierungen auf Lieferscheinen. So sah die Kammer die Klausel zur Haftungsbeschränkung für Montagefehler als unwirksam an, da sie gegen § 309 Nr. 7 lit. a BGB verstößt. Zudem hielt das Gericht die Erklärung auf den Lieferscheinen – wonach keine Schäden festgestellt worden seien – für eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers gemäß § 309 Nr. 12 lit. b BGB.

Die vorformulierten Quittungstexte verlangten von der Käuferin regelmäßig die Bestätigung, dass weder Transportschäden noch Schäden an Wänden oder Böden vorlägen und dass die gelieferte und montierte Ware mangelfrei sei. Das Gericht stellte klar, dass solche pauschalen Bestätigungen nicht als wirksamer Ausschluss späterer Mängelrügen gewertet werden können, da sie den Verbrauchern ohne echte Prüfungsmöglichkeit zur Unterschrift vorgelegt werden und damit intransparent und unangemessen sind.

Auch der Schaden am Boden (PVC-Belag) sowie anteilige Verpflegungskosten wurden als ersatzfähig anerkannt (§§ 280, 249 BGB). Eine vollumfängliche Nutzungsausfallentschädigung wurde jedoch nicht zugesprochen, sondern lediglich eine pauschalierte Summe für den Zeitraum, in dem die Küche tatsächlich nicht nutzbar war.

Wegen des nicht erfolgten Austauschs des Boilers wurde der Rücktritt vom Vertrag als berechtigt angesehen (§§ 323, 346 BGB). Auch der Annahmeverzug der Beklagten hinsichtlich der Küchenrücknahme wurde festgestellt.

Praktische Einordnung für Mandanten und Kanzleien

Das Urteil betont die Verbraucherschutzrechte beim Küchenkauf und stellt klar, dass auch bei handwerklichen Leistungen im Rahmen eines Kaufvertrags kaufrechtliche Mängelrechte gelten. Besonders relevant ist die Anwendung der Beweislastumkehr nach § 477 BGB a.F. sowie die strenge Prüfung von AGB-Klauseln.

Für Käufer bedeutet das: Treten Mängel kurz nach Montage auf, besteht eine gute Chance auf Schadensersatz oder Vertragsrückabwicklung, ohne selbst den Mangel beweisen zu müssen. Unternehmen wiederum sollten ihre Montageprotokolle und AGBs sorgfältig überarbeiten, um unwirksame Klauseln zu vermeiden.

Praktische Hinweise für Verbraucher und Unternehmen

  • Verbraucher sollten bei Mängeln frühzeitig reagieren und Schriftverkehr dokumentieren. Die Fristen zur Nacherfüllung müssen klar gesetzt werden.
  • Bei Verweigerung der Nachbesserung ist der Rücktritt ein starkes Druckmittel.
  • Unternehmen sollten ihre Liefer- und Montageprozesse optimieren, etwa durch Qualitätssicherung und Schulung von Subunternehmern.
  • Es ist darauf zu achten, dass AGB-Klauseln gegen § 309 BGB nichtig sein können und daher keine Schutzwirkung entfalten.

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