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Landgericht Berlin II verurteilt Energieberatungsunternehmen zu Schadensersatz in Höhe von über 6.000 Euro – Was Hausbesitzer und Energieberater jetzt wissen müssen

Die energetische Sanierung von Wohngebäuden ist für viele Eigentümer ein kostspieliges Unterfangen, das ohne staatliche Fördermittel oft nicht realisierbar wäre. Umso schwerwiegender sind die Folgen, wenn durch fehlerhafte Energieberatung zugesagte KfW-Zuschüsse verloren gehen. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin II vom 18. Februar 2025 (Az.: 30 O 197/23) zeigt deutlich: Energieberater können für Beratungsfehler zur Verantwortung gezogen werden und müssen unter Umständen Schadensersatz für entgangene Fördergelder leisten [1].

Das Urteil markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Rechtsprechung zur Haftung von Energieberatern und verdeutlicht die wachsenden Anforderungen an die fachliche Kompetenz in der Fördermittelberatung. Während ältere Entscheidungen die Haftung von Energieberatern oft einschränkten, zeigt die aktuelle Rechtsprechung eine strengere Haltung gegenüber Pflichtverletzungen im Rahmen von Dienstverträgen nach § 611 BGB.

Sachverhaltsdarstellung: Wenn Energieberatung zum Kostenfaktor wird

Der dem Urteil zugrunde liegende Fall illustriert exemplarisch die Problematik fehlerhafter Energieberatung in der Praxis. Ein privater Hauseigentümer beauftragte im April 2021 ein Energieberatungsunternehmen mit der fachlichen Begleitung der energetischen Sanierung seines Einfamilienhauses. Das Ziel war klar definiert: Die geplanten Sanierungsmaßnahmen sollten so konzipiert werden, dass sie zur Beantragung von KfW-Zuschüssen berechtigen.

Die Beklagte, ein auf Energieeffizienz spezialisiertes Beratungsunternehmen, verpflichtete sich vertraglich ausdrücklich dazu, einen Vor-Ort-Bericht oder individuellen Sanierungsfahrplan zu erstellen, der den Auftraggeber zur Beantragung von KfW-Zuschüssen berechtigt. Für diese Dienstleistung wurde ein Honorar von 2.017,05 Euro vereinbart – eine nicht unerhebliche Investition, die sich durch die erwarteten Fördermittel amortisieren sollte.

Zunächst schien alles nach Plan zu verlaufen. In Zusammenarbeit mit der beauftragten Energieberaterin stellte der Hausbesitzer einen Antrag bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Am 15. Juni 2021 erhielt er tatsächlich einen positiven Zuwendungsbescheid, der ihm eine Förderung von 20 Prozent der Kosten für Maßnahmen an der Gebäudehülle zusicherte.

Der Hausbesitzer vertraute auf die fachliche Kompetenz seiner Energieberaterin und übermittelte ihr die Angebote für die geplanten Arbeiten, darunter neue Fenster und Dachfenster. Die Beraterin erhob keine Einwände gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen. Daraufhin ließ der Eigentümer die Sanierungsarbeiten durchführen, die Gesamtkosten von 34.302,35 Euro verursachten. Die entsprechenden Rechnungen leitete er ordnungsgemäß an die Energieberaterin weiter, die diese für den Verwendungsnachweis beim BAFA benötigte.
Die böse Überraschung folgte im Juni 2022: Das BAFA teilte dem Hausbesitzer mit, dass die durchgeführten Sanierungsmaßnahmen die technischen Mindestanforderungen der BEG-Förderrichtlinie nicht erfüllten. Die Behörde forderte ihn auf, nicht förderfähige Positionen aus der Rechnungsaufstellung streichen zu lassen. Trotz intensiver Korrespondenz zwischen allen Beteiligten konnte keine zufriedenstellende Lösung gefunden werden.

Die Konsequenz war drastisch: Mit Bescheid vom 4. August 2022 hob das BAFA den ursprünglichen Förderbescheid bezüglich der strittigen Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle auf. Dem Hausbesitzer entgingen dadurch Fördermittel in Höhe von 6.093,04 Euro – entsprechend 20 Prozent der förderfähigen Kosten. Aus Sicht des Eigentümers war die Ursache für diesen finanziellen Verlust klar: eine fehlerhafte Beratung durch das beauftragte Energieberatungsunternehmen.

Rechtliche Würdigung des Gerichts: Dienstvertrag verpflichtet zu fachlich korrekter Beratung

Das Landgericht Berlin II kam nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten verletzt hatte und zum Schadensersatz verpflichtet war. Die rechtliche Begründung des Gerichts basiert auf mehreren zentralen Erwägungen, die für die künftige Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung von erheblicher Bedeutung sind.

Vertragsrechtliche Einordnung nach § 611 BGB

Das Gericht stellte zunächst fest, dass zwischen den Parteien ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB geschlossen wurde. Diese Einordnung entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der Energieberatungsverträge als „neue Dienstleistungsberufe“ klassifiziert, deren Berufsbild gesetzlich noch nicht umfassend geregelt ist [2].

Die Abgrenzung zum Werkvertrag nach § 631 BGB ist dabei von entscheidender Bedeutung. Während ein Werkvertrag die Herstellung eines bestimmten Erfolgs schuldet, verpflichtet ein Dienstvertrag lediglich zur ordnungsgemäßen Erbringung der vereinbarten Dienstleistung. Im vorliegenden Fall hatte sich die Energieberaterin nicht dazu verpflichtet, den tatsächlichen Erhalt der Fördermittel zu garantieren, sondern lediglich eine fachlich zutreffende Beratung zu erbringen, die zur Beantragung von KfW-Zuschüssen berechtigt.

Diese Unterscheidung ist für die Haftung von Energieberatern von fundamentaler Bedeutung. Sie müssen nicht für den Erfolg ihrer Beratung einstehen, sondern lediglich dafür, dass ihre Beratung den anerkannten fachlichen Standards entspricht. Das Landgericht Berlin II betonte jedoch, dass die bloße Erstellung eines Berichts, der formal zur Antragstellung berechtigt, nicht ausreicht. Vielmehr muss die Beratung inhaltlich korrekt sein und den tatsächlichen Anforderungen der Förderrichtlinien entsprechen.

Pflichtverletzung durch unzureichende Prüfung

Das Gericht sah eine Pflichtverletzung der Energieberaterin darin, dass sie die vom Auftraggeber vorgelegten Angebote nicht ordnungsgemäß geprüft und später einen Verwendungsnachweis mit Werten bestätigt hatte, die offensichtlich nicht den technischen Mindestanforderungen der BEG-Richtlinie entsprachen. Die Beraterin hätte erkennen und darauf hinweisen müssen, dass die geplanten beziehungsweise ausgeführten Maßnahmen nicht zur zugesagten Förderung führen würden.

Diese Feststellung des Gerichts ist bemerkenswert, da sie eine relativ weitreichende Prüfungspflicht für Energieberater begründet. Die Beraterin konnte sich nicht darauf berufen, lediglich die formalen Voraussetzungen für die Antragstellung geschaffen zu haben. Vielmehr wurde von ihr erwartet, dass sie die technischen Details der geplanten Maßnahmen inhaltlich überprüft und bei Zweifeln entsprechende Hinweise gibt.
Das Gericht machte deutlich, dass Energieberater aufgrund ihrer fachlichen Expertise eine besondere Verantwortung tragen. Sie fungieren nicht nur als administrative Unterstützer bei der Antragstellung, sondern als fachliche Berater, die die technische Eignung der geplanten Maßnahmen beurteilen müssen. Diese Einschätzung entspricht der wachsenden Bedeutung der Energieberatung als eigenständiger Berufsstand mit spezifischen fachlichen Anforderungen.

Schadensberechnung und Kausalität

Bei der Schadensberechnung folgte das Landgericht Berlin II den etablierten Grundsätzen der Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung. Der Schaden des Klägers wurde in der entgangenen Fördersumme gesehen, die ihm bei korrekter Einhaltung der Förderbedingungen zugestanden hätte. Das Gericht legte hierfür den Betrag von 6.093,04 Euro zugrunde, wobei kleinere Unsicherheiten bezüglich der Förderfähigkeit einzelner Rechnungsposten berücksichtigt wurden.
Interessant ist die vom Gericht angeordnete Zug-um-Zug-Verurteilung: Die Zahlung durch die Beklagte erfolgt gegen die Abtretung der Rechte des Klägers aus dem Widerspruchsverfahren gegen den Aufhebungsbescheid des BAFA. Diese Regelung stellt sicher, dass der Hausbesitzer nicht doppelt entschädigt wird – einmal durch das Urteil und möglicherweise ein weiteres Mal, falls sein Widerspruch beim BAFA doch noch erfolgreich sein sollte.

Diese Konstruktion zeigt die Sensibilität des Gerichts für die komplexen rechtlichen Beziehungen im Fördermittelrecht. Sie verhindert eine Bereicherung des Geschädigten und stellt gleichzeitig sicher, dass alle rechtlichen Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung ausgeschöpft werden.

Praktische Einordnung: Bedeutung für Energieberater und Mandanten

Das Urteil des Landgerichts Berlin II markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Rechtsprechung zur Haftung von Energieberatern und hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis der Energieberatung in Deutschland. Die Entscheidung steht in einem bemerkenswerten Kontrast zu anderen aktuellen Urteilen, die eine restriktivere Haltung zur Energieberaterhaftung eingenommen haben.

Verschärfung der Haftungsstandards

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin II deutet auf eine Verschärfung der Haftungsstandards für Energieberater hin. Während frühere Urteile oft die begrenzte Verantwortung von Energieberatern betonten und die Eigenverantwortung der Auftraggeber in den Vordergrund stellten, zeigt das aktuelle Urteil eine strengere Haltung gegenüber fachlichen Fehlern.
Diese Entwicklung spiegelt die wachsende Bedeutung der Energieberatung als professioneller Dienstleistungssektor wider. Mit der zunehmenden Komplexität der Förderrichtlinien und der steigenden finanziellen Bedeutung von Energieeffizienzmaßnahmen wachsen auch die Erwartungen an die fachliche Kompetenz der Berater. Das Gericht macht deutlich, dass Energieberater nicht nur administrative Unterstützer sind, sondern fachliche Experten, die für die Qualität ihrer Beratung einstehen müssen.

Die Verschärfung der Standards hat unmittelbare Auswirkungen auf die Berufshaftpflichtversicherung von Energieberatern. Versicherungsunternehmen werden die erhöhten Haftungsrisiken in ihre Prämienkalkulationen einbeziehen müssen. Gleichzeitig steigt der Druck auf Energieberater, ihre fachlichen Kompetenzen kontinuierlich zu aktualisieren und ihre Beratungsprozesse zu professionalisieren.

Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung

Das Urteil hat erhebliche Konsequenzen für die Vertragsgestaltung in der Energieberatung.


Energieberater werden künftig noch präziser definieren müssen, welche Leistungen sie erbringen und welche Verantwortung sie übernehmen. Die pauschale Zusage, einen Bericht zu erstellen, der zur Beantragung von Fördermitteln berechtigt, reicht nach der aktuellen Rechtsprechung nicht mehr aus.

Vielmehr müssen Energieberater klar definieren, in welchem Umfang sie die technische Eignung der geplanten Maßnahmen prüfen und welche Gewährleistungen sie für die Förderfähigkeit übernehmen. Gleichzeitig sollten sie ihre Auftraggeber explizit über die Grenzen ihrer Verantwortung aufklären und die Mitwirkungspflichten der Bauherren klar definieren.


Besondere Bedeutung kommt der Dokumentation des Beratungsprozesses zu. Energieberater sollten alle wesentlichen Beratungsschritte, Empfehlungen und Warnhinweise schriftlich festhalten. Dies dient nicht nur der Qualitätssicherung, sondern auch dem Nachweis ordnungsgemäßer Beratung im Streitfall.

Konsequenzen für Hausbesitzer und Bauherren

Für Hausbesitzer und Bauherren bringt das Urteil sowohl Chancen als auch Risiken mit sich. Einerseits stärkt es ihre Position gegenüber Energieberatern und erhöht die Wahrscheinlichkeit, bei Beratungsfehlern Schadensersatz zu erhalten. Andererseits steigen dadurch auch die Kosten für Energieberatung, da die Berater höhere Haftungsrisiken einkalkulieren müssen.


Bauherren sollten bei der Auswahl von Energieberatern verstärkt auf deren fachliche Qualifikation und Berufshaftpflichtversicherung achten. Die Beauftragung unqualifizierter oder unzureichend versicherter Berater kann im Schadensfall zu erheblichen finanziellen Verlusten führen. Gleichzeitig sollten Auftraggeber ihre eigenen Mitwirkungspflichten ernst nehmen und alle relevanten Informationen vollständig und korrekt an ihre Berater weiterleiten.

Vergleichende Analyse: Unterschiedliche Ansätze in der Rechtsprechung

Das Urteil des Landgerichts Berlin II steht nicht isoliert, sondern muss im Kontext der gesamten Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung betrachtet werden. Ein Vergleich mit anderen aktuellen Entscheidungen zeigt unterschiedliche Ansätze der Gerichte und verdeutlicht die noch nicht vollständig gefestigte Rechtslage in diesem Bereich.

OLG Celle (27.02.2014): Grundlegende Prinzipien der Energieberaterhaftung

Das Oberlandesgericht Celle hatte bereits 2014 in seinem Urteil vom 27. Februar 2014 (Az.: 16 U 187/13) wichtige Grundsätze zur Haftung von Energieberatern entwickelt [3]. Der Fall betraf ebenfalls eine fehlerhafte Beratung über Fördermittel im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung eines Mehrfamilienhauses.
Das OLG Celle stellte fest, dass Beratungsverträge über energetische Sanierungen einschließlich der Fördermittelberatung als Dienstverträge zu qualifizieren sind. Besonders bedeutsam war die Feststellung des Gerichts, dass sich Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Auskunft über Förderungen auf das negative Interesse richten.
Das Gericht entwickelte wichtige Grundsätze zur Schadensberechnung: Der finanzielle Aufwand für Modernisierungsmaßnahmen muss sich nicht zwangsläufig in einer gleichartigen Steigerung des Verkehrswerts der Immobilie niederschlagen. Der Schaden kann daher nicht durch einen einfachen Vergleich des Verkehrswerts mit und ohne die energetischen Sanierungsmaßnahmen berechnet werden. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die beauftragten Baumaßnahmen wertmäßig der Investition entsprechen.
Diese Grundsätze haben bis heute Bestand und wurden auch vom Landgericht Berlin II in seinem aktuellen Urteil berücksichtigt. Sie zeigen, dass die Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung auf soliden dogmatischen Fundamenten steht, auch wenn die Anwendung im Einzelfall unterschiedlich ausfallen kann.

LG Bielefeld (31.01.2023): Restriktive Haltung zur Beraterhaftung

Einen deutlich restriktiveren Ansatz verfolgte das Landgericht Bielefeld in seinem Urteil vom 31. Januar 2023 (Az.: 7 O 325/21) [4]. In diesem Fall klagte ein Bauherr gegen eine Energie-Effizienz-Expertin, weil durch versäumte Fristen KfW-Fördermittel verloren gegangen waren. Das Gericht wies die Klage vollständig ab und entwickelte dabei eine sehr enge Auslegung der Beraterpflichten.
Das Landgericht Bielefeld betonte, dass Energie-Effizienz-Experten im Rahmen der KfW-Förderung regelmäßig nur für die technische Beratung und die Erstellung der erforderlichen Bestätigungen zuständig seien. Eine Fristenkontrolle oder der Hinweis auf Fristverlängerungsmöglichkeiten gehöre nicht zu ihren vertraglichen Pflichten. Für die Verfahrensseite der Antragstellung über das Zuschussportal sei vielmehr der antragstellende Bauherr selbst zuständig.
Das Gericht stellte klar, dass der Aufgabenkreis der Energieeffizienz-Expertin auf der technischen Seite sowie der Erteilung von Bestätigungen zum Antrag (BzA) und Bestätigungen nach Durchführung (BnD) liege, nicht im Verfahren an sich. Eine Nebenpflicht zur Überwachung von Fristen oder zum Hinweis auf drohende Fristenabläufe sei aus dem Vertragsverhältnis nicht herzuleiten.
Diese restriktive Haltung steht in einem bemerkenswerten Kontrast zum Urteil des Landgerichts Berlin II. Während das Landgericht Bielefeld die Verantwortung der Energieberater eng begrenzt und die Eigenverantwortung der Bauherren betont, zeigt das Landgericht Berlin II eine deutlich strengere Haltung gegenüber Beratungsfehlern.

OLG Celle (30.06.2021): Aufgabenverteilung zwischen Berater und Auftraggeber

Das Oberlandesgericht Celle hatte in einem weiteren Urteil vom 30. Juni 2021 (Az.: 14 U 188/19) Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung zu präzisieren [5]. Der Fall betraf die Beantragung von Fördermitteln für die Erneuerung einer Verkaufsraumbeleuchtung, bei der durch falsche Angaben zur Beschäftigtenzahl die Fördervoraussetzungen nicht erfüllt wurden.
Das OLG Celle bestätigte erneut, dass Energieberatungsverträge als Dienstverträge nach § 611 BGB zu qualifizieren sind und keine Erfolgsgarantie beinhalten. Besonders interessant war die Feststellung des Gerichts zur Aufgabenverteilung zwischen Energieberater und Auftraggeber: Das Ausfüllen des Antragsformulars sei Aufgabe des Bauherrn, während der Energieberater für die technischen Fragen verantwortlich sei.
Das Gericht stellte fest, dass der Energieberater nicht gehalten war, die ihm übermittelten Angaben zur Beschäftigtenzahl zu hinterfragen, da keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Angaben offenkundig unzutreffend oder unplausibel waren. Bei der Angabe der Mitarbeiterzahl komme es nicht auf das besondere technische Fachwissen eines Energieberaters an.
Diese Entscheidung zeigt einen ausgewogenen Ansatz, der die Verantwortlichkeiten zwischen Energieberater und Auftraggeber klar abgrenzt. Der Energieberater ist für sein Fachgebiet – die technischen Aspekte der Energieeffizienz – verantwortlich, während der Auftraggeber für die Richtigkeit seiner eigenen Angaben einzustehen hat.

Praktische Hinweise: Handlungsempfehlungen für Betroffene

Die aktuelle Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung zeigt, dass sowohl Energieberater als auch ihre Auftraggeber erhebliche rechtliche Risiken tragen. Die unterschiedlichen Ansätze der Gerichte machen deutlich, dass eine sorgfältige Vertragsgestaltung und eine professionelle Abwicklung von Energieberatungsprojekten von entscheidender Bedeutung sind.


Empfehlungen für Energieberater

Energieberater sollten angesichts der verschärften Rechtsprechung ihre Geschäftspraktiken überprüfen und anpassen. Die wichtigsten Handlungsempfehlungen umfassen:
  • Präzise Vertragsgestaltung: Energieberater müssen ihre Leistungen klar und eindeutig definieren. Pauschale Zusagen wie „Berechtigung zur Beantragung von Fördermitteln“ reichen nicht mehr aus. Vielmehr sollten die konkreten Prüfungsschritte, der Umfang der technischen Bewertung und die Grenzen der Beratung explizit festgelegt werden. Gleichzeitig sollten die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers detailliert beschrieben werden.
  • Umfassende Dokumentation: Alle wesentlichen Beratungsschritte, Empfehlungen und Warnhinweise sollten schriftlich dokumentiert werden. Dies umfasst nicht nur die finalen Berichte, sondern auch Zwischenstände, E-Mail-Korrespondenz und Gesprächsnotizen. Eine lückenlose Dokumentation dient sowohl der Qualitätssicherung als auch dem Nachweis ordnungsgemäßer Beratung im Streitfall.
  • Kontinuierliche Fortbildung: Die Förderrichtlinien und technischen Anforderungen ändern sich regelmäßig. Energieberater müssen ihre fachlichen Kompetenzen kontinuierlich aktualisieren und sich über Änderungen in den Förderprogrammen informieren. Dies umfasst nicht nur die technischen Aspekte, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen.
  • Angemessene Berufshaftpflichtversicherung: Angesichts der erhöhten Haftungsrisiken sollten Energieberater ihre Berufshaftpflichtversicherung überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Die Deckungssummen sollten den potenziellen Schäden entsprechen, die durch Beratungsfehler entstehen können.
  • Qualitätsmanagementsystem: Die Implementierung eines systematischen Qualitätsmanagementsystems kann dazu beitragen, Beratungsfehler zu vermeiden und die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern. Dies umfasst standardisierte Prüfverfahren, Checklisten und interne Kontrollen.

Empfehlungen für Hausbesitzer und Bauherren

Auch Hausbesitzer und Bauherren können durch umsichtiges Verhalten ihre rechtliche Position stärken und das Risiko von Fördermittelverlusten minimieren:


  • Sorgfältige Beraterauswahl: Bei der Auswahl von Energieberatern sollten Hausbesitzer nicht nur auf den Preis achten, sondern auch die fachliche Qualifikation, Erfahrung und Berufshaftpflichtversicherung berücksichtigen. Referenzen und Zertifizierungen können wichtige Hinweise auf die Kompetenz des Beraters geben.
  • Klare Leistungsvereinbarungen: Bauherren sollten darauf bestehen, dass die Leistungen des Energieberaters klar und detailliert definiert werden. Dies umfasst sowohl die zu erbringenden Beratungsleistungen als auch die Verantwortlichkeiten bei der Fördermittelbeantragung.
  • Vollständige und korrekte Informationen: Auftraggeber müssen alle relevanten Informationen vollständig und korrekt an ihre Energieberater weiterleiten. Falsche oder unvollständige Angaben können nicht nur zum Verlust von Fördermitteln führen, sondern auch die Haftung des Beraters ausschließen.
  • Eigenverantwortung bei Verfahrensfragen: Bauherren sollten sich bewusst sein, dass sie für bestimmte Aspekte der Fördermittelbeantragung selbst verantwortlich sind. Dies umfasst insbesondere die Einhaltung von Fristen und die Richtigkeit ihrer eigenen Angaben.
  • Dokumentation der Zusammenarbeit: Auch Auftraggeber sollten die Zusammenarbeit mit ihren Energieberatern dokumentieren. Dies umfasst die Aufbewahrung aller Korrespondenz, Berichte und Vereinbarungen.

Fazit: Neue Standards in der Energieberaterhaftung

Das Urteil des Landgerichts Berlin II vom 18. Februar 2025 markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Rechtsprechung zur Haftung von Energieberatern. Die Entscheidung zeigt, dass die Gerichte zunehmend strengere Maßstäbe an die fachliche Kompetenz und Sorgfaltspflichten von Energieberatern anlegen. Diese Entwicklung spiegelt die wachsende Bedeutung der Energieberatung als professioneller Dienstleistungssektor und die steigenden Erwartungen von Verbrauchern an die Qualität der Beratung wider.


Zentrale Erkenntnisse für die Praxis

Die vergleichende Analyse der aktuellen Rechtsprechung zeigt mehrere zentrale Erkenntnisse, die für die Praxis der Energieberatung von erheblicher Bedeutung sind:

  • Verschärfung der Haftungsstandards: Die Rechtsprechung entwickelt sich in Richtung strengerer Haftungsstandards für Energieberater. Während frühere Entscheidungen oft die begrenzte Verantwortung der Berater betonten, zeigen aktuelle Urteile eine deutlich kritischere Haltung gegenüber Beratungsfehlern. Energieberater können sich nicht mehr darauf beschränken, formal korrekte Dokumente zu erstellen, sondern müssen die inhaltliche Richtigkeit ihrer Beratung gewährleisten.
  • Professionalisierung der Energieberatung: Die Rechtsprechung erkennt die Energieberatung zunehmend als eigenständigen Berufsstand mit spezifischen fachlichen Anforderungen an. Dies führt zu höheren Erwartungen an die Qualifikation und Sorgfalt der Berater, aber auch zu einer stärkeren rechtlichen Anerkennung ihrer Expertise.
  • Komplexe Aufgabenverteilung: Die verschiedenen Gerichtsentscheidungen zeigen, dass die Aufgabenverteilung zwischen Energieberatern und ihren Auftraggebern komplex und nicht einheitlich geregelt ist. Während technische Fragen eindeutig in den Verantwortungsbereich der Berater fallen, sind Verfahrensfragen und die Richtigkeit von Auftraggeberangaben umstritten.
  • Bedeutung der Vertragsgestaltung: Eine präzise Vertragsgestaltung wird immer wichtiger, um Haftungsrisiken zu begrenzen und Streitigkeiten zu vermeiden. Sowohl Energieberater als auch ihre Auftraggeber sollten ihre Rechte und Pflichten klar definieren und dokumentieren.

Ausblick auf die weitere Rechtsentwicklung

Die aktuelle Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung befindet sich noch in der Entwicklung. Es ist zu erwarten, dass die Gerichte in den kommenden Jahren weitere Präzisierungen vornehmen werden, insbesondere zu folgenden Aspekten:

  • Standardisierung der Sorgfaltspflichten: Die Rechtsprechung wird voraussichtlich klarere Standards für die Sorgfaltspflichten von Energieberatern entwickeln. Dies könnte zur Entstehung branchenspezifischer Berufspflichten führen, die über die allgemeinen Regeln des Dienstvertragsrechts hinausgehen.
  • Abgrenzung der Verantwortlichkeiten: Die Gerichte werden die Aufgabenverteilung zwischen Energieberatern und ihren Auftraggebern weiter präzisieren müssen. Dabei wird insbesondere die Frage zu klären sein, in welchem Umfang Energieberater für Verfahrensfragen und die Überwachung von Fristen verantwortlich sind.
  • Schadensberechnung: Die Methoden zur Schadensberechnung bei Fördermittelverlusten werden sich weiter entwickeln. Dabei wird zu klären sein, wie Unsicherheiten bei der Förderfähigkeit einzelner Maßnahmen zu berücksichtigen sind und welche Mitwirkungsobliegenheiten der Geschädigten bestehen.
  • Europäische Dimension: Mit der zunehmenden Harmonisierung der Energieeffizienzpolitik auf europäischer Ebene könnten auch europarechtliche Aspekte in die Rechtsprechung zur Energieberaterhaftung einfließen.

Rechtlicher Hinweis

Die Informationen in diesem Artikel dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt, nicht ersetzen. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch neue Urteile und Gesetze geändert haben. Trotz umfassender Kontrolle können Irrtümer enthalten sein. Für eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte.

Quellen und Referenzen

[1] Landgericht Berlin II, Urteil vom 18.02.2025 – 30 O 197/23, verfügbar unter: https://www.ra-kotz.de/energieberater-schuldet-fachlich-zutreffende-beratung-dienstvertragsrecht.htm
[2] Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. November 2019 – VIII ZR 285/18, zur Rechtsnatur von Energieberatungsverträgen als „neue Dienstleistungsberufe“
[4] Landgericht Bielefeld, Urteil vom 31.01.2023 – 7 O 325/21, verfügbar unter: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bielefeld/lg_bielefeld/j2023/7_O_325_21_Anerkenntnisurteil_20230131.html
[5] Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 30.06.2021 – 14 U 188/19, verfügbar unter: https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/18eaf527-7d6a-4bce-800f-65a9ab663b25

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