
Kurzüberblick
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 21. Juni 2024, Az V ZR 79/23 entschieden, dass erheblich feuchte Wände in als Wohnung verkauften Souterrainräumen eines Altbaus einen Sachmangel darstellen. Solche Räume sind weder für die im Kaufvertrag vorausgesetzte Nutzung noch für die gewöhnliche Nutzung zum Wohnen geeignet.
Sachverhalt
Die beiden streitgegenständlichen Souterrainwohnungen befinden sich im Untergeschoss eines im Jahr 1904 errichteten Mehrfamilienhauses in Köln (Rheinnähe). Die Verkäufer hatten die Einheiten bereits 1999 erworben und kurz darauf eine chemische Horizontalsperre in allen Außenwänden einbringen lassen. Parallel dazu beschloss die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) am 22. September 1999, dass künftig auftretende Feuchtigkeitsschäden in diesen beiden Wohnungen auf Kosten der jeweiligen Eigentümer zu beseitigen seien.
Trotz wiederholter Sanierungsversuche – darunter eine Drainageanlage, Putzabschlag bis auf das Mauerwerk und Innenabdichtungen – traten in den folgenden Jahren immer wieder Durchfeuchtungen auf. Im Sommer 2017 ließ der spätere Verkäufer ein Gutachten erstellen, das gravierende Mängel dokumentierte: fehlende Abdichtung zwischen Bodenplatte und Außenwand, nicht funktionierende Horizontalsperre und flächige Feuchtigkeit im Sockelbereich.
Ungeachtet dessen boten die Verkäufer die Wohnungen Ende 2017 über ein Maklerexposé an – zunächst für 745.000 €. Im Exposé wurde eine angebliche „Kernsanierung 1999“ hervorgehoben, während der vorhandene Feuchteschaden nur mit einem knappen Satz erwähnt wurde (Kosten seien bereits im Kaufpreis einkalkuliert und vom Käufer zu tragen).
Die Käufer besichtigten das Objekt mehrmals in Begleitung eines Architekten. Bei diesen Terminen waren Fußböden geöffnet, der Putz in Teilbereichen abgeschlagen, und es waren Probebohrungen sowie offenes Mauerwerk sichtbar. Nach zähen Preisverhandlungen einigten sich die Parteien schließlich auf 675.000 €.
Am 20. Februar 2018 unterzeichneten sie den notariellen Kaufvertrag. Darin fanden sich unter anderem:
- ein weitreichender Haftungsausschluss für Sachmängel,
- ein ausdrücklicher Hinweis auf einen bekannten Feuchteschaden an einer bestimmten Außenwand,
- der allgemeine Passus, dass bei einem Altbau von 1904 künftige Feuchtigkeitsprobleme nicht ausgeschlossen werden könnten.
Die Käufer planten den Einzug zum 1. September 2018, mussten jedoch feststellen, dass umfangreiche Abdichtungs‑ und Trocknungsarbeiten erforderlich waren. Sie forderten daraufhin Schadensersatz – insbesondere Ersatz für Miet‑ und Nebenkosten – in Höhe von rund 32.500 € für den Zeitraum September 2018 bis Dezember 2019. Nachdem das Landgericht Köln die Klage abwies und das Oberlandesgericht Köln die Entscheidung bestätigte, legten die Käufer Revision ein.
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück.
Rechtliche Kernaussagen des BGH
Sachmangel (§ 434 BGB a.F.)
Erhebliche Wandfeuchtigkeit macht eine Souterrainwohnung mangelhaft, weil sie nicht bewohnbar ist – selbst bei Altbauten. Käufer dürfen grundsätzlich erwarten, dass Wohnräume trocken sind; typische Alterserscheinungen eines Altbaus rechtfertigen keine dauerhafte Durchfeuchtung.
Haftungsausschluss & Arglist (§ 444 BGB)
Ein vertraglicher Haftungsausschluss greift nicht, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt oder verharmlost. Arglist liegt bereits dann vor, wenn der Verkäufer den Mangel für möglich hält, damit rechnet, dass der Käufer ihn nicht kennt, und trotzdem schweigt oder unzureichend informiert. Ob im vorliegenden Fall Arglist vorliegt, muss das Berufungsgericht noch klären.
Pflichten innerhalb der WEG
Die Ursachen der Feuchtigkeit lagen im Bereich des Gemeinschaftseigentums (fehlerhafte Abdichtung). Die GdWE ist daher instandhaltungspflichtig; ein früherer Beschluss, die Sanierungskosten ausschließlich den jeweiligen Eigentümern aufzubürden, ist mangels Beschlusskompetenz nichtig (§ 20 Abs. 1 WEG a.F.).
Bedeutung für die Praxis
Konstellation | Konsequenz nach BGH |
---|---|
Kauf von Souterrain‑ oder Kellerwohnungen | Trockenheit ist geschuldete Beschaffenheit; Feuchtigkeit = Sachmangel, auch ohne ausdrückliche Vereinbarung |
Haftungsausschlüsse im Kaufvertrag | Wirksam nur, wenn kein arglistiges Verschweigen vorliegt |
Werbung mit „Kernsanierung“ | Weckt hohe Erwartungen; selektive Hinweise auf Mängel reichen nicht aus, um Aufklärungspflichten zu erfüllen |
WEG‑Objekte | Sanierungspflicht für Abdichtungsmängel liegt bei der Gemeinschaft; individualvertragliche Abweichungen sind unwirksam |
Handlungsempfehlungen
Für Käufer
- Bautechnische Prüfung: Vor allem bei Altbau‑Souterrainwohnungen frühzeitig einen Sachverständigen einschalten und Abdichtungsdetails prüfen.
- Dokumentation: Sämtliche Mängel und Verkäuferangaben schriftlich fixieren – erleichtert spätere Schadensersatz‑ oder Rücktrittsrechte.
Für Verkäufer / Makler
- Offenlegungspflicht ernst nehmen: Feuchtigkeit umfassend und unmissverständlich offenlegen; Bagatellisierungen können als Arglist gewertet werden.
- Exposé & Vertrag abstimmen: Widersprüche (z. B. „kernsaniert“ vs. Feuchthinweis) konsequent vermeiden.
Für WEG‑Verwalter
- Gemeinschaftseigentum instand halten: Bei Abdichtungsproblemen rasch Beschlüsse fassen und Fachunternehmen beauftragen.
- Beschlusskompetenz beachten: Kostenverlagerung auf einzelne Eigentümer ist regelmäßig unwirksam.
Fazit: Das Urteil stärkt die Position von Käufern feuchter Souterrainwohnungen und mahnt Verkäufer zu umfassender Transparenz. Feuchtigkeit ist kein kleiner Makel, sondern ein wesentlicher Sachmangel – mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Folgen.