BGH-Entscheidung vom 6. Dezember 2024 (Az.: V ZR 229/23)

Sachverhalt

Die Kläger erwarben von der Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 15. Januar 2021 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Der Kaufvertrag schloss die Haftung der Beklagten für Sachmängel ausdrücklich aus. Das Haus war zuvor über ein Maklerexposé zum Verkauf angeboten worden, in dem es hieß, das Dach sei 2009 komplett erneuert worden. Weitere im Exposé genannte Modernisierungen umfassten die Außendämmung und Verputzung des Hauses im Jahr 2016 sowie die Installation einer modernen Gasheizung im Jahr 2018.

Nach dem Erwerb stellten die Kläger fest, dass im Jahr 2009 lediglich die Bitumenbahnen des Dachs erneuert worden waren. Weder die Dachkonstruktion noch die Dämmung wurden ausgetauscht oder modernisiert. Die Kläger argumentierten, dass die Angabe im Exposé eine vollständige Dacherneuerung suggeriere, die nach ihrem Verständnis auch die Unterkonstruktion und die energetische Dämmung umfassen müsste. Da das Dach weiterhin den ursprünglichen Zustand von 1974 aufwies und nicht den Anforderungen der damaligen Energieeinsparverordnung (EnEV) entsprach, machten die Kläger Schadensersatzansprüche geltend. Sie forderten Ersatz der Kosten für eine vollständige Dacherneuerung in Höhe von 20.337,03 € netto, die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden sowie die Erstattung ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht Leipzig gab der Klage weitgehend statt, mit Ausnahme eines Teils der Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte legte Berufung beim Oberlandesgericht Dresden ein, das die Klage insgesamt abwies. Das OLG vertrat die Auffassung, dass unter einer „kompletten Dacherneuerung“ lediglich die Erneuerung der äußeren Dachhaut zu verstehen sei. Mit der von den Klägern eingelegten und vom BGH zugelassenen Revision wurde das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Rechtliche Bewertung

Der BGH stellte klar, dass die Angabe im Exposé über eine „komplette Dacherneuerung“ von einem durchschnittlichen Käufer als umfassende Erneuerung, einschließlich Dachkonstruktion und Dämmung, verstanden werden darf. Das OLG Dresden hatte den Begriff fälschlicherweise auf die Erneuerung der obersten Dachschicht (Bitumenbahnen) beschränkt.

Das Gericht stellte fest, dass öffentliche Erklärungen des Verkäufers, wie sie in einem Maklerexposé gemacht werden, Bestandteil der Sollbeschaffenheit der Kaufsache sind (§ 434 BGB a.F.). Der Haftungsausschluss für Sachmängel greift nicht, wenn der Verkäufer arglistig handelt (§ 444 BGB). Der BGH betonte zudem, dass die Auslegung des Begriffs „komplette Dacherneuerung“ nicht einem einheitlichen Sprachgebrauch unterliegt und die Erwartung eines Käufers maßgeblich ist.

Praktische Einordnung und Tipps

Für Makler:
Makler sollten sicherstellen, dass Exposé-Angaben präzise und nicht irreführend sind. Begriffe wie „komplett erneuert“ sollten nur verwendet werden, wenn tatsächlich alle relevanten Teile eines Bauteils (z.B. Dachkonstruktion, Dämmung und Eindeckung) erneuert wurden. Andernfalls drohen Haftungsrisiken.

Für Verkäufer:
Verkäufer sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass sie für Angaben im Maklerexposé haften können, selbst wenn diese vom Makler stammen. Es empfiehlt sich, die Exposé-Texte sorgfältig zu prüfen und Missverständnisse zu vermeiden, insbesondere bei umfangreichen Sanierungsangaben.

Für Käufer:
Käufer sollten bei der Besichtigung und im Vorfeld des Kaufvertrags klären, was unter Angaben wie „komplette Erneuerung“ zu verstehen ist. Gegebenenfalls sollte eine schriftliche Bestätigung der tatsächlichen durchgeführten Arbeiten eingeholt werden. Dies kann spätere Streitigkeiten vermeiden und die Beweisführung im Falle eines Mangels erleichtern.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass unpräzise Formulierungen in Immobilienanzeigen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können und sowohl Makler als auch Verkäufer für ihre Aussagen haften können. Käufer hingegen profitieren von einem erweiterten Schutz, wenn sich die Realität nicht mit den Angaben im Exposé deckt.

FAQ

1. Was versteht der BGH unter einer „kompletten Dacherneuerung“?
Der BGH stellt klar, dass eine „komplette Dacherneuerung“ nicht nur die Erneuerung der äußeren Dachhaut umfasst, sondern auch die Dachkonstruktion und Dämmung einschließen kann, wenn ein durchschnittlicher Käufer dies so versteht.

2. Greift ein allgemeiner Haftungsausschluss auch bei falschen Angaben im Exposé?
Nein, ein Haftungsausschluss für Sachmängel ist unwirksam, wenn der Verkäufer arglistig handelt oder falsche Angaben im Exposé gemacht wurden.

3. Können Makler für falsche Angaben im Exposé haftbar gemacht werden?
Ja, Makler können haftbar gemacht werden, wenn sie falsche oder irreführende Angaben im Exposé machen. Verkäufer haften jedoch ebenfalls, wenn sie diese Angaben kannten oder hätten kennen müssen.

4. Wie sollten Käufer mit unklaren Angaben im Exposé umgehen?
Käufer sollten vor dem Kauf klären, was genau mit den Angaben gemeint ist, und sich dies im Zweifel schriftlich bestätigen lassen. Eine gründliche Besichtigung und fachliche Beratung sind ebenfalls ratsam.

5. Welche Beweiserleichterungen haben Käufer bei arglistiger Täuschung?
Käufern kommen Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute. Das bedeutet, dass der Verkäufer im Streitfall nachweisen muss, dass keine Täuschung vorlag.